Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit von Jubiläumszuwendungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es wird daran festgehalten, daß eine Jubiläumszuwendung nur dann steuerfrei ist, wenn sie zu den lohnsteuerpflichtigen Bezügen hinzukommt, die der Arbeitgeber ohne das Jubiläum geschuldet hätte.

2. Ist in einem Tarifvertrag eine sog. Öffnungsklausel vereinbart, die besagt, daß für bestimmte Leistungen des Arbeitgebers vorhandene betriebliche Systeme unberührt bleiben, so kann die Jubiläumszuwendung nur dann steuerfrei sein, wenn sie zusätzlich zu den Leistungen erbracht wird, die der Arbeitgeber aufgrund des Tarifvertrags oder im Falle eines "vorhandenen Systems" aufgrund dieses Systems ohne das Jubiläum geschuldet hätte.

 

Orientierungssatz

Teilweise Aufgabe der im BFH-Urteil vom 31.10.1986 VI R 52/81 aufgestellten Grundsätze.

 

Normenkette

LStDV 1981 § 4 Abs. 2; EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bei der K. GmbH beschäftigt. Diese beging im Streitjahr 1982 ihr 25-jähriges Betriebsjubiläum. Sie zahlte aus diesem Anlaß im November 1982 an ihre Mitarbeiter eine Jubiläumszuwendung, die nicht versteuert wurde. Die Jubiläumszuwendung wurde in der Weise berechnet, daß 50 v.H. eines Monatslohns sowie ein Betrag von 5 DM pro Jahr der Betriebszugehörigkeit, höchstens jedoch 1 200 DM, ausbezahlt wurden.

Mit Schreiben vom Dezember 1982 teilte die K. GmbH ihren Mitarbeitern mit, daß im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die Jubiläumszuwendung auf das Weihnachtsgeld angerechnet werde. Als Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen wurde § 7 der Vereinbarung über die betriebliche Sonderzahlung (13.Monatsgehalt) in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Hessen vom 27.Oktober 1981 angeführt, in der u.a. folgendes geregelt ist:

"1. Ab dem Jahr 1981 werden folgende einmalige jährliche Zahlungen an Arbeiter, Angestellte und Auszubildende geleistet, die dem Betrieb jeweils zum Jahresende ein Jahr ununterbrochen angehört haben:

1981 1982 1983 1984 1985

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55 v.H. 58 v.H. 60 v.H. 65 v.H. 70 v.H.

...

7. Leistungen des Arbeitgebers, wie Jahresabschlußvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld u.ä. gelten als betriebliche Sonderzahlungen im Sinne dieses Tarifvertrags und erfüllen den tariflichen Anspruch. Hierfür vorhandene betriebliche Systeme bleiben unberührt."

Bei der K. GmbH waren keine betrieblichen Systeme im Sinne der Nr.7 vorhanden. Sie zahlte noch im November das die Jubiläumszuwendungen übersteigende Weihnachtsgeld aus und versteuerte es. Sie wies ihre Arbeitnehmer darauf hin, daß eventuelle lohnsteuerliche Nachforderungen hinsichtlich der Jubiläumszuwendung von ihnen zu tragen seien.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluß an eine Lohnsteuer-Außenprüfung die Ansicht, daß die an den Kläger gezahlte Jubiläumszuwendung in Höhe von 1 200 DM steuerpflichtiger Arbeitslohn sei und erließ einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen des § 4 Abs.2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV 1981) für eine Steuerfreiheit der Jubiläumszuwendung lägen nicht vor. Dafür sei erforderlich, daß die Zuwendung des Arbeitgebers über das hinausgehe, auf das der Arbeitnehmer bereits aus anderen Gründen einen Rechtsanspruch habe. Im Streitfall habe der Kläger bereits aufgrund des Tarifvertrags einen Anspruch auf die Zahlung gehabt, die er insgesamt erhalten habe. Das FG vermöge sich nicht der vom Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 31.Oktober 1986 VI R 52/81 (BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139) vertretenen Ansicht anzuschließen, daß wegen der tarifvertraglichen Öffnungsklausel, wonach vorhandene betriebliche Systeme unberührt bleiben, ein Anspruch auf ein 13.Monatseinkommen nicht entstanden sei. Unter "vorhandene" betriebliche Systeme ließen sich schon solche Betriebsvereinbarungen nicht subsumieren, die erst --wie im Streitfall-- nach Abschluß des Tarifvertrags geschaffen würden. Diesen stünde vielmehr die Sperrwirkung des § 77 Abs.3 des Betriebsverfassungsgesetzes entgegen. Der vom BFH für bedeutsam gehaltenen Öffnungsklausel komme tarifrechtlich keine eigenständige, sondern im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip nur deklaratorische Bedeutung zu.

Die Kläger rügen mit ihrer vom FG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 4 Abs.2 LStDV 1981 und eine Divergenz zu dem Urteil des BFH in BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1982 dahin zu ändern, daß die Jubiläumszahlung in Höhe von 1 200 DM steuerfrei belassen wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der als Jubiläumszuwendung gezahlte Betrag steuerpflichtiger Arbeitslohn (§ 19 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) ist und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Abs.2 LStDV 1981 nicht erfüllt sind.

1. Der Senat hat unter Bestätigung seiner vorangegangenen Rechtsprechung mit Urteil in BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139 entschieden, daß eine Jubiläumszuwendung nur dann steuerfrei ist, wenn sie zu den lohnsteuerpflichtigen Bezügen, auf die ein Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch hat, hinzukommt. An dieser Auffassung, die vom FG auch nicht in Frage gestellt worden ist, wird weiterhin festgehalten. Somit ist eine Jubiläumszuwendung nur dann nach § 4 Abs.2 LStDV 1981 steuerfrei, wenn sie zusätzlich zu dem Gehalt gezahlt worden ist, auf das der Arbeitnehmer ohne das Jubiläum einen Rechtsanspruch gehabt hätte.

2. Im Streitfall hat das FG rechtsfehlerfrei entschieden, daß die an den Kläger ausgezahlte Jubiläumszuwendung nicht zusätzlich zu dem Gehalt geleistet worden ist, auf das der Kläger ohne das Jubiläum einen Rechtsanspruch gehabt hätte. Denn die Jubiläumszuwendung ist auf das tarifvertraglich allen Arbeitnehmern geschuldete 13.Monatsgehalt (Weihnachtsgeld) angerechnet worden. Der Kläger hat mithin im Streitjahr insgesamt von seinem Arbeitgeber nur Zuwendungen in der sich aus dem Tarifvertrag ergebenden Höhe erhalten.

An dieser Beurteilung ändert auch die sog. Öffnungsklausel nichts, die in dem Tarifvertrag vom 27.Oktober 1981 vereinbart worden ist. Denn der Senat hält nach erneuter Überprüfung nicht mehr die in dem Urteil in BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139 vertretene Ansicht aufrecht, daß eine zusätzliche Leistung ohne weiteres dann vorliegen kann, wenn eine Öffnungsklausel eingreift, die besagt, daß vorhandene Systeme unberührt bleiben. Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrags vorhandenen Systeme, die den tarifvertraglichen Anspruch verdrängen können, gewähren nämlich ihrerseits dem Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch, sei es auf vertraglicher Grundlage oder aufgrund von Betriebsvereinbarungen (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5.Dezember 1984 5 AZR 531/83, nicht veröffentlicht). War bei Inkrafttreten des Tarifvertrags ein System für freiwillige soziale Leistungen beim Arbeitgeber vorhanden, das durch den Tarifabschluß nicht berührt werden sollte, so stand dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber ein Rechtsanspruch im Rahmen dieses Systems zu. Deshalb kann jedenfalls solange, wie die Zuwendungen des Arbeitgebers insgesamt im Kalenderjahr nicht den Betrag übersteigen, auf den der Arbeitnehmer aufgrund des Tarifvertrags oder des vorhandenen Systems ohne das Vorliegen eines Jubiläums einen Anspruch gehabt hat, nicht die Rede davon sein, daß eine Jubiläumszuwendung zu den lohnsteuerpflichtigen Bezügen, auf die der Arbeitnehmer --ohne das Vorliegen eines Jubiläums-- einen Rechtsanspruch hat, hinzugekommen ist.

Es macht auch keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Zahlung der Jubiläumszuwendung die spätere Anrechnung auf Leistungen, auf die der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch hat, schon geplant hatte oder nicht. Denn eine Zuwendung, für die bei ihrer Zahlung eine Anrechnung noch nicht geplant gewesen wäre, verlöre jedenfalls in dem Zeitpunkt ihren Charakter als "zusätzliche" Leistung, in dem entsprechend der im Tarifvertrag vorgesehenen Möglichkeit eine Anrechnung auf die rechtlich geschuldete Leistung erfolgt.

Außerdem war im Streitfall zu berücksichtigen, daß die Voraussetzungen für das Eingreifen der Öffnungsklausel nicht erfüllt waren. Wie das FG überzeugend dargelegt hat, kann die Zusage des Arbeitgebers vom Oktober 1982 über die Jubiläumszuwendung nicht als ein System verstanden werden, das beim Inkrafttreten des Tarifvertrags vom 27.Oktober 1981 vorhanden war. Soweit sich aus den in dem Senatsurteil in BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139 aufgestellten Grundsätzen etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64615

BFH/NV 1993, 46

BStBl II 1993, 521

BFHE 171, 67

BFHE 1994, 67

BB 1993, 1208 (L)

DB 1993, 1857 (L)

DStR 1993, 944 (KT)

DStZ 1993, 437 (KT)

HFR 1993, 456 (LT)

StE 1993, 328 (K)

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