Entscheidungsstichwort (Thema)

EDV-Beratung als gewerbliche Tätigkeit

 

Leitsatz (NV)

Wer innerbetriebliche Arbeitsläufe auf die Möglichkeit des Einsatzes von EDV-Systemen analysiert und seinem Auftraggeber Vorschläge unterbreitet, bestimmte Datenverarbeitungsanlagen bzw. -systeme einzusetzen, ist i. S. des § 1 GewStDV gewerblich tätig.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStDV § 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Gründe

1. Nach § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) ist Gewerbebetrieb jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des EStG anzusehen ist. Nach den mit Revisionsrügen nicht angefochtenen Feststellungen des Finanzgerichts - FG - (§ 118 Abs. 2 FGO) übte der Kläger seine Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr aus. Auch war sie auf Wiederholung angelegt. Der Kläger bot seine Dienste am Markt für Dritte äußerlich erkennbar und gegen Entgelt an. Dabei handelte er in der Absicht, Gewinne im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu erzielen.

2. Die Betätigung des Klägers war keine Ausübung eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

a) Der Kläger war insbesondere kein beratender Betriebswirt. Zwar ist mit dem beratenden Betriebswirt kein festes Berufsbild verknüpft. Jedoch besagt der Begriff, daß der Träger eine bestimmte Berufsausbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft absolviert hat, wobei verschiedene Bildungswege in Betracht kommen. Außer der Ausbildung an einer Universität oder Technischen Hochschule mit Diplomabschluß kann an Fachhochschulen der ,,graduierte Betriebswirt" oder an Fachakademien der ,,staatlich geprüfte Betriebswirt" erreicht werden. Alle genannten Bildungswege vermitteln Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, zu denen die Investitionen, die Finanzierung, die Produktion, das betriebliche Rechnungswesen und der Absatz gehören. Beratender Betriebswirt ist deshalb nur derjenige, der entweder über eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebswirt verfügt oder sich in der Form des Selbststudiums Kenntnisse in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre angeeignet hat, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen nicht. Er verfügt über keine abgeschlossene betriebswirtschaftliche Ausbildung. Soweit er sich betriebswirtschaftliche Kenntnisse in der Form des Selbststudiums angeeignet hat, beschränken sie sich auf Grundlagenkenntnisse für den Einsatz der EDV in einem Betrieb. Diese Grundlagenkenntnisse sind mit einer abgeschlossenen betriebswirtschaftlichen Ausbildung nicht vergleichbar.

b) Der Kläger war auch nicht einem beratenden Betriebswirt ähnlich tätig. Einen dem beratenden Betriebswirt ähnlichen Beruf übt derjenige aus, der Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre in einer Breite besitzt, wie sie üblicherweise die bereits genannten Ausbildungsgänge vermitteln, und mit Hilfe der Kenntnisse eine Beratungstätigkeit zumindest in einem der Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre ausübt. Auch insoweit ist zu unterscheiden zwischen der Frage, ob der Steuerpflichtige Kenntnisse besitzt, wie sie üblicherweise in einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung vermittelt werden, und der, auf welchem Gebiet der Steuerpflichtige beratend tätig wird. Auf letztere Frage kommt es nicht mehr an, wenn es bereits an Kenntnissen in der erforderlichen fachlichen Breite fehlt. Für den Streitfall ist deshalb entscheidend, daß nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) sich die Ausbildung des Klägers auf das Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung beschränkte. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse eignete sich der Kläger nur insoweit an, als sie für den möglichen Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung von Bedeutung sein könnten. Dies reicht jedoch nicht aus, um den Kläger mit jemandem zu vergleichen, der eine abgeschlossene betriebswirtschaftliche Ausbildung besitzt.

c) Auch wenn es danach auf die Frage nicht mehr ankommt, auf welchen Gebieten der Kläger beratend tätig wurde, hält der Senat den Hinweis für angebracht, daß nicht schon die zwischen der EDV-Beratung und den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre bestehenden Berührungspunkte des rechtfertigen, den EDV-Berater mit dem beratenden Betriebswirt innerhalb des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleichzustellen. So wie ein Wirtschaftsprüfer oder ein Steuerberater noch nicht deshalb einen dem Rechtsanwalt vergleichbaren Beruf ausüben, weil sie Steuerpflichtige auch in Rechtsstreitigkeiten vor den FG vertreten dürfen (§§ 3 und 4 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -), so reicht allein das Tätigwerden des EDV-Beraters auf dem Gebiet der Produktion oder des betrieblichen Rechnungswesens oder einem anderen betrieblichen Hauptbereich nicht aus, um ihn mit einem beratenden Betriebswirt zu vergleichen. Entscheidend ist die Ausbildung, die den jeweiligen Berater zur Ausübung seiner Beratungstätigkeit befähigt. Die Tätigkeit eines EDV-Beraters setzt heute eine spezielle Ausbildung voraus, die von der eines Betriebswirts wesentlich abweicht. Gerade der Studiengang eines ,,Diplom-Informatikers" zeigt, daß die Ausbildung des EVD-Beraters interdisziplinär ist. Sie umfaßt sowohl Systemtheorien und die Entwicklung von Programmsystemen als auch Informationstheorien. Der EDV-Berater ist deshalb heute als ein eigenständiger Beruf zu verstehen, der sich in seiner totalen Ausrichtung auf die Theorie und Technologie der Datenverarbeitung wesentlich von dem des beratenden Betriebswirts unterscheidet. Selbst wenn deshalb der Kläger über die abgeschlossene Ausbildung eines Diplom-Kaufmanns verfügen würde, dann würde seine Tätigkeit nicht als die eines beratenden Betriebswirts beurteilt werden können, wenn sie sich - wie vom FG für den Streitfall festgestellt - auf das Gebiet der EDV-Beratung beschränkte.

d) Der Senat hält damit an der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Mai 1975 VIII R 199/73, BFHE 116, 30, BStBl II 1975, 665; vom 28. Juli 1976 I R 63/75, BFHE 120, 253, BStBl II 1977, 34; BFH-Beschlüsse vom 25. April 1978 VIII B 64/76, BFHE 125, 63, BStBl II 1978, 458; vom 3. Dezember 1981 IV R 79/80, BFHE 134, 565, BStBl II 1982, 267; BFH-Urteil vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584) fest, wonach der EDV-Berater weder ,,beratender Betriebswirt" ist noch seine Tätigkeit der eines beratenden Betriebswirts ähnelt.

3. Der Kläger übte auch keine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus. Dazu kann dahinstehen, ob der erkennende Senat der Auffassung des III. Senats in dessen Urteil vom 19. Juli 1985 III R 175/80 (BFHE 144, 413, BStBl II 1986, 15) folgen wird. Jedenfalls hat der Kläger keine Berufsausbildung erfahren, die der eines Ingenieurs vergleichbar ist (vgl. BFHE 134, 565, BStBl II 1982, 267, und Urteil vom 4. August 1983 IV R 6/80, BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414302

BFH/NV 1986, 634

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