Leitsatz (amtlich)

Bei der gesellschaftsrechtlichen Vereinigung aller Anteile in einer Hand entsteht die Grunderwerbsteuer aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG 1940 für die Grundstücke, welche der Besteuerung aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1940 nicht unterlagen, weil sie zum Zeitpunkt des dort beschriebenen Rechtsgeschäfts in grunderwerbsteuerrechtlicher Zuordnung noch nicht der Gesellschaft gehörten.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin gründete durch Vertrag vom 22. Oktober 1959 zusammen mit einem leitenden Angestellten einer anderen Tochtergesellschaft der Firmengruppe als Treuhänder eine GmbH mit einem Stammkapital von 50 000 DM. Die Stammeinlage der Klägerin betrug 48 000 DM, die des Treuhänders 2 000 DM. Die GmbH, die am 25. November 1959 in das Handelsregister eingetragen wurde, erwarb am 29. Dezember 1959 durch notariell beurkundeten Vertrag ein Trenngrundstück; die Teilungsgenehmigung wurde am 19. Mai 1960 erteilt. Mit notarieller Urkunde vom 21. Mai 1960 trat der Treuhänder seinen Geschäftsanteil an die Klägerin ab.

Das Finanzamt (Beklagter) setzte Grunderwerbsteuer fest unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Nachdem die Klägerin Einspruch eingelegt hatte, nahm das FA den Steuerbescheid durch Abhilfebescheid gemäß § 94 Abs. 2 AO zurück. Später kam das FA zu der Auffassung, es bestehe Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Auf seine Anregung wies die Oberfinanzdirektion nach Aufdeckung des Fehlers den Beklagten an, den Bescheid nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO zu berichtigen. Das FA setzte durch Bescheid vom 13. April 1962 erneut die Grunderwerbsteuer aus dem Einheitswerte des erworbenen Grundstücks fest. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Abhilfebescheids nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO waren erfüllt. Die Berichtigung war nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte zuvor einen gleichlautenden Steuerbescheid auf Einspruch gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO zurückgenommen hatte (vgl. Urteil des BFH II 36/62 vom 12. Oktober 1966, BFH 87, 43, BStBl III 1967, 34). Unerheblich war, auf welche Weise die Aufsichtsbehörde zur Nachprüfung veranlaßt wurde (BFH 87, 43 [49]).

Der Abhilfebescheid enthielt einen Fehler, weil materielles Recht unrichtig angewendet worden war. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß bei einer Treuhandgründung eine Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht entstehen könne, trifft allerdings nicht zu. Denn erwirbt bei Gründung einer GmbH ein Gesellschafter seinen Anteil als Treuhänder des Hauptgesellschafters, so tritt die Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG mit dem Entstehen der Gesellschaft (§ 11 GmbHG) ein. Mit dem bürgerlichrechtlichen Erwerb entsteht nach § 667 BGB die Pflicht zur Herausgabe des Erlangten an den Treugeber (vgl. Urteile des BFH II 76/65 vom 24. November 1970, BFH 101, 309, BStBl II 1971, 309, und II 77/64 vom 28. Juni 1972, BFH 106, 138, BStBl II 1972, 719).

Auf diese Frage kommt es hier jedoch letztlich nicht an. Da die GmbH bei Eintragung in das Handelsregister kein Grundstück besaß, lag zwar in bezug auf den GmbH-Anteil ein Rechtsvorgang der in Nr. 1 § 1 Abs. 3 GrEStG beschriebenen Art vor; die eingangs des § 1 Abs. 3 GrEStG aufgestellte Voraussetzung, daß zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört, war aber im Zeitpunkt der Eintragung nicht gegeben. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG war demnach nicht erfüllt. Jedoch unterlag die gesellschaftsrechtliche Anteilsvereinigung durch Abtretung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer, da zu diesem Zeitpunkt das Grundstück der Gesellschaft gehörte.

In bezug auf das nachträglich erworbene Grundstück war kein schuldrechtliches Geschäft "im Sinne der Nr. 1" des § 1 Abs. 3 GrEStG vorausgegangen. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist nicht nur dann anzuwenden, wenn sich die Anteilsvereinigung schlechthin ohne verpflichtendes Rechtsgeschäft im Sinne der Nr. 1 vollzieht. Durch diese Vorschrift werden vielmehr auch die Fälle erfaßt, in denen die Gesellschaft ein oder mehrere Grundstücke zwischen dem verpflichtenden Geschäft im Sinne der Nr. 1 und dessen Vollzug im Sinne der Nr. 2 erwirbt.

Die Grunderwerbsteuer lastet auf dem Grundstücksverkehr. § 1 Abs. 3 besteuert die dort beschriebenen Vorgänge als fiktive Grundstückserwerbe (vgl. Urteil des BFH II 70/63 vom 16. März 1966, BFH 86, 158, BStBl III 1966, 378), wenn auch eine Umgehungsabsicht nicht zum Tatbestand gehört (Urteil des BFH II 165/62 vom 22. Juni 1966, BFH 86, 520, BStBl III 1966, 554). Eine Anteilsvereinigung erzeugt demnach so viele Grunderwerbsteuerfälle, wie die Gesellschaft Grundstücke hat (vgl. Urteil II 77/64 vom 28. Juni 1972, BFH 106, 138, BStBl II 1972, 719). Nach Zweck und Wortlaut des Gesetzes sind deshalb von der Besteuerung nach Nr. 2 des § 1 Abs. 3 GrEStG nur die Grundstücke ausgenommen, die bereits bei Abschluß des schuldrechtlichen Geschäfts im Sinne der Nr. 1 zum Vermögen der Gesellschaft gehörten, während die hinzuerworbenen nach Nr. 2 der Grunderwerbsteuer unterliegen. An der nicht näher begründeten gegenteiligen Auffassung des Abschnitts III des Urteils II 35/56 U vom 19. Dezember 1956 (BFH 64, 284 [288], BStBl III 1957, 108 [110]) hält der Senat nicht fest.

Die Besteuerung nach dem Einheitswert begegnet für die Grunderwerbsteuer keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil des BFH II 25/65 vom 1. Februar 1971, BFH 101, 438 [443 ff.], BStBl II 1971, 343).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413295

BStBl II 1972, 913

BFHE 1973, 53

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