Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbesteuerung beim Betreiben von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit ist mit Unionsrecht vereinbar

 

Leitsatz (NV)

1. Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit (Glücksspiel mit Geldeinsatz) sind umsatzsteuerbar.

2. Ein Aufsteller von Geldspielautomaten kann sich für Umsätze ab dem 06.05.2006 nicht mehr auf die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG oder des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen (Bestätigung des Senatsurteils vom 10.11.2010 – XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

3. § 6 SpielbkV ist in Bezug auf die Umsatzsteuer zum 01.01.1968 außer Kraft getreten.

4. Bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt sind, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt wird, besteht die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (Bestätigung des EuGH-Urteils Glawe vom 05.05.1994 – C-38/93, EU:C:1994:188, BStBl II 1994, 548).

5. Die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele dürfen kumulativ erhoben werden, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat (Anschluss an das EuGH-Urteil Metropol Spielstätten vom 24.10.2013 – C-440/12, EU:C:2013:687, HFR 2013, 1166).

6. Ob es gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot verstößt, dass bei öffentlichen Spielbanken die Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe angerechnet wird, ist im Klageverfahren wegen Umsatzsteuer nicht entscheidungserheblich. Einer Aussetzung des Revisionsverfahrens bis zum Abschluss des Beihilfeverfahrens SA.44944 bedarf es daher nicht.

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 9 Buchst. b, § 10 Abs. 1, § 16; EWGRL 388/77 Art. 2, 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 13 Teil B Buchst. f; EGRL 112/2006 Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 73, 135 Abs. 1 Buchst. i, Art. 137; AEUV Art. 107, 267 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 30.01.2018; Aktenzeichen 8 K 2620/15; EFG 2019, 648)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 30.01.2018 – 8 K 2620/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Rz. 1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten steuerbar und steuerpflichtig sind und ob eine Besteuerung der Umsätze gegen Unionsrecht verstößt.

Rz. 2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Limited, ist Automatenaufstellerin und Spielhallenbetreiberin. Im Jahr 2010 (Streitjahr) betrieb sie in X und Y insgesamt drei Spielhallen mit Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit sowie eine Gaststätte. Die Klägerin verwendete ausschließlich Geldspielautomaten mit einem sog. Hopper, die in Bauart und Technik identisch sind mit den in öffentlichen Spielbanken verwendeten Geräten. Ob ein Spieler, der an den Geldspielautomaten der Klägerin spielt, gewinnt oder verliert, ist vom Zufall abhängig.

Rz. 3

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 17.02.2012 meldete die Klägerin ihre Umsätze in Höhe von ca. 354.000 EUR zum Regelsteuersatz an.

Rz. 4

Mit Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr vom 20.03.2015 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) nach Durchführung einer Außenprüfung die Umsatzsteuer um 179,93 EUR höher auf 50.732,16 EUR fest. Der nicht begründete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 04.09.2015).

Rz. 5

Das Finanzgericht (FG) Köln wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 648 veröffentlichten Urteil vom 30.01.2018 – 8 K 2620/15 ab. Es entschied, die Umsätze der Klägerin seien steuerbar und nicht steuerfrei. Die Besteuerung der Umsätze sei richtlinienkonform und verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.

Rz. 6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie bringt u.a. vor, ihre Umsätze seien bereits nicht steuerbar, jedenfalls aber steuerfrei. Überdies sei es unzulässig, dass die Umsatzsteuer bei den öffentlichen Spielbanken auf die Spielbankabgabe angerechnet werde. Außerdem macht sie unter Hinweis auf das Beihilfeverfahren SA.44944 der Europäischen Kommission geltend, die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe sei eine unzulässige staatliche Beihilfe.

Rz. 7

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr des FA vom 20.03.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.09.2015 insoweit aufzuheben und abzuändern, als hierin bislang zu Unrecht nicht steuerbare bzw. steuerbefreite Umsätze der Klägerin in Höhe von 397.378 EUR aus der Aufstellung von Geldspielautomaten (auch: Geldspielgeräte mit Gewinnfunktion genannt) erfasst worden sind, mithin die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 0 EUR festzusetzen.

Rz. 8

Hilfsweise regt sie an, den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu mehreren Fragen um Vorabentscheidung zu ersuchen.

Rz. 9

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 10

II. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Rz. 11

1. Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb von Geldspielautomaten steuerbar und steuerpflichtig sind. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom gleichen Tag XI R 13/18.

Rz. 12

2. Ob es eine unionsrechtlich unzulässige Beihilfe darstellt, dass bei öffentlichen Spielbanken die Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe angerechnet wird, ist vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 27.06.2017 – V B 162/16, BFH/NV 2017, 1336, Rz 13). Hier ist nur über die Rechtmäßigkeit des gegenüber der Klägerin ergangenen Umsatzsteuerbescheids zu befinden. Die etwaige Rechtswidrigkeit anderer Abgaben ist für die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Umsatzsteuer rechtlich unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom 22.04.2010 – V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883, Rz 17; Senatsbeschluss vom 19.10.2009 – XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58, Rz 21 und 22).

Rz. 13

3. Eine erneute Vorlage von Rechtsfragen zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen an den EuGH, die die Klägerin angeregt hat, ist nicht erforderlich. Denn durch die Rechtsprechung des EuGH ist bereits geklärt, dass die betreffenden Umsätze steuerbar sind. Ebenso ist geklärt, dass § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. seit dem 06.05.2006 mit Unionsrecht vereinbar ist, obwohl der Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland die Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe der öffentlichen Spielbanken anrechnet. Die Bemessungsgrundlage der Umsätze ist durch die Rechtsprechung des EuGH ebenso geklärt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit ebenfalls auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom gleichen Tag XI R 13/18.

Rz. 14

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

BFH/NV 2020, 616

UStB 2020, 179

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