Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfungsanordnung: Begründungsanforderungen für Kleinbetriebe

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Begründung der Anordnung einer Außenprüfung eines Kleinbetriebs genügt regelmäßig der Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift des § 193 Abs. 1 AO 1977, auch wenn zwischen der angeordneten und der vorangegangenen Prüfung ein prüfungsfreier Zeitraum von nur einem Jahr liegt.

2. Anzeichen für eine ermessensmißbräuchliche Auswahl des Betriebs sind etwa gegeben, wenn das FA 3 aufeinanderfolgende Außenprüfungen mit prüfungsfreien Zeiträumen von jeweils einem Jahr angeordnet hätte. In einem solchen Fall ist die sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens durch Angabe einer nachprüfbaren Begründung bei Erlaß der Prüfungsanordnung darzulegen.

 

Normenkette

AO 1977 § 193 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger war als Unternehmensberater freiberuflich tätig und betrieb seit dem 1. Juli 1983 zusätzlich einen Groß- und Einzelhandel mit Informatikgeräten. Die Klägerin ist selbständige Rechtsanwältin und erzielt außerdem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Betrieb und die Praxen waren als Kleinbetriebe einzustufen. Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bereits im Jahre 1984 für die Jahre 1979 bis 1981 Außenprüfungen durchgeführt hatte, ordnete er im April 1987 bei dem Kläger unter Hinweis auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und bei der Klägerin unter Hinweis auf § 193 Abs. 1 und Abs. 2 AO 1977 weitere Prüfungen an. Gegenstand dieser Außenprüfungen waren jeweils die Einkommen-, die Umsatz- und Vermögensteuer für die Jahre 1983 bis 1985 und der Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1983 bis zum 1. Januar 1985.

Die dagegen gerichteten Beschwerden wies die Oberfinanzdirektion (OFD) u.a. unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 28. April 1983 IV R 255/82 (BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621) im wesentlichen mit der Begründung zurück, die angeordnete Außenprüfung sei als Routineprüfung rechtens. Daß man die Prüfungsanordnung gegenüber der Klägerin auch auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 gestützt habe, sei unbeachtlich; durch Angabe der zutreffenden Rechtsgrundlage in der Beschwerdeentscheidung sei der Formmangel geheilt.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage statt und hob die angefochtenen Prüfungsanordnungen des FA und die Beschwerdeentscheidungen der OFD auf, weil es sich bei einem prüfungsfreien Jahr zwischen den beiden Außenprüfungen im Streitfall faktisch um eine Anschlußprüfung gehandelt habe, die bei Kleinbetrieben unzulässig sei. In derartigen Fällen sei daher eine besondere Begründung i.S. des § 193 Abs. 2 AO 1977 erfoderlich. In der Beschwerdeentscheidung sei auch eine Heilung dieses Begründungsmangels nicht erfolgt, denn die OFD habe ausdrücklich darauf abgestellt, daß es sich um eine sog. Routineprüfung gehandelt habe.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger tragen vor, das FG habe zutreffend ausgeführt, daß die Ergebnisse der Vorprüfung nicht aufrechterhalten werden könnten. Aus diesem Grunde sei auch Aussetzung der Vollziehung gewährt worden. Der Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehe fehl, denn keine der zitierten Entscheidungen habe sich mit Kleinstbetrieben befaßt. Entgegen den Feststellungen des FG handele es sich aber im Streitfall um Kleinstbetriebe. Die Anordnung einer erneuten Prüfung jedenfalls verlezte das Übermaß-, Willkür- und Schikaneverbot.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FA war zum Erlaß der angefochtenen Prüfungsanordnung berechtigt.

Die Kläger sind freiberuflich tätig, daneben unterhält der Kläger einen gewerblichen Betrieb. Diese Tätigkeiten unterliegen gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 der Außenprüfung. Zwar regelt diese Vorschrift nicht die Häufigkeit von Außenprüfungen, so daß danach auch Anschlußprüfungen zulässig wären. Wie der Senat jedoch wiederholt entschieden hat, müssen die Finanzbehörden angesichts ihrer begrenzten sachlichen und personellen Mittel eine Auswahl unter den zu prüfenden Betrieben treffen (vgl. Urteile vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208 und vom 16. November 1989 IV R 29/89, BFHE 159, 28, 31, BStBl II 1990, 272). Dieses Auswahlermessen hat die Finanzverwaltung in der Betriebsprüfungsordnung(Steuer) - BpO(St) - dahingehend geregelt, daß Großbetriebe lückenlos, andere Betriebe dagegen in zeitlichem Abstand geprüft werden - § 4 BpO(St) -. Ein nicht als Großbetrieb eingestufter Betrieb muß daher mit Prüfungen nach dem allgemeinen Prüfungsrhythmus rechnen, wobei sich Abweichungen von einem statistischen Mittelwert nach oben oder unten ergeben können (BFHE 159, 28, 31, BStBl II 1990, 272; Senatsurteil vom 29. Oktober 1992 IV R 47/91, BFH/NV 1993, 149).

Zur Begründung der Anordnung einer derartigen Prüfung genügt nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig der Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift (vgl. Senatsurteile vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286; in BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621; vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435 und BFH-Urteil vom 30. Juni 1989 III R 8/88, BFH/NV 1990, 274 m.w.N. zur Rechtsprechung anderer Senate).

Im Streitfall hat das FA die gemäß § 3 BpO(St) als Kleinbetriebe eingestuften Betriebe der Kläger nicht einer Anschlußprüfung unterworfen, sondern einen prüfungsfreien Zeitraum von einem Jahr belassen. Es kann daher dahinstehen, ob der Senat auch dem Urteil des X.Senats folgen könnte, wonach selbst dann der bloße Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 als Begründung einer Prüfungsanordnung genügt, wenn es sich bei der neu angeordneten Prüfung um eine sog. Anschlußprüfung handeln sollte (Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 1/88, BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274 nur im Leitsatz veröffentlicht). Eine erneute Prüfung unter Beachtung eines prüfungsfreien Zeitraums von auch nur einem Jahr ist auch faktisch keine Anschlußprüfung. Für einen Mittelbetrieb hat der BFH jedenfalls entschieden, daß es auch dann keiner besonderen Begründung bedarf, wenn der prüfungsfreie Zeitraum nur ein Jahr beträgt (Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220). Was für Mittelbetriebe gilt, findet auch auf Kleinbetriebe Anwendung, da § 4 BpO(St) nicht zwischen Mittel- und Kleinbetrieben unterscheidet (vgl. auch BFH-Urteil vom 8. April 1992 I R 85/89, BFH/NV 1993, 73).

Abweichend von den Feststellungen des FG sind die Kläger zwar der Auffassung, in ihrem Fall handele es sich sogar um Kleinstbetriebe. Aus § 4 BpO(St) ergibt sich indessen auch keine abweichende Behandlung für die in § 3 BpO(St) genannte Größenklasse der Kleinstbetriebe; die Vorschrift unterscheidet nur zwischen Großbetrieben und anderen Betrieben - § 4 Abs. 2 und Abs. 3 BpO(St) -. Für die abweichende Behandlung anderer Betriebe von der für Großbetriebe geltenden Anschlußprüfung ist die nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 6. September 1984 (BStBl I 1984, 502) vorgenommene Einordnung in eine bestimmte Größenklasse ohne Bedeutung.

Allerdings hat der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272 wegen der Abweichung vom allgemeinen Prüfungsrhythmus eine besondere Begründung für die Prüfungsanordnung in einem Fall gefordert, in dem der prüfungsfreie Zeitraum zwischen der angeordneten und der vorausgegangenen Prüfung zwei Jahre betragen hatte. Die Begründungspflicht hat der Senat jedoch wegen der Besonderheiten dieses Falles angenommen, denn der Betrieb der Klägerin war in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum auffallend häufig geprüft worden. Das FA hatte ihn einer Anschlußprüfung unterzogen und im übrigen prüfungsfreie Zeiträume von nur einem und zwei Jahren belassen. Wiederholte Prüfungen in kurzen Abständen legen für den Steuerpflichtigen die Annahme nahe, daß in seinem Fall willkürlich verfahren oder gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen werde; die Durchführung einer Betriebsprüfung führt wegen der erforderlichen Mitwirkung gerade in kleineren Betrieben zu einer merklichen Beeinträchtigung der Betriebstätigkeit. In solchen Fällen müssen die Gründe der Anordnung näher dargelegt werden, um damit die sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens darzutun. Dies ist der Finanzverwaltung auch unschwer möglich. Eine solche Begründung wäre demgemäß zu verlangen, wenn die Finanzbehörde drei Prüfungen in geringeren Zeitabständen als jeweils drei Jahren vornimmt. So liegen die Verhältnisse im Streitfall aber nicht; daher genügt hier der Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 in der Prüfungsanordnung als Begründung.

Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419592

BFH/NV 1994, 444

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