Leitsatz (amtlich)

Der sich durch den rückwirkenden Wegfall des Angleichungszolls für Vollmilchpulver nach § 2 der Fünfundneunzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 vom 8. Dezember 1964 ergebende Erstattungsanspruch umfaßt sämtliche Eingangsabgaben, also auch Wertzoll und Ausgleichsteuer, soweit sie auf Grund der Einbeziehung des Angleichungszolls in die Bemessungsgrundlage erhoben worden sind.

 

Normenkette

95. VO zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963, BGBl II 1964, 1497

 

Tatbestand

Die Klägerin führte in der Zeit von Juli bis Ende Dezember 1961 in fortlaufenden Sendungen Vollmilchpulver mit 25 v. H. Fettgehalt in der Trockenmasse (F. i. T.) und Vollmilchpulver mit 41 v. H. F. i. T. aus Belgien ein. Sie gab als Rechnungspreis für alle Sendungen einheitlich 211 DM/100 kg an, welcher Preis seitens des Zollamts (ZA) zunächst übernommen und der Erhebung der Einfuhrabgaben (Zollsatz 15 v. H., Ausgleichsteuersatz 4 v. H. des Wertes) zugrunde gelegt wurde. Es wurde daher von einem Warenpreis ausgegangen, der nicht unter dem Grenzwert von 211 DM/kg lag, was Voraussetzung für die Erhebung von Angleichungszoll nach der Neunten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 vom 29. Juni 1961 (BGBl II 1961, 788) und der Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 vom 28. Dezember 1961 (BGBl II 1961, 1684) gewesen wäre.

Auf Grund von Ermittlungen der Zollfahndungsstelle H. kam das Hauptzollamt (HZA) im Verlauf des Jahres 1962 zu der Überzeugung, daß zwischen der Klägerin und den belgischen Lieferfirmen nicht ein einheitlicher Preis von 211 DM/100 kg, sondern vielmehr echte Marktpreise von 171 DM/100 kg für Vollmilchpulver mit 25 v. H. F. i. T. und 252 DM/100 kg für Vollmilchpulver mit 41 v. H. F. i. T., jeweils frei belgische Grenze, vereinbart worden seien. Nach den Ermittlungen hätten die Lieferfirmen für Vollmilchpulver mit 25 v. H. F. i. T. auf verschiedene Weise (u. a. durch Überweisungen an die Klägerin oder von ihr bestimmte Dritte) Zahlungen von 40 DM/100 kg an die Klägerin geleistet. Dadurch sei, so folgert das HZA, bei diesem Vollmilchpulver die Erhebung des Angleichungszolls umgangen worden. Bei dem Vollmilchpulver mit 41 v. H. F. i. T. sei wegen des zu niedrig angesetzten Zollwertes (211 DM/100 kg statt 252 DM/100 kg) zu wenig Zoll und Ausgleichsteuer erhoben worden.

Das HZA erhob auf Grund dieses von ihm angenommenen Sachverhalts mit Steuerbescheid vom 20. Dezember 1962 in der Fassung vom 1. April 1963 Nachforderungen in Höhe von 336 480 DM für Angleichungszoll, 5 118,50 DM für Zoll und 1 569,60 DM für Ausgleichsteuer; ferner setzte es für eine Lieferung vom 5. August 1961 (10 t Vollmilchpulver) mit Steuerbescheid vom 12. September 1962 2 050 DM Angleichungszoll, 307 DM Zoll und 94,20 DM Ausgleichsteuer fest. Im Verlauf des von der Steuerpflichtigen nach erfolglos geblichenem Einspruch gegen die genannten Steuerforderungen betriebenen Klageverfahrens vor dem Finanzgericht (FG) änderte das HZA diese Bescheide und die Einspruchsentscheidung auf Grund der am 11. Dezember 1964 in Kraft getretenen Fünfundneunzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 vom 8. Dezember 1964 (BGBl II 1964, 1497) ab. Mit Bescheid vom 18. Januar 1965 nahm es die Forderung hinsichtlich des Angleichungszolls (336 480 DM + 2 050 DM = 338 530 DM) in voller Höhe zurück. Die Nacherhebung (Bescheid vom 20. Dezember 1962) hinsichtlich des Zolls (5 118,50 DM) wurde nur noch in Höhe von 3 881 DM, hinsichtlich der Ausgleichsteuer (1 569,60 DM) nur noch in Höhe von 1 190,10 DM aufrechterhalten. Die in dem Steuerbescheid vom. 12. September 1962 (Lieferung vom 5. August 1961) festgesetzten Abgaben wurden mit Änderungsbescheid vom 5. November 1965 auf 7,50 DM Zoll (bisher 307,50 DM) und 2,30 DM Ausgleichsteuer (bisher 94,30 DM) herabgesetzt. Es ergab sich daher – unter völligem Wegfall des Angleichungszolls – noch eine Zollforderung von 3 888,50 DM (3 881 DM + 7,50 DM) und eine Ausgleichsteuer-Forderung von 1 192,40 DM (1 190,10 DM + 2,30 DM); die zunächst darüber hinaus geltend gemachten Steueransprüche, das sind 1 537,50 DM Zoll (1 237,50 DM + 300 DM) und 471,40 DM Ausgleichsteuer (379,40 DM + 92 DM), wurden seitens des HZA fallengelassen. Insoweit wurde deshalb der Rechtsstreit von der Klägerin und dem HZA in der Hauptsache nicht mehr weiterverfolgt. Über die seitens des HZA aufrechterhaltenen Abgabenansprüche hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil VII R 87/67 vom heutigen Tage entschieden.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 1965 beantragte die Klägerin beim HZA, ihr die für die Vollmilchpulversendungen mit 25 v. H. F. i. T. gezahlten Eingangsabgaben in Höhe von 50 490 DM Zoll und 15 483,60 DM Ausgleichsteuer, zusammen 65 973,60 DM, zu erstatten. Sie begründete den Erstattungsantrag damit, daß nach Wegfall des Angleichungszolls (auf Grund der Fünfundneunzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963, BGBl II 1964, 1497) auch der Wertzoll und die Ausgleichsteuer auf der Grundlage eines Rechnungspreises von 171 DM/100 kg hätten berechnet werden müssen, nicht aber auf der Grundlage von 211 DM/100 kg (171 DM + 40 DM anteiliger Angleichungszoll).

Das HZA lehnte mit Bescheid vom 29. Dezember 1965 die Erstattung ab.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Sie hält daran fest, daß sich der Erstattungsanspruch aus § 2 der Fünfundneunzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs vom 8. Dezember 1964 ergebe. In den wegen Wegfalls des Angleichungszolls erlassenen Änderungsbescheiden hätten Wertzoll und Ausgleichsteuer auf der Grundlage des richtigen Rechnungspreises – also 171 DM/100 kg – festgesetzt werden müssen, ohne Rücksicht darauf, daß in den Zollanmeldungen der Preis fälschlicherweise mit 211 DM/100 kg angegeben worden sei. Denn im Zusammenhang mit der durch die Aufhebung des Angleichungszolls veranlaßten Fehlerberichtigung komme es nur auf die objektive Sachlage, nicht aber darauf an, welche Angaben der Einführer gemacht habe. Objektiv richtig sei – wie nunmehr unstreitig – der Rechnungspreis von 171 DM/100 kg. Dies sei der für die Festsetzung der Eingangsabgaben maßgebende Zollwert, von dem bei der Berichtigung der ursprünglichen Abgabenbescheide „mit allen Konsequenzen” hätte ausgegangen werden müssen, also auch hinsichtlich des Wertzolls und der Ausgleichsteuer.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

  1. der Klägerin 63 896 DM Eingangsabgaben (48 900 DM Zoll und 14 996 DM Ausgleichsteuer) nebst % Prozeßzinsen zu erstatten;
  2. die Kosten des Finanzstreits zu tragen;
  3. auszusprechen, daß die Hinzuziehung des Prozeßbevollmächtigten im Vorverfahren erforderlich war.

Das HZA beantragt, die Revision kostenpflichtig als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

1. Es handelt sich darum, ob als Berechnungsgrundlage für die Festsetzung des Wertzolls und der Ausgleichsteuer bei den hier vorliegenden Vollmilchpulversendungen mit 25 v. H. F. i. T. im Gesamtgewicht von 81 4825 t ein Rechnungspreis von 171 DM/100 kg oder 211 DM/100 kg anzusetzen ist. Dabei ist davon auszugehen, daß nach § 2 in Verbindung mit § 1 Ziff. 2 e der Fünfundneunzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 vom 8. Dezember 1964 (BGBl II 1964, 1497) für die hier in Rede stehenden Vollmilchpulversendungen Angleichungszoll nicht zu erheben gewesen wäre. Soweit Eingangsabgaben erhoben wurden, die höher waren als sich aus den genannten Vorschriften ergibt, sind sie auf Antrag zu erstatten (§ 2 Halbsatz 2 der Fünfundneunzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs, a. a. O.). Der Erstattungsanspruch umfaßt demnach nicht nur den Angleichungszoll selbst, sondern auch die durch Einbeziehung des Angleichungszolls in die Bemessungsgrundlage für den Wertzoll und die Ausgleichsteuer eingesetzte anteilige Erhöhung dieser Abgaben. Diese Auslegung wird dem Wortlaut und Sinn der Verordnung gerecht, die ausdrücklich in § 2, a. a. O., darauf abstellt, ob in der Zeit zwischen dem 6. Juli 1961 bis 31. Oktober 1964 höhere „Eingangsabgaben” erhoben wurden, als nach § 1 der Verordnung zu erheben sind. Die Verordnung gibt somit für die Berechnung des Erstattungsanspruchs einen objektiven Maßstab: Ausschlaggebend für die Höhe des Erstattungsanspruchs ist der rechnerische Unterschied, der sich aus dem Vergleich der Ergebnisse der beiden Berechnungsmethoden für die Eingangsabgaben insgesamt ergibt.

2. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall zu abweichenden Folgerungen gegenüber der Vorentscheidung. Es ist zwar richtig, daß im Zusammenhang mit der Erhebung des Angleichungszolls im Steuerbescheid vom 20. Dezember 1962 eine Neuberechnung des Wertzolls und der Ausgleichsteuer nicht vorgenommen worden ist. Dies hat seine Ursache jedoch allein darin, daß der Wertzoll und die Ausgleichsteuer bereits auf der Grundlage des – von der Klägerin bei den Einfuhren angemeldeten – Rechnungspreises von 211 DM/100 kg berechnet und damit in der gleichen Höhe festgesetzt waren, die sich auf der Grundlage des tatsächlich vereinbarten Rechnungspreises (171 DM/100 kg) unter Hinzurechnung des Angleichungszolls (40 DM/100 kg) ergeben hätte. Bei dieser Sachlage war eine Neuberechnung des Wertzolls und der Ausgleichsteuer unter Einbeziehung des Angleichungszolls nicht erforderlich, da sie rechnerisch zum gleichen Ergebnis (171 DM/100 kg + 40 DM/100 kg = 211 DM 100 kg) geführt hätte. Hierauf hat auch das HZA in dem Bescheid vom 29. Dezember 1965 selbst hingewiesen. Da aber für die Erhebung des Angleichungszolls selbst, wie sich aus dem Steuerbescheid vom 20. Dezember 1962 zweifelsfrei ergibt, von einem Rechnungspreis von 171 DM/100 kg ausgegangen wurde und auch der Berechnung der anderen Eingangsabgaben im Ergebnis ein dementsprechend erhöhter Zollwert zugrunde liegt, muß folgerichtig auch für den Umfang der Erstattung sowohl für den Angleichungszoll wie die anderen Eingangsabgaben einheitlich von einem Rechnungspreis von 171 DM/100 kg ausgegangen werden. Das ist nicht geschehen. Damit erweist sich auch hinsichtlich des Wertzolls und der Ausgleichsteuer der geltend gemachte Erstattungsanspruch als berechtigt. Bei der Berechnung des Erstattungsanspruches ergibt sich gegenüber dem Antrag der Revision eine Minderung um 13,80 DM (63 882,20 DM statt 63 896 DM).

Auch das Zinsbegehren ist berechtigt. Zwar liegt im Streitfall keiner der in § 111 FGO genannten Tatbestände vor. Es kann jedoch keinen Unterschied machen, ob sich eine Erstattungsforderung auf Grund der Änderung eines Abgabenbescheides durch Verwaltungsakt oder Urteil ergibt oder ob eine Erstattung – wie im Streitfalle – auf Grund einer nachträglichen besonderen Rechtsvorschrift ohne Rücksicht auf die Unanfechtbarkeit eines erlassenen Abgabenbescheides vorzunehmen ist und aus diesem Grunde eine förmliche Änderung des Bescheides unterbleibt. Auch dem Antrag auf Zubilligung von Zinsen war daher unter entsprechender Anwendung des § 111 FGO und auf Grund von § 5 des Steuersäumnisgesetzes stattzugeben.

3. Da die Vorinstanz zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, war ihre Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Verwaltung war daher dahin zu verpflichten, an die Klägerin 48 889,50 DM Zoll und 14 992,70 DM Ausgleichsteuer nebst ½ v. H. Zinsen ab Rechtshängigkeit zu erstatten. Über den Antrag hinsichtlich der Notwendigkeit der Zuziehung des Prozeßbevollmächtigten im Vorverfahren hat das FG zu entscheiden (vgl. Beschluß des BFH Gr. S. 5-7/66 vom 18. Juli 1967, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 90 S. 150, BStBl II 1968, 56).

 

Fundstellen

Haufe-Index 514822

BFHE 1970, 289

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