Entscheidungsstichwort (Thema)

KraftSt-Befreiung für das Halten von ,,Berlin-Anhängern"

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Subsidiarität des KraftSt-Tatbestandes der widerrechtlichen Benutzung.

2. Zur KraftSt-Befreiung für das Halten von ,,Berlin-Anhängern" ohne regelmäßigen Standort in Berlin (West) vor dem 1. 1. 1977.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; KraftStG 1972 § 1 Abs. 1 Nr. 3; StAnpG § 6 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger, der ein Transportunternehmen in Nordrhein-Westfalen betreibt, erwarb 1976 drei Kraftfahrzeuganhänger, die er am 21. Juni 1976 für sich in Berlin (West) zum Verkehr zulassen ließ, nachdem er sich in Berlin mit zweitem Wohnsitz angemeldet hatte. Am 3. Mai 1978 veranlaßte der Kläger die Zulassung der Fahrzeuge, deren Halten aufgrund von Sondervorschriften des Berliner Landesrechts zunächst unbesteuert geblieben war, im Bezirk des Finanzamts - FA -. Dieses setzte gegen den Kläger durch Bescheide vom 24. August 1978 Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 21. Juni 1976 bis 2. Mai 1978 fest, weil es davon ausging, daß die Benutzung der Fahrzeuge mit bloßem Scheinstandort in Berlin widerrechtlich erfolgt sei. Der Einspruch des Klägers hatte keinen, seine Klage dagegen teilweisen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied (Entscheidungen der Finanzgerichte 1983, 630), die Besteuerung für die Zeit bis zum 31. Dezember 1976 sei rechtswidrig. Eine widerrechtliche Benutzung der - zugelassenen - Fahrzeuge liege nicht vor. Ihre Zulassung sei rechtlich beachtlich. Der Kläger habe keinen Scheinstandort in Berlin ,,begründet", sondern lediglich falsche Angaben über den Standort gemacht oder die richtigen Angaben unterlassen. Für das Halten vor dem 1. Januar 1977 sei der Kläger auch unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmißbrauchs - damals beschränkt auf den Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten bürgerlichen Rechts - nicht steuerpflichtig gewesen.

Die Revision des FA macht geltend, die Anhänger hätten in seinem Bezirk zugelassen werden müssen; da dies unterblieben sei, liege eine widerrechtliche Benutzung vor, mit der Folge seiner - des FA - Zuständigkeit für die Besteuerung. Selbst bei fehlender örtlicher Zuständigkeit könne die Besteuerung nicht beanstandet werden, denn die - dann zuständige - Finanzbehörde in Berlin hätte besteuern müssen, weil die Steuerbefreiung nach Berliner Landesrecht einen Einsatz der Anhänger im Berlin-Verkehr vorausgesetzt hätte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet, das FG hat richtig entschieden.

Auch nach früherem Kraftfahrzeugsteuerrecht trat der Tatbestand der widerrechtlichen Benutzung eines Fahrzeugs (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1972) hinter den Haupttatbestand des ,,Haltens" (Inhaberschaft der Zulassung) grundsätzlich, d. h. jedenfalls dann zurück, wenn die Benutzung mit Einverständnis des Zulassungsinhabers erfolgte (Senat, Urteil vom 4. März 1986 VII R 166/83, BFHE 146, 282). Da der Haupttatbestand - hier durch den Kläger selbst - verwirklicht worden war, mußte der Nebentatbestand von vornherein ausscheiden. Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften bei der Erwirkung der ,,Berlin-Zulassung" waren nicht geeignet, deren Wirksamkeit in Frage zu stellen.

Wie der Senat entschieden hat (Urteil vom 13. August 1985 VII R 172/83, BFHE 144, 176, 180, 182, BStBl II 1985, 636, 639 f.), gilt die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach früherem Berliner Landesrecht für das Halten von Anhängern schlechthin, ohne weitere Voraussetzung, bei Zulassung in Berlin. Wurde diese trotz fehlenden Standorts in Berlin erwirkt, so begründete dies ab 1. Januar 1977 die Kraftfahrzeugsteuerpflicht des Zulassungsinhabers gemäß den Kraftfahrzeugsteuervorschriften in Verbindung mit § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Tatbestandserweiterung durch den bis zum 31. Dezember 1976 geltenden § 6 Abs. 1 und 2 des Steueranpassungsgesetzes ging indessen nicht so weit, denn sie beschränkte sich auf den Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (hierzu Senat, Urteil vom 18. Februar 1986 VII R 98/85, BFHE 146, 279). Dem FA fehlte mithin nicht nur die örtliche Erhebungszuständigkeit - was nach § 79 der Reichsabgabenordnung (vgl. jetzt § 127 AO 1977) unschädlich gewesen wäre -, vielmehr mangelte es an einem entsprechenden Steuertatbestand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414600

BFH/NV 1986, 700

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