Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Baubeginn bei wesentlichen Planungsänderungen nach dem Begünstigungszeitraum des § 4b InvZulG 1975

 

Leitsatz (NV)

Ein innerhalb des Begünstigungszeitraums des § 4b InvZulG 1975 gestellter Bauantrag führt dann nicht zur Gewährung einer Investititonszulage, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem in dem im Begünstigungszeitraum gestellten Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 4b

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Kfz-Werkstatt nebst Autohandel. Mit Datum vom 30. Juni 1975 stellte sie den Bauantrag für einen Anbau auf ihrem Betriebsgelände. Mit Schreiben vom 26. März 1976 reichte sie als ,,Nachtrag" zum ursprünglichen Bauantrag vollständig neue Bauzeichnungen sowie in der Folgezeit eine neue Baubeschreibung, Statik, einen neuen Lageplan sowie neue Wohnflächenberechnungen und Berechnungen des umbauten Raumes bei der Stadt H ein. Das Gebäude wurde aufgrund der neuen Bauunterlagen im April 1977 fertiggestellt und an Gesellschafter der Klägerin vermietet sowie zum Teil eigenbetrieblich genutzt. Die Klägerin behandelte das Wohnhaus als betriebliches Anlagevermögen.

Das aufgrund der neuen Bauunterlagen errichtete Gebäude weist gegenüber der ursprünglichen Planung im Bauantrag vom 30. Juni 1975 folgende Änderungen auf: Während die Wohn- und Nutzfläche des ursprünglich geplanten Gebäudes insgesamt 436,60 qm ausmachen sollte, beträgt die Wohn- und Nutzfläche des geänderten Bauvorhabens 340,86 qm. Der umbaute Raum änderte sich gegenüber der ursprünglichen Planung von 1 590 cbm auf 1 430 cbm und die bebaute Fläche von 265 qm auf 145,82 qm. Während das ursprünglich geplante Gebäude im Erdgeschoß eine PKW-Ausstellungshalle und im Obergeschoß Wohnungen erhalten sollte, sind im errichteten Gebäude im Erd- und Obergeschoß lediglich Wohnungen enthalten. Der ursprünglich geplante Anbau hatte die Errichtung eines zweigeschossigen, nicht unterkellerten Flachbaus zum Gegenstand. Das geänderte Bauvorhaben verfügt hingegen in Abweichung dazu über ein Kellergeschoß und ein an die vorhandene Bebauung angepaßtes Satteldach. Die Außenfassade des errichteten Gebäudes wird durch die Fensteranordnungen der in den einzelnen Geschossen eingerichteten Wohnungen nebst dazugehörigen Außenbalkonen bestimmt, während das ursprünglich geplante Objekt im Erdgeschoß neben einer Ein- und Ausfahrt keine Fensterfronten, sondern lediglich Lichtbänder enthalten sollte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte der Klägerin antragsgemäß für die in den Jahren 1976 und 1977 angefallenen Teilherstellungskosten des Gebäudes eine Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1975). Der Bescheid über die Gewährung der Investitionszulage für 1976 erging endgültig, der Bescheid für 1977 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Jahre 1981 führte das FA bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Aufgrund dieser Außenprüfung änderte das FA die ursprünglichen Investitionszulagebescheide und forderte die gewährte Investitionszulage nebst aufgelaufenen Zinsen zurück.

Einspruch und Klage gegen die Rückforderungs- und Zinsbescheide blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, daß der Bauantrag für das von der Klägerin errichtete Gebäude nicht rechtzeitig im Begünstigungszeitraum des § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975 gestellt worden sei. Der Bauantrag vom 30. Juni 1975 sei nämlich für das tatsächlich errichtete Gebäude nicht maßgeblich gewesen, weil die nachträglichen Planungsänderungen als so wesentlich anzusehen seien, daß das geänderte Objekt ein neues Bauvorhaben darstelle. Für dieses neue Bauvorhaben seien die erst mit Schreiben vom 26. März 1976 beim Bauamt eingereichten geänderten Planungsunterlagen als der maßgebliche Bauantrag anzusehen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie macht geltend, sie habe den Bauantrag für das von ihr errichtete Gebäude rechtzeitig am 30. Juni 1975 gestellt. Die Einreichung der geänderten Planungsunterlagen am 26. März 1976 sei kein neuer Bauantrag gewesen, da die Baugenehmigungsbehörde hierin lediglich einen Nachtrag zu dem ursprünglichen Bauantrag gesehen habe. Für die Beurteilung der Frage, ob ein neuer Bauantrag gestellt werden müsse oder ob die nachgereichten Unterlagen dem ursprünglichen Antrag zuzuordnen seien, komme es allein auf die Handhabung durch die Baugenehmigungsbehörden als die zuständigen Fachorgane an. Das FG könne diese Beurteilung durch die Baugenehmigungsbehörden nicht durch eine eigene andere Beurteilung ersetzen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Bescheide über die Rückforderung der Investitionszulage und die Zinsbescheide aufzuheben. Hilfsweise beantragt die Klägerin, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975 kann die Investitionszulage nur für solche Wirtschaftsgüter gewährt werden, mit deren Herstellung nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 begonnen worden ist. Als Beginn der Herstellung gilt bei Gebäuden der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird (§ 4b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975). Entsprechend der Zielsetzung des § 4b InvZulG 1975 ist ein innerhalb des maßgeblichen Begünstigungszeitraums gestellter Bauantrag nur dann für die Gewährung der Investitionszulage maßgebend, wenn das Bauvorhaben auf der Grundlage dieses Bauantrags und der dazu erteilten Baugenehmigung ausgeführt wird. Diese Voraussetzung ist nicht mehr erfüllt, wenn ein anderes Gebäude errichtet wird, als es in dem im Begünstigungszeitraum gestellten Bauantrag vorgesehen ist.

In bezug auf die Anschaffung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 14. März 1980 III R 78/78 (BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476) entschieden, daß das bestellte und das gelieferte Wirtschaftsgut grundsätzlich identisch sein müssen und daß nachträgliche Änderungen des Liefergegenstandes grundsätzlich schädlich sind. Diese Rechtsprechung zur Anschaffung von beweglichen Wirtschaftsgütern hat der Senat mit Urteil vom 18. Dezember 1986 III R 54/82 (BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454) auf die Herstellung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern ausgedehnt. Danach liegen zwei voneinander unterschiedliche Bauvorhaben vor, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem in dem ursprünglichen Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern. Dabei hat der Senat ausdrücklich festgestellt, daß es unerheblich ist, wie die Baubehörde die Planungsänderungen formal und kostenmäßig behandelt hat, wenn tatsächlich zwei voneinander unterschiedliche Bauvorhaben vorliegen. Mit Beschluß vom 2. September 1988 III B 63/87 (BFH/NV 1989, 194) und unveröffentlichtem Urteil vom 30. September 1988 III R 34/87 zu der gleichen Rechtslage bei § 4b InvZulG 1982 hat der Senat diese Rechtsprechung bestätigt. Der Streitfall bietet keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung der Rechtsprechung rechtfertigen würden.

2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, daß die Klägerin das Gebäude, für das sie die Investitionszulage begehrt, nicht auf der Grundlage des innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellten Bauantrags vom 30. Juni 1975 errichtet hat. Das Gebäude weicht sowohl in der bebauten Fläche als auch im umbauten Raum und der Wohn- und Nutzfläche wesentlich von der ursprünglichen Planung ab. Es ist ferner in seiner Außengestaltung und seinem Innenausbau gegenüber der dem Bauantrag zugrunde liegenden Planung nachhaltig verändert und daher als ein anderes als das ursprünglich geplante Gebäude anzusehen.

3. Für den Wohnteil des Gebäudes kann im übrigen auch nach den im Urteil des erkennenden Senats vom 22. Juli 1988 III R 44/84 (BFHE 154, 301, BStBl II 1988, 903) entwickelten Grundsätzen keine Investitionszulage gemäß § 4b InvZulG 1975 gewährt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416437

BFH/NV 1990, 62

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