Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen einer Studienassessorin für ein zweisemestriges Studium der Erziehungswissenschaften ohne Abschlußexamen können derart eng mit dem ausgeübten Beruf zusammenhängen, daß sie als Fortbildungs- und damit als Werbungskosten steuerlich berücksichtigungsfähig sind.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war seit dem 1. April 1965 als Studienassessorin für Deutsch und Geschichte tätig. In der Zeit vom 3. September 1968 bis zum 30. April 1969 studierte sie an der Fakultät für Erziehungswissenschaften einer Universität in Kanada. Wegen ihres Studiums schied sie vorübergehend aus dem Schuldienst aus. Im Rahmen des Studiums hospitierte sie auch an kanadischen Schulen. Die von ihr belegten Kurse, nämlich

Conference Course on Selected Topics

Topic: "Studies of Educational Change in North America"

Development and Theory of Sociology of Education

Philosophy of Education

Curriculum Development,

waren nach der Behauptung der Klägerin, die der Beklagte und Revisionskläger (das FA) insoweit nicht bestritten hat, nur für Bewerber mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium und mehrjähriger beruflicher Erfahrung bestimmt. Im Streitjahr 1968 machten die Kläger (Eheleute) die Fahrtkosten der Klägerin nach Kanada, die Aufwendungen für den Transport des Gepäcks und die Studiengebühren in einer Gesamthöhe von 4 387,91 DM als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA lehnte den Abzug des Betrags mit der Begründung ab, daß es sich nach der Rechtsprechung des BFH um nichtabzugsfähige Kosten der Berufsausbildung handele, und zwar unabhängig davon, ob sie ein erstmaliges oder ein Ergänzungsstudium beträfen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage mit folgender Begründung statt: Die Bildungsmaßnahmen der Klägerin in Kanada nach Abschluß des Studiums und der Referendarausbildung dienten ihrer Fortbildung und nicht ihrer Ausbildung. Das zweisemestrige Ergänzungsstudium läge zwar nicht auf der Linie üblicher Fortbildungsveranstaltungen. Das sei aber unerheblich. Es sei grundsätzlich eine Ermessensentscheidung der Klägerin, welche Aufwendungen sie zur Erzielung ihrer Arbeitseinkünfte für erforderlich hielte, sofern diese nicht zu einem nicht unerheblichen Teil auch ihre private Lebenshaltung beträfen. Außerberufliche Interessen der Klägerin an dem Aufenthalt in Kanada seien weder vom FA behauptet worden, noch seien sie ersichtlich. Im Hinblick auf die Entwicklung der Verhältnisse könnten auch Aufwendungen für eine Fortbildung im Ausland Werbungskosten sein. Der Universitätsbesuch der Klägerin in Kanada könne auch nicht als Ergänzungsstudium im Sinne der Rechtsprechung des BFH angesehen werden, denn in der Regel eröffne nur ein abgeschlossenes Studium eine andere berufliche oder gesellschaftliche Stellung, nicht jedoch ein kurzfristiges Studium von einem oder zwei Semester, das ein Akademiker zur Vertiefung oder Ergänzung seines Wissens durchführe. Eine Typisierung dahin gehend, daß Bildungsmaßnahmen an einer Hochschule stets nichtabzugsfähige Kosten der Berufsausbildung auslösten, erscheine dem Senat nicht angängig. Sie widerspreche auch der Entscheidung des BFH, nach der Aufwendungen eines wissenschaftlichen Assistenten an einer Hochschule für seine Habilitation Werbungskosten im Sinne von § 9 EStG seien. Auch die Unterbrechung der Berufsausübung wegen Fortbildungsmaßnahmen schlösse die Werbungskosteneigenschaft von Aufwendungen nicht aus, soweit eine klar erkennbare Beziehung zu einer bestimmten Einkunftsart ersichtlich sei und diese nicht nur eine unsichere Einkunftsquelle beträfe. Die von der Klägerin durchgeführten Kurse könnten allenfalls der Form nach als Teil eines weiteren Studiums angesehen werden. Der Sache nach seien sie jedoch berufsbegleitende Fortbildungskurse. Daß die oberste Dienstbehörde der Klägerin keinen Sonderurlaub unter Wegfall der Dienstbezüge gewährt habe, sei angesichts des allgemein bekannten Lehrermangels kein Hinderungsgrund für die Anerkennung der Aufwendungen als Werbungskosten, zumal der Kultusminister der Klägerin später die besondere Eignung ihres Studiums als Fortbildungsmaßnahme bescheinigt habe.

Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 12 Nr. 1 EStG. Das Urteil stehe im Widerspruch zu den Entscheidungen des BFH, die zur Frage der Abgrenzung zwischen Ausbildungs- und Fortbildungsaufwendungen ergangen seien. Das FG versuche das zweisemestrige Studium der Klägerin als Fortbildungsveranstaltung darzustellen. Dem könne nicht gefolgt werden, denn dagegen spreche die Dauer ihres Aufenthalts in Kanada. Es käme auch nicht darauf an, daß die Klägerin bei der Aufnahme ihrer Studien bestimmte Voraussetzungen erfüllen mußte. Es sei auch unerheblich, ob die Klägerin das Ergänzungsstudium für ihren ausgeübten Beruf notwendig brauchte. Der fehlende formelle Abschluß der Studien der Klägerin in Kanada sei gleichfalls ohne Bedeutung für die Frage des Werbungskostenabzugs.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Der erkennende Senat hat zwar unter Änderung der zum Teil abweichenden früheren Rechtsprechung die Kosten eines Hochschulstudiums stets als nichtabzugsfähige Aufwendungen für die Berufsausbildung beurteilt (Entscheidung vom 10. Dezember 1971 VIR 150/70, BFHE 104, 223, BStBl II 1972, 254), und zwar auch dann, wenn es sich um Studienkosten nach einem bereits abgeschlossenen Erststudium handelte und der Steuerpflichtige aufgrund seines Erststudiums seinen Beruf ausübte (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 160/70, BFHE 104, 231, BStBl II 1972, 254). Mit Urteil vom 24. Juli 1973 IV R 27/72 (BFHE 110, 265, BStBl II 1973, 817) wurde erneut bestätigt, daß Studienkosten regelmäßig Ausbildungskosten sind. Es handelte sich aber immer um Fälle, in denen der Steuerpflichtige ein Hochschulstudium mit dem Ziel der Ablegung der entsprechenden Examen absolvierte. Dabei war es allerdings nicht erheblich, daß er bereits einen Beruf ausübte, der eine Hochschulbildung voraussetzte, bevor er mit seinem Zweitstudium begann. Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß die Verhältnisse im Fall der Klägerin eine andere Beurteilung fordern. Der Senat hat mit seiner Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von Studienaufwendungen diese auch nicht unterschiedslos den nichtabzugsfähigen Kosten der Berufsausbildung zuordnen wollen. Hier ist vielmehr zu differenzieren, welche Ziele der Steuerpflichtige mit der Aufnahme des Studiums verfolgte und verfolgen konnte. Gerade in der heutigen Zeit mit den sich steigernden Anforderungen an das dem allgemeinen Entwicklungsstand angepaßte berufliche Spezialwissen sind Studien denkbar, die der Fortbildung und nicht der Ausbildung dienen.

Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), hat die Klägerin ihr zweisemestriges Studium in Kanada nicht mit einem Examen abgeschlossen. Es war auch nicht geeignet und darauf angelegt, ihr einen neuen Beruf mit einer entsprechenden gesellschaftlichen Stellung zu eröffnen. Nach der rechtlich nicht zu beanstandenen Würdigung des Sachverhalts durch das FG konnte sich die Klägerin in den zwei Semestern nach den Themen der Vorlesungen nur allgemeine Kenntnisse aneignen, die ihr ohne Bezugnahme auf bestimmte Unterrichtsfächer die für eine Pädagogin wünschenswerten Kenntnisse auf dem Gebiet der Erziehungswissenschaft vermittelten. Aufwendungen für derartige, eng mit dem ausgeübten Beruf zusammenhängende Studien, die erkennbar auch nicht den Weg in eine berufliche Tätigkeit eröffnen, sind als Fortbildungskosten anzuerkennen.

Die Revision des FA konnte danach keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71032

BStBl II 1974, 712

BFHE 1975, 109

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