Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Abgrenzung zwischen laufendem Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand bei einem vor 9 Jahren erworbenen Mietwohnhaus.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 9/6, § 21/1

 

Tatbestand

Strittig ist, ob und inwieweit die vom Beschwerdeführer (Bf.) in II/1948 und 1949 zur Instandsetzung eines ihm gehörenden Mietwohnhauses in A. gemachten Aufwendungen (für II/1948 18 945,97 DM, für 1949 = 6204,15 DM) Herstellungsaufwand und deshalb in den beiden Veranlagungszeiträumen nicht voll abzugsfähig sind. Das Finanzamt ist im Anschluß an eine Betriebsprüfung - der Bf. ist Weinkommissionär - dem Vorschlag des Betriebsprüfers gefolgt, der im Wege der Teilschätzung für II/1948 10 500 DM und für 1949 3500 DM, zusammen 14 000 DM als Herstellungsaufwand, die restlichen 8365 bzw. 2785 DM, zusammen 11 150 DM als laufenden Erhaltungsaufwand angesehen hatte. Der Nichtabzug wurde damit begründet, daß der Bf. das Grundstück 1939 in verwahrlostem Zustand erworben habe, den er nunmehr beseitigt habe. Der Bf. erachtet dagegen in erster Linie den Gesamtaufwand für voll abzugsfähigen Erhaltungsaufwand und will allenfalls höchstens 2500 DM für die Neuschaffung der Haustür und des Treppenhauses als Herstellungsaufwand anerkennen.

Das Finanzgericht ist der Auffassung des Finanzamts gefolgt. Der frühere Eigentümer des Grundstücks sei nach dem ersten Weltkrieg in Zahlungsschwierigkeiten geraten, infolgedessen seien bis zum Erwerb durch den Bf., d. h. während eines Zeitraumes von etwa 20jähriger Dauer, Ausbesserungen unterblieben, das Gebäude sei dadurch verwahrlost. Die strittigen Aufwendungen seien deshalb grundsätzlich als Herstellungsaufwand anzusehen, da es sich um eine Modernisierung im Sinne der Rechtsprechung (Urteile des Reichsfinanzhofs VI 687/39 vom 17. April 1940, Reichssteuerblatt - RStBl - 1940 S. 675; VI 241/43 vom 13. Oktober 1943, RStBl. 1944 S. 58) handele. Diese Modernisierung sei in den streitigen Jahren allerdings noch nicht beendet. In Ermangelung von Mitteln sei die Außenfassade noch unverändert geblieben. Dagegen sei das Innere des Gebäudes völlig wiederhergerichtet worden. Zimmerleute, Maurer, Schreiner, Schlosser, Dachdecker, Anstreicher und Glaser seien am Werke gewesen. Diese Arbeiten seien allerdings nur im Rahmen der vorhandenen Mittel durchgeführt worden. Immerhin sei das Gebäude erneuert worden. Das genüge zur Annahme einer Modernisierung. Auch die Höhe der Aufwendungen von 25 150 DM in den strittigen Jahren im Vergleich zum Kaufpreis 1939 von 27 500 RM bestätige die Modernisierung, auch wenn man den etwa doppelt so hohen Bauindex im Zeitpunkt der Aufwendung gegenüber dem Bauindex im Erwerbszeitpunkt berücksichtige. An sich müßten bei dieser Sachlage auch Arbeiten, die sonst als Erhaltungsaufwand anzusehen seien, als Herstellungsarbeiten gelten. Das Finanzgericht wolle aber mit den Finanzamt nicht so weit gehen, sondern einer Schätzung des Erhaltungsaufwands zustimmen. Das Finanzamt habe dabei unter Mitwirkung des Bf. die vorhandenen Rechnungen, soweit möglich, aufgegliedert und das Ergebnis dem Bf. bekanntgegeben. Obwohl die Aufwendungen erst etwa 10 Jahre nach dem Erwerb getätigt seien, dürften an sich die Grundsätze, nach denen Instandsetzungsarbeiten im Anschluß an einen Neuerwerb des Grundstücks als Herstellungskosten zu behandeln seien, anwendbar bleiben. Nur müsse ein in der Zwischenzeit entstandener Bedarf für Zwecke der laufenden Erhaltung berücksichtigt werden, freilich nicht in dem Masse, daß im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks nur ein normaler Verschleiß anzunehmen sei, der nur etwa 10 v. H. des Kaufpreises ausgemacht haben könne, wie der Bf. behauptet. Gegen diese Behauptung spreche die Tatsache, daß der Vorbesitzer in einer längeren Reihe von Jahren Ausbesserungen nicht habe vornehmen können. Demnach seien die Abnutzungen für die Zeit von 1939 bis 1949 angemessen zu berücksichtigen. Soweit sie ab II/1948 den Herstellungsaufwand beträfen, habe das Finanzamt bei der Einkunftsermittlung eine Absetzung für Abnutzung von 1,5 v. H. zugelassen (für II/1948 3/4 v. H. von 10 500 DM = 80 DM, für 1949 I 1/2 v. H. von 14 000 DM = 210 DM). Es bleibe deshalb nur noch der "Altbestand" von 27 500 DM zu berücksichtigen. Da ein rechnerisch einwandfreier Betrag nicht zu ermitteln sei, halte es das Finanzgericht für vertretbar, griffweise einen über das vom Finanzamt zugebilligte Maß des Erhaltungsaufwand hinausgehenden zusätzlichen Betrag von 3000 DM für II/1948 als Erhaltungsaufwand anzusehen; dabei sei der während der Besitzzeit des Bf. auf etwa das Doppelte gestiegene Bauindex berücksichtigt.

Das Finanzgericht erhöhte demgemäß den Verlust aus Vermietung und Verpachtung, bei dem auch noch die nichtstrittigen Einkünfte eines zweiten Grundstücks in A. mit berücksichtigt sind, über den vom Finanzamt anerkannten Betrag von 7197 DM hinaus für II/1948 auf 10 197 DM, während es den Verlust für 1949 mit 2021 DM unverändert beibehielt. Der Bf. hatte dagegen in seiner Steuererklärung einen Gesamtverlust aus Vermietung und Verpachtung für II/1948 von 18 670 DM, für 1949 von 5658 DM begehrt.

In seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Bf. Nichtanwendung des bestehenden Rechts und Verfahrensmängel. Er bestreitet insbesondere, wie bisher, daß der Tatbestand einer Verwahrlosung des Hauses bei Erwerb und einer Modernisierung gegeben sei. Der Herstellungsaufwand sei insbesondere auch in zeitlicher Beziehung nicht im einzelnen ermittelt, sondern tatsächlich nur geschätzt worden.

Das Finanzamt wendet sich in seiner Stellungnahme zur Rb., die innerhalb der ihm zur Erklärung gesetzten Frist abgegeben ist und deshalb sachlich eine Anschlußbeschwerde im Sinne des § 293 der Reichsabgabenordnung (AO) darstellt, dagegen, daß das Finanzgericht nicht die gesamten Aufwendungen als Herstellungsaufwand angesehen hat. Der Verlust aus Vermietung und Verpachtung müsse für II/1948 auf 4832 DM vermindert werden, für 1949 ergebe sich ein überschuß von 764 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. und die Anschlußbeschwerde sind begründet.

Schon die Behandlung der Absetzung für Abnutzung durch die Vorbehörden gibt zu rechtlichen Bedenken Anlaß. Gesetz (ß 7 und § 9 Ziff. 6 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und Rechtsprechung verlangen bei Gebäuden eine einheitliche Bemessung nach der (Rest-) Nutzungsdauer des Gebäudes. Eine Aufspaltung in eine Absetzung für Abnutzung für nachträgliche Herstellungskosten und für den "Altbestand" des Gebäudes ist nicht zulässig (vgl. hierzu insbesondere das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 221/36 vom 27. Mai 1936, RStBl. 1936 S. 886).

Die Absetzung für Abnutzung kann auch nicht durch Anerkennung von zusätzlichen Beträgen alsbald abzugsfähigen Erhaltungsaufwand gewissermaßen abgegolten werden, wie es das Finanzgericht anscheinend macht. Abnutzung und laufender Erhaltungsaufwand gleichen nicht einander aus. Die Absetzung für Abnutzung will vielmehr den allmählichen Wertverzehr (bemessen nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten), der trotz laufender Unterhaltung, also trotz des laufenden Erhaltungsaufwands entsteht, berücksichtigen. Durch Vernachlässigung der laufenden Unterhaltung kann sich die Absetzung für Abnutzung erhöhen, wenn sich die Dauer der Gebäudenutzung vermindert.

Der Ansatz einer Absetzung für Abnutzung hängt auch nicht von einem Antrag des Steuerpflichtigen ab, sie muß von Amts wegen beachtet werden, auch wenn der Steuerpflichtige, wie im Streitfall, sie nicht ausdrücklich geltend macht.

Außerdem wäre für die Berechnung der Absetzung für Abnutzung § 13 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1949 zu beachten, der sinngemäß auch schon für II/1948 anwendbar ist (vgl. dazu Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - II/1948 und 1949 Abschn. 166 Abs. 2 bis 6 sowie die erweiterten Darlegungen in Abschn. 166 Abs. 6 EStR 1951).

Auch den Ausführungen des Finanzgerichts zum Begriff der Herstellungskosten vermag der Senat nicht zu folgen. Richtig ist zwar, daß nach der Rechtsprechung bei Erwerb von Grundstücken der im Anschluß an den Erwerb gemachte Aufwand auch insoweit, als er beim bisherigen Eigentümer laufender Erhaltungsaufwand gewesen wäre, als zusätzlicher Herstellungsaufwand in Betracht kommen kann. Das gilt insbesondere dann, wenn das Gebäude in vernachlässigtem Zustand war und deshalb das Grundstück besonders preiswert erworben worden ist, so daß die Nachholung der beim Veräußerer unterbliebenen Erhaltungsmaßnahmen gewissermaßen zusätzlichen Erwerbsaufwand darstellt. In der Regel werden die bisher vernachlässigten Häuser vom Erwerber zugleich von Grund aus instandgesetzt, oft noch unter mehr oder weniger großen Veränderungen der Räumlichkeiten, Modernisierung der besonderen Anlagen (Heizung, Warmwasserversorgung usw.) und ähnlichem. Derartige Fälle liegen auch den vom Finanzgericht angeführten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zugrunde, in denen in der durchgreifenden Modernisierung des ganzen äußeren oder im Umbau von in verwahrlostem Zustand erworbenen Häusern im Jahre des Erwerbs bzw. im zweiten Jahr nach dem Erwerb Herstellungsaufwand angenommen wurde.

Auf den vorliegenden Fall können diese Grundsätze jedoch nicht übertragen werden. Der erhebliche, etwa neun Jahre umfassende Zeitraum, der zwischen Erwerb und umstrittenen Aufwand liegt, läßt es nicht mehr zu, diesen Aufwand noch mit dem Erwerb in Zusammenhang zu bringen und ihn wirtschaftlich einem zusätzlichen Erwerbsaufwand gleichzustellen, der sich in einem geringeren Kaufpreis widerspiegelt.

Hiergegen spricht auch, daß der Bf. das Grundstück offenbar ebenso wie der Vorbesitzer im wesentlichen unverändert durch Vermietung genutzt hat, und der Erwerbspreis (28 550 RM), verglichen mit dem Einheitswert des Grundstücks (damals 18 000 RM), für sich allein noch keine klaren Schlüsse auf ein besonders günstiges Kaufgeschäft zuläßt. Der Versuch des Finanzgerichts, den vermutlichen Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt seines Erwerbs seitens des Bf. durch Schätzung der zwischenzeitlichen Grades der Abnutzung und des Erhaltungsaufwands, der zwischenzeitlich normalerweise angefallen wäre, zu ermitteln, zeigt im übrigen die Schwierigkeiten, wenn nicht gar die praktische Unmöglichkeit einer rechnerischen Rekonstruktion. Dazu kommt noch, daß der Bf., wie die Akten erkennen lassen, bereits in den vorangegangenen Jahren verschiedentliche Reparaturaufwendungen hatte die zum Teil auch der Beseitigung von Kriegsschäden dienten. Daraus, daß der größte Teil der im Rumpfveranlagungszeitraum I/1948 aufgewendeten Kosten vom Finanzamt nicht als Erhaltungsaufwand anerkannt worden ist, und der Bf. dagegen nicht angegangen ist, können entscheidende Schlüsse in umgekehrter Richtung nicht gezogen werden.

Unter diesen Umständen wäre es Aufgabe der Vorbehörden gewesen, zu ermitteln, worin die durchgeführten Arbeiten im einzelnen bestanden haben und alsdann nach den allgemein geltenden Regeln über die Abgrenzung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwand festzustellen, welche Aufwendungen als nicht sofort abzugsfähiger Herstellungsaufwand zu betrachten sind. Die Feststellungen des Finanzgerichts, daß Handwerker verschiedener Art "am Werke" gewesen seien, um das Innere des Gebäudes wieder völlig "herzurichten", sind zu allgemein gehalten, als daß sie ein für die rechtliche Beurteilung brauchbares Bild ergäben. Auch der sonstige Akteninhalt, insbesondere die kurze Bemerkung im Betriebsprüfungsbericht, ist hierzu nicht geeignet. Es läßt sich somit auch nicht beurteilen, ob die vom Finanzamt in seiner Stellungnahme zur Rb. gemachten Ausführungen, daß die Maßnahmen des Bf. in vollem Umfang Herstellungsaufwand bilden, etwa zutreffen könnten. Das würde dann der Fall sein, wenn der Zustand des ganzen Hauses wesentlich geändert und dessen Nutzungsdauer verlängert worden wäre. Vgl. hierzu auch das Urteil des Senats IV 8/53 U vom 9. Juli 1953, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1953 III S. 245.

Nach dem unter 1 bis 2 Dargelegten ist die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums und unzureichender Sachaufklärung aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das Finanzgericht zu erneuter Prüfung und Entscheidung zurück. Dabei wird das weitere Vorbringen sowohl des Bf. als auch des Finanzamts in ihren Schriftsätzen zur Rb. einschließlich des vom Bf. noch nachträglich beigebrachten Gutachtens eines Bausachverständigen mit zu würdigen sein.

Zu dem Hinweis des Bf. auf das Urteil des Reichsfinanzhofs IV 21/43 vom 9. Dezember 1943, RStBl. 1944 S. 163, sei bemerkt, daß eine Mietpreiserhöhung keine Voraussetzung für die Annahme von Herstellungsaufwand zu sein braucht. Das gilt insbesondere für zwangsbewirtschaftete und dem Mietpreis unterliegende Wohnräume. Auch kommt eine Teilwertabschreibung bei Grundstücken, die nicht zum Betriebsvermögen gehören, entgegen der Meinung des Bf. nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407829

BStBl III 1954, 74

BFHE 1954, 424

BFHE 58, 424

BB 1954, 217

DB 1954, 314

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