Normenkette

EStG 1974 § 5 Abs. 3 Nr. 1, § 16 Abs. 2; GewStG § 7; AktG § 156 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (Kläger) war Inhaber eines Küstenmotorschiffes, dessen Erwerb im Jahre 1965 mit Bankdarlehen finanziert worden war; die Darlehen waren binnen 10 Jahren zu tilgen. Bei Auszahlung der Darlehensvaluta war ein Disagio einbehalten worden, das der Kläger aktivierte und entsprechend der Laufzeit der Darlehen abschrieb. Zum 30. Dezember 1974 veräußerte der Kläger das Schiff; am folgenden Tage floß ihm der Veräußerungspreis zu, aus dem er die restliche Darlehensschuld tilgte. In der Schlußbilanz zum 30. Dezember 1974 schrieb der Kläger den Restbetrag des Disagios zu Lasten des laufenden Gewinns ab. Anläßlich einer Außenprüfung aktivierte der Prüfer das Disagio zum 30. Dezember 1974 mit einem Restwert von 9 119 DM; diesen Betrag berücksichtigte er zu Lasten des Veräußerungsgewinns. Demgemäß erhöhten sich der laufende Gewinn und der Gewerbeertrag des Klägers. Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) änderte den Gewerbesteuermeßbescheid 1974 entsprechend.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß ein aktiviertes Damnum bei vorzeitiger Tilgung des Darlehens als Aufwand verbucht werden müsse. Im Streitfall habe die kreditgewährende Bank bestätigt, daß die Darlehen mit der Veräußerung des Schiffs zur Rückzahlung fällig geworden seien. Wegen des auf null DM gesunkenen Teilwerts müsse das Disagio zu Lasten des laufenden Gewinns ausgebucht werden. Daran ändere nichts, daß die Darlehensverbindlichkeit noch in der Schlußbilanz ausgewiesen werde. Das FG berechnete die Gewinnminderung jedoch nur mit 8 341 DM. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 111 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger das aktivierte Disagio in seiner Betriebsbeendigungsbilanz zum 30. Dezember 1974 zu Lasten des laufenden Gewinns abschreiben müsse und sich dadurch auch der Gewerbeertrag entsprechend mindere (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -).

a) Der Kläger hat in Zusammenhang mit der Veräußerung des Motorschiffes andere Wirtschaftsgüter mitveräußert und das verbliebene Vermögen in das Privatvermögen übernommen; er hat damit seinen Betrieb im ganzen aufgegeben. Er mußte aus diesem Anlaß sowohl den Aufgabegewinn (§ 16 Abs. 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1974 - EStG -), als auch den laufenden Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr 1974 ermitteln. Er hat den laufenden Gewinn mit Hilfe einer Betriebsabschlußbilanz berechnet, für deren Inhalt gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1974, §§ 38 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) die kaufmännischen Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung maßgebend waren. Hierbei konnte ein Disagio nicht mehr berücksichtigt werden.

Das Disagio bezeichnet den Unterschied zwischen der rückzahlbaren Darlehenssumme und dem tatsächlich an den Darlehensnehmer ausgezahlten Geldbetrag. In ihm liegt wirtschaftlich eine zusätzliche Vergütung für die Kapitalüberlassung und damit ein Teil des Effektivzinses (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. November 1970 IV R 3/69, BFHE 97, 418, BStBl II 1970, 209, und vom 19. Januar 1978 IV R 153/72, BFHE 124, 320, 323, BStBl II 1978, 262). Bilanzrechtlich leistet der Darlehensnehmer mit der Hinnahme des Auszahlungsabschlags eine Ausgabe für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag, so daß nach den einen allgemeinen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung enthaltenden § 152 Abs. 9 Nr. 1, § 156 Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG) handelsrechtlich die Aktivierung eines Rechnungsabgrenzungspostens zumindest zulässig und im Hinblick auf § 5 Abs. 3 Nr. 1 (jetzt Abs. 4 Nr. 1) EStG steuerlich geboten ist (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291; Urteil in BFHE 124, 320, 323, BStBl II 1978, 262; ständige Rechtsprechung). Die in dieser Weise aktivierte Ausgabe ist mittels planmäßiger Abschreibungen als Aufwand über die Laufzeit des Darlehens zu verteilen, ohne daß es einer Bewertung des Rechnungsabgrenzungspostens bedürfte (BFH-Urteil vom 31. Mai 1967 I 208/63, BFHE 89, 191, 193, BStBl III 1967, 607; Urteil in BFHE 97, 418, BStBl II 1970, 209).

Die Entwicklung der Verhältnisse kann ergeben, daß die Laufzeit des Darlehens kürzer ausfällt, als ursprünglich von den Vertragsparteien erwartet. In diesem Fall muß das Disagio als Vorleistung für die Kapitalüberlassung über die verkürzte Laufzeit verteilt werden; dem ist durch eine außerplanmäßige Abschreibung auf den noch aktivierten Betrag Rechnung zu tragen. Demgemäß hat die Rechtsprechung eine Vollabschreibung des Disagios für erforderlich gehalten, wenn das Darlehen vorzeitig zurückgezahlt wird (BFH-Urteil vom 13. März 1974 I R 165/72, BFHE 111, 527, BStBl II 1974, 359). Hieran ist auch im Streitfall anzuknüpfen, da das Darlehen nach den Feststellungen des FG vereinbarungsgemäß im Zeitpunkt der Veräußerung des Schiffes zurückzuzahlen war und tatsächlich auch zum 31. Dezember 1974 getilgt worden ist. Wie zu entscheiden wäre, wenn der Erwerber des Schiffs die Darlehensverbindlichkeit in voller Höhe übernommen hätte, kann dahinstehen.

Zu Unrecht hält das FA dem entgegen, daß das Disagio mit Darlehensverbindlichkeiten in Zusammenhang stehe, die in der Abschlußbilanz noch passiviert seien. Das Disagio ist kein Wertberichtigungsposten, mit dem der zutreffende Ausweis der Darlehensverbindlichkeit erreicht werden soll. Diese Verbindlichkeit war mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen (§ 156 Abs. 2 AktG), der grundsätzlich auch bei einer vorfristigen Tilgung zu entrichten war. Das Disagio bezeichnet vielmehr eine Vorleistung aus einem schwebenden Geschäft für eine zeitbezogene, in der Kapitalnutzung bestehende Gegenleistung. Hat die Kapitalnutzung ihr Ende gefunden, kann das Disagio nicht mehr aktiviert bleiben. Dabei kann im Streitfall vernachlässigt werden, daß das Darlehen erst an dem auf den Bilanzierungszeitpunkt folgenden Tag zurückgezahlt worden ist. Wie zu verfahren wäre, wenn der Kläger seinen Gewinn durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hätte, braucht nicht entschieden zu werden; das vom FA angeführte BFH-Urteil vom 28. Mai 1968 IV R 202/67 (BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650) ergibt nicht, daß in diesem Fall das Disagio in der aufzustellenden Schlußbilanz zu aktivieren wäre.

b) Zu Recht hat das FG die Abschreibung des Disagios als Aufwand beim laufenden Gewinn und Gewerbeertrag und nicht als Kosten der Betriebsaufgabe berücksichtigt. Als Kosten der Betriebsaufgabe bzw. Betriebsveräußerung i. S. von § 16 Abs. 2 EStG sind nur solche Aufwendungen anzusehen, die in unmittelbarer sachlicher Beziehung zum Veräußerungsvorgang oder zur Übernahme von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen stehen (vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1977 IV R 60/74, BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100, und vom 26. Januar 1984 IV R 236/80, BFHE 140, 273, BStBl II 1984, 347; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 16 Anm. 52). Die Rückzahlung der Darlehen fiel zwar zeitlich mit der Betriebsaufgabe zusammen. Gleichwohl beinhaltete die Abschreibung des Disagios die Nachholung von Aufwendungen für zurückliegende Zeiträume der - verkürzten - Kapitalnutzung, nicht aber Aufwendungen, die der Veräußerung der betrieblichen Wirtschaftsgüter oder ihrer Überführung in das Privatvermögen dienen sollten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75077

BStBl II 1984, 713

BFHE 1985, 522

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