Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsbescheid statt Errechnung der Steuerbeträge nach Art.3 § 4 VGFG-EntlG; Umfang der Gegenleistung bei Bauherrenmodellen und Erwerbermodellen

 

Leitsatz (NV)

1. Erläßt das FA nach Ergehen des FG-Urteils (echte) Änderungsbescheide statt entsprechend dem FG-Urteil die Beträge nach Art.3 § 4 VGFG-EntlG zu errechnen, so können diese Änderungsbescheide nach § 68 FGO im Revisionsverfahren zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.

2. Die Bestimmung der Gegenleistung bei einem Bauherrenmodell und einem Erwerbermodell hat nicht notwendigerweise und schematisch nach denselben Kriterien zu erfolgen.

 

Normenkette

VGFG-EntlG Art.3 § 4; FGO § 68; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben mit notariell beurkundeten Verträgen jeweils ein Wohnungs-bzw. Teileigentum, bestehend aus einem Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung bzw. gewerblichen Einheit und einem Miteigentumsanteil am Gemeinschaftsgrundstück. Der Veräußerer verpflichtete sich zur schlüsselfertigen Errichtung eines Gebäudes nach vorliegendem Bauplan und Baubeschreibung auf dem Grundstück. Er ,,garantierte" die Fertigstellung der Bauwerke und der Gesamtanlage bis zum 1. Oktober 1984. Bei dem Vertragsabschluß wurden sowohl die Grundstücksveräußerer als auch die Kläger durch die A-GmbH vertreten. Diese wies in der Vertragsurkunde darauf hin, daß die ihr vom Kläger erteilte Vollmacht und der Geschäftsbesorgungsauftrag bis jetzt widderrufbar gewesen, jedoch tatsächlich nicht widerrufen worden seien. Die A-GmbH handelte für die Kläger jeweils aufgrund einer kurz vorher erteilten notariell beurkundeten Vollmacht. In dieser Vollmacht war die A-GmbH zu allen mit dem Erwerb zusammenhängenden Rechtshandlungen umfassend bevollmächtigt worden. Insbesondere war sie berechtigt, auch unter etwaigen Abweichungen alle zur Erreichung des Vertragszweckes notwendigen Maßnahmen bis zu einem ziffernmäßig genau bestimmten Gesamtaufwand vorzunehmen. Dieser Gesamtaufwand lag jeweils erheblich über den in den Kaufverträgen angegebenen Kaufpreisen. Zuvor hatten die Kläger jeweils auch einen Treuhandabwicklungs-, Beratungs- und Verwaltungsvertrag mit der A-GmbH abgeschlossen. Der Vertrag wies, wie die Vollmacht, den Gesamtaufwand aus, das aufzunehmende Fremdkapital und das vom Erwerber eingesetzte Eigenkapital. Das Eigenkapital des Erwerbers sowie eine Bearbeitungsgebühr von 3,42% aus dem Gesamtaufwand waren mit dem Zustandekommen des Vertrages zur Zahlung fällig. In dem Treuhandvertrag waren unter Buchst. A die Pflichten und Aufgaben der Treuhänderin angeführt sowie unter Buchst. C die Gebühren und Entgelte, die die Treuhänderin für die in Buchst. A aufgeführten Leistungen erhalten sollte. Für die Gebühren und Honorare waren im einzelnen die Vom-Hundert-Sätze aufgeführt, mit denen diese im vorausberechneten Gesamtaufwand enthalten waren. Des weiteren war unter Buchst. C Ziff.6 vermerkt, daß alle Kosten der Eigentumsumschreibung sowie die Notariats- und Grundbuchkosten im vorausberechneten Gesamtaufwand bis zu 2 v.H. enthalten seien. Mehr- oder Minderbeträge seien auszugleichen. Die Grunderwerbsteuer sei mit 2 v.H. des Kaufpreises berücksichtigt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte gegen die Kläger Grunderwerbsteuer fest. Als Bemessungsgrundlage zog er dabei jeweils den in den Vollmachten angegebenen Gesamtaufwand heran. Hiergegen legten die Kläger Einsprüche ein, über die das FA noch nicht entschieden hat.

Die gleichzeitig mit den Einsprüchen beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA ab. Mit Beschluß vom 16.Juni 1986 setzte das Finanzgericht (FG) die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide jeweils in Höhe von 16,37 v.H. der festgesetzten Grunderwerbsteuer von der Vollziehung aus.

Mit der Untätigkeitsklage begehrten die Kläger, die Grunderwerbsteuer nur aus dem Kaufpreis für das Grundstück zu berechnen und deshalb entsprechend herabzusetzen.

In der vor dem FG stattgefundenen mündlichen Verhandlung verständigten sich die Beteiligten aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme in einer Parallelsache verbindlich darauf, daß - für den Fall, daß die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Bauherrenmodell auch für sog. Erwerbermodelle Geltung haben sollte - aus dem jeweils vereinbarten Gesamtaufwand ein Betrag von 20 v.H. grunderwerbsteuerfrei zu belassen sei. Mit seinem Urteil hat das FG die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide jeweils insoweit aufgehoben, als die Grunderwerbsteuer aus einem Betrag erhoben wurde, der 80 v.H. des in den Vollmachten ausgewiesenen Gesamtaufwandes überstieg. Die Steuerberechnung wurde dem FA übertragen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG im wesentlichen aus: Die Klagen seien auch ohne Abschluß des Vorverfahrens als Untätigkeitsklagen gemäß § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Sie seien aber nur zum Teil begründet. Die von den Klägern abgeschlossenen Vereinbarungen (Treuhandabwicklungs-, Beratungs- und Verwaltungsvertrag samt Vollmacht, Erwerbsvertrag) richteten sich jeweils auf den Erwerb einer bezugsfertigen Eigentumswohnung. Für die Annahme einer rechtlichen Einheit der Verträge sei es nicht erforderlich, daß eine verbale Verbindung vorliege. Ausreichend sei eine innerliche Verknüpfung verschiedener Verträge zu einem einheitlichen Vertragswerk. Diese Verknüpfung sei gegeben, wenn der wirtschaftliche Erfolg des Konzepts durch Abschluß der angebotenen Verträge sichergestellt sei. Dabei mache es keinerlei Unterschied, ob die Vereinbarungen, die der Erwerber eingegangen ist, im Rahmen eines sog. Bauherrenmodells oder im Rahmen eines sog. Erwerbermodells getroffen worden seien. Aus der Gegenleistung seien nur solche Leistungen des Erwerbers auszuscheiden, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen. Für das Ausmaß der grunderwerbsteuerrechtlichen Besteuerungsgrundlage sei es entscheidend, ob es sich nur um die Offenlegung von Kalkulationsbestandteilen handele, oder ob ein eigenständiger Leistungsaustausch neben der Gegenleistung für den Erwerb vereinbart worden sei. Dabei sei von maßgebender Bedeutung, ob die Nichtabnahme einzelner angebotener Leistungen zur Befreiung von der Leistungspflicht führe und ob bei Zurückbleiben des Effektivaufwands für die einzelne Leistung hinter dem kalkulierten Aufwand eine Minderung der Gesamtleistungspflicht des Erwerbers einträte. Sei weder das eine noch das andere der Fall, so erweise sich der einzelne Posten als kalkulativer, die Gesamtleistungspflicht begründender Rechnungsposten, dem keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer Austauschvereinbarung für beschriebene Leistungen zukomme. Im Streitfall sei aufgrund der für das FG bindenden tatsächlichen Verständigung der Beteiligten über den zugrunde zu legenden Sachverhalt die Grunderwerbsteuer damit aus dem Gesamtaufwand abzüglich 20 v.H. zu berechnen.

Im Tatbestand seines Urteils nimmt das FG ,,im einzelnen Bezug" auf die ,,Vertragsbedingungen des Treuhandvertrags" und verweist insoweit auf die FG-Akte. Diese enthält jedoch - ebenso wie die in Bezug genommene FG-Akte des vorangegangenen Verfahrens der Aussetzung der Vollziehung - insoweit lediglich ein unausgefülltes und nichtunterschriebenes Vertragsformular. Den im Urteil in Bezug genommenen Erwerbsverträgen ist - entgegen der Feststellung des FG - nicht jeweils ein Treuhandabwicklungs-, Beratungs- und Verwaltungsvertrag als Anlage I beigefügt. Die FA-Akten einiger Kläger enthalten zwar den Treuhandvertrag, dies ist jedoch nicht bei allen Klägern der Fall.

Nach Ergehen des FG-Urteils erließ das FA ,,Bescheide über Grunderwerbsteuer", mit denen es die Steuer jeweils aus einer Bemessungsgrundlage von 80 v.H. des Gesamtaufwands berechnete. Diese Bescheide enthielten die Erläuterung: ,,Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom. . . Hierdurch erledigt sich Ihr Rechtsbehelf vom. . .". Darüber hinaus enthielten die Bescheide den Hinweis: ,,Der Bescheid ist nach § 172 Abs. 1 Nr.2 AO geändert".

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger sinngemäß ihr Klageziel weiter. Sie beantragen, die nach dem FG-Urteil erlassenen Bescheide des FA zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Sie rügen die Verletzung von § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983). Außerdem machen sie einen Verfahrensmangel geltend. Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Zur Begründung berufen sie sich in erster Linie auf den zu einem ihrer Meinung nach ,,nahezu identischen Erwerbermodell" ergangenen Beschluß des erkennenden Senats vom 13. Dezember 1989 II B 124/86. Die in diesem Beschluß aufgestellten Berechnungsgrundsätze habe das FG nicht beachtet bzw. auch die dazu ggf. erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht getroffen. Darin sei ein Verfahrensverstoß zu sehen, auf dem das FG-Urteil beruhe. Nach der Entscheidung des BFH sei der Umfang der Gegenleistung im einzelnen bei Bauherrenmodellen und bei Erwerbermodellen nach unterschiedlichen Kriterien zu bestimmen. Das FG habe dagegen unzutreffend allein die Grundsätze für Bauherrenmodelle auf den Streitfall angewandt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Sie ist nicht ordnungsgemäß begründet. Die Kläger haben nicht schlüssig Tatsachen bezeichnet, die den gerügten Verfahrensverstoß ergeben (§ 120 Abs. 2 FGO).

2. Gegenstand des Verfahrens sind die nach Ergehen des FG-Urteils erlassenen Änderungsbescheide des FA. Mit diesen hat das FA nicht entsprechend dem FG-Urteil die Steuerbeträge nach Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit errechnet, sondern auf § 172 Abs. 1 Nr.2 der Abgabenordnung gestützte (echte) Änderungsbescheide erlassen, mit denen dem klägerischen Begehren teilweise abgeholfen wurde. Durch diese Bescheide wurden die ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakte i.S. von § 68 FGO geändert. Aufgrund des auch in der Revision noch zulässigen Antrags der Kläger (vgl. dazu § 123 Satz 2 FGO) sind die Änderungsbescheide zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

Nach § 127 FGO ist das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden, da die Sache nicht spruchreif ist.

Die vom FG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen reichen nicht aus, um den Umfang der Gegenleistung zu bestimmen. Dazu wäre zumindest die genaue Feststellung des Inhalts des Treuhandvertrags - vor allem im Hinblick auf die Höhe der ,,Gebühren" und der für sie zu erbringenden vertraglichen Leistungen des Treuhänders - erforderlich. Die im Urteil selbst insoweit nicht getroffenen Feststellungen können auch nicht ersetzt werden durch die Bezugnahme auf ein bloßes unausgefülltes Vertragsmuster. Das FG-Urteil enthält insoweit jedenfalls nicht die ausdrückliche Feststellung, daß alle Kläger - unverändert - einen Vertrag entsprechend dem Vertragsmuster abgeschlossen haben. Zwar sind in den Akten des FA bei einigen der Kläger auch die Treuhandverträge, dies ist jedoch nicht bei allen der Fall. Zudem sind nicht alle Verträge mit einheitlichem Inhalt abgeschlossen (so enthält z.B. der Treuhandvertrag des Klägers zu 21. eine abweichende Gebührenvereinbarung). Die notwendigen Feststellungen ergeben sich auch nicht durch eine Bezugnahme auf die vor dem FG erfolgte ,,tatsächliche Verständigung", da es sich bei dieser um eine verdeckte Rechtsfolgenverständigung handelt. Aufgrund dieser Besonderheiten hält es der erkennende Senat für geboten, die Sache insgesamt nach § 127 FGO an das FG zurückzuverweisen.

Für die erneute Verhandlung und Entscheidung durch das FG weist der erkennende Senat darauf hin, daß seiner Auffassung nach die Bestimmung der Gegenleistung bei einem Bauherrenmodell einerseits und bei einem Erwerbermodell andererseits nicht notwendigerweise und schematisch nach denselben Kriterien erfolgt (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 1989 II R 95/87, BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685, und vom 13. Dezember 1989 II R 115/86, BFHE 159, 362, BStBl II 1990, 440). Hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs der Gegenleistung im einzelnen bei einem Erwerbermodell verweist der Senat im übrigen auf sein in einer Parallelsache ergangenes Urteil vom heutigen Tag (II R 20/91, BStBl II 1992, 422).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418277

BFH/NV 1993, 126

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