Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung als vorab entstandene Werbungskosten

 

Leitsatz (NV)

1. Der Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist objektbezogen, d.h. grundsätzlich für jede einzelne vermietete Immobilie gesondert zu prüfen. Vermietet der Steuerpflichtige mehrere Objekte, so ist jede Tätigkeit grundsätzlich sowohl hinsichtlich des objektiven Tatbestands der Steuernorm als auch hinsichtlich des subjektiven Tatbestands - der Einkünfteerzielungsabsicht - für sich zu beurteilen.

2. Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, daraus durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht wieder aufgegeben hat.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Urteil vom 08.04.2008; Aktenzeichen 13 K 1896/05 E)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb 1996 ein Mehrfamilienhaus mit drei Wohneinheiten. Im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs wurde die im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses gelegene Wohnung von dem vormaligen Eigentümer (E) genutzt. Die beiden im Obergeschoss gelegenen Wohnungen standen leer.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1997 machten die Kläger Aufwendungen für eine gegen E gerichtete Räumungsklage geltend. Im Zuge des Klageverfahrens haben die Kläger hierzu vorgetragen, dass noch vor dem Erwerb des Eigentums an dem Mehrfamilienhaus mit E vertraglich vereinbart worden sei, dass dieser die künftig zur Eigennutzung vorgesehene Erdgeschosswohnung räumen und eine der Wohnungen im Obergeschoss beziehen solle. Diese Vereinbarung sei von E nicht eingehalten worden. Ferner machten die Kläger in den Jahren 1997, 1998 und 2000 bis 2002 (Streitjahre) Kosten für die Renovierung und Instandsetzung des Mehrfamilienhauses --anteilig-- als Erhaltungsaufwand geltend. Mieteinkünfte aus den beiden Wohnungen des Obergeschosses erklärten die Kläger für die Streitjahre indes nicht.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den von den Klägern erklärten Werbungskostenüberschuss in einem für das Streitjahr 1997 gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung vorläufig ergangenen Einkommensteuerbescheid berücksichtigt hatte, erließ das FA in der Folgezeit --zum Teil geänderte-- Einkommensteuerbescheide, in denen die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht nicht mehr anerkannt wurden.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, der Kläger habe seinen endgültigen Entschluss, die Wohnungen im Obergeschoss zu vermieten, nicht zweifelsfrei belegen können.

Mit der Revision rügen die Kläger, das FG habe zu Unrecht die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers verneint. Ursache des vorübergehenden Leerstands der Wohnungen seien die noch vorzunehmenden Renovierungsmaßnahmen gewesen. Der Kläger habe die maßgeblichen Wohnungen durch Aushänge in seiner Praxis sowie in benachbarten Geschäften zur Vermietung angeboten. Darüber hinaus hätten zwei verschiedene Makler die Wohnungen in ihre Angebotslisten aufgenommen. Verschiedene Interessenten hätten die Wohnungen zwar besichtigt, jedoch kein Interesse an einer langfristigen Anmietung gezeigt. Daher sei es vorübergehend nur zu Kurzzeitvermietungen an Messebesucher gekommen. Die kleinere, im Obergeschoss rechts gelegene Wohnung sei indes seit November 2004, die größere, im Obergeschoss links gelegene Wohnung nunmehr seit Juli 2005 langfristig vermietet. Nicht berücksichtigt habe das FG überdies, dass die Kündigung des bei Erwerb des Hauses bestehenden Mietverhältnisses im Erwerbszeitpunkt nicht beabsichtigt, sondern lediglich darauf zurückzuführen gewesen sei, dass E nicht, wie vertraglich vereinbart, die Erdgeschosswohnung geräumt und die ihm angebotene Ersatzwohnung bezogen habe.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um die Werbungskostenüberschüsse für 1997 in Höhe von … DM, für 1998 in Höhe von … DM, für 2000 in Höhe von … DM, für 2001 in Höhe von … DM und für 2002 in Höhe von … € vermindert werden.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen, und das heißt, durch die sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Januar 2008 IX R 45/07, BFHE 220, 264, BStBl II 2008, 572). Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird.

a) Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, daraus durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht wieder aufgegeben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 1/07, BFHE 223, 186, m.w.N.). Der endgültige Entschluss zu vermieten --die Einkünfteerzielungsabsicht-- ist eine innere Tatsache, die wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c, bb, m.w.N.). Daher muss sich der endgültige Entschluss des Steuerpflichtigen zur Vermietung anhand objektiver Umstände belegen lassen. Derartige Umstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind zum einen ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 9. Juli 2003 IX R 102/00, BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940, und in BFHE 223, 186). Für die Feststellung des Bestehens einer Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich renovierungsbedürftiger --und deshalb länger leerstehender-- Objekte können zum anderen beispielsweise der zeitliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und späterer Vermietung, die Dauer der Renovierung zur Vorbereitung einer Vermietung oder auch die (fehlende) Absehbarkeit, ob und ggf. wann die Räume im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung genutzt werden sollen, als Indizien herangezogen werden (BFH-Urteil vom 31. Juli 2007 IX R 30/05, BFH/NV 2008, 202).

Das FG entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden (BFH-Urteile vom 14. Juli 2004 IX R 56/01, BFH/NV 2005, 37, unter II. 2. c, und in BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940).

b) Der Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist objektbezogen, d.h. grundsätzlich für jede einzelne vermietete Immobilie gesondert zu prüfen. Maßgebend ist die auf eine bestimmte Immobilie ausgerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Vermietet der Steuerpflichtige mehrere Objekte --wie im Streitfall zwei Wohnungen--, so ist jede Tätigkeit grundsätzlich für sich zu beurteilen. Eine dahingehende Differenzierung ist bei der Beurteilung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowohl hinsichtlich des objektiven Tatbestands der Steuernorm als auch hinsichtlich des subjektiven Tatbestands --der Einkünfteerzielungsabsicht-- vorzunehmen (BFH-Urteil vom 26. November 2008 IX R 67/07, BFH/NV 2009, 813, m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Unrecht in Bezug auf beide, im Obergeschoss des Mehrfamilienhauses gelegene Wohnungen die gleichen Maßstäbe bei der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht angelegt. Die Sache ist nicht spruchreif; es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des FG, die dem Senat die Beurteilung erlauben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliegen; dieser --auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachtende-- materiell-rechtliche Fehler führt zur Aufhebung der Vorentscheidung (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 164).

a) Soweit das FG die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich der im Obergeschoss links gelegenen, 68 qm großen und mit einem Balkon bzw. Dacheinschnitt versehenen Wohnung verneint hat, hat es nicht berücksichtigt, dass der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen hat, er habe bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs beabsichtigt, dieses Objekt an E befristet zu vermieten. Nach dem --innerhalb eines Zeitraums von zweieinhalb Jahren-- beabsichtigten Wegzug von E sollte diese Wohnung nach den Angaben des Klägers wiederum vermietet werden. Das FG wird daher im zweiten Rechtszug zu prüfen haben, ob der Kläger durch diesen --bereits mit der Klageschrift geltend gemachten-- Umstand hinsichtlich dieses Objekts eine Einkünfteerzielungsabsicht begründet hat; ggf. ist sodann zu prüfen, ob der Kläger eine möglicherweise begründete Einkünfteerzielungsabsicht durch später eingetretene Umstände --die Weigerung des E, in die Wohnung im Obergeschoss links einzuziehen und die sich daran anschließende fristlose Kündigung seitens des Klägers-- wieder aufgegeben hat. Erst im Anschluss daran würde sich die Frage stellen, ob die hinsichtlich der Wohnung im Obergeschoss links nachgewiesenen Vermietungsbemühungen ausreichen, um eine (ggf. erneut) begründete Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zu bejahen.

b) Demgegenüber war eine Vermietung der im Obergeschoss rechts gelegenen, 52 qm großen Wohnung im Zeitpunkt des Erwerbs des Mehrfamilienhauses noch nicht vertraglich vereinbart und wegen diverser Mängel dieser Wohnung zunächst wohl auch gar nicht möglich. Insoweit wird das FG berücksichtigen, dass im finanzgerichtlichen Verfahren bislang keine Unterlagen --insbesondere weder Inserate noch Aushänge-- vorgelegt worden sind, die sich konkret auf dieses Objekt beziehen und die zweifelsfrei belegen, dass dieses Objekt ernsthaft und nachhaltig auf dem Mietmarkt angeboten wurde. Auch die in diesem Zusammenhang vorgelegten, nicht näher spezifizierten Bestätigungen potenzieller Mietinteressenten lassen nicht erkennen, dass sie sich auf die im Obergeschoss rechts gelegene Wohnung beziehen. Überdies ergibt sich aus den Bekundungen der vom FG gehörten Zeugen nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass --und ggf. inwieweit-- diese Wohnung Gegenstand von Vermietungsbemühungen des Klägers war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2209777

BFH/NV 2009, 1627

HFR 2010, 17

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