Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Unterhaltsvertrag ist kein Leibrentenvertrag im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 22 Ziff. 1 a EStG 1958, wenn die Leistungen aus dem Vertrag von den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen des Gebers oder Empfängers abhängig sind.

Die Leistungen können aber dauernde Lasten im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958 sein.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 22/1/a

 

Tatbestand

Am 15. November 1956 wurde die Ehe des Bf. geschieden und die Frau für alleinschuldig erklärt. Der Scheidung ging die vor dem Landgericht getroffene Vereinbarung vom 16. Oktober 1956 voraus, in deren § 4 bestimmt wurde:

"Der Kläger (Bf.) wird der Beklagten (seiner Ehefrau) im Fall seiner Wiederverheiratung eine monatliche Rente von 200 DM, die auf 20 Jahre, aber längstens bis zum Tode des Klägers, oder bis zur Wiederverheiratung der Beklagten begrenzt sein soll, bezahlen. Der Kläger kann die Rente nach seinem Belieben erhöhen; bei Absinken seines steuerpflichtigen Jahreseinkommens unter 8.000 DM ist er zur verhältnismäßigen Verringerung des Unterhalts berechtigt; bei einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen unter 3.000 DM ist der Kläger zur Unterhaltsleistung nicht verpflichtet. Bei eigenem Verdienst der Beklagten kann der Kläger die Unterhaltsrente angemessen verringern".

Auf Grund dieser Vereinbarung zahlte der Bf. seit seiner Wiederverheiratung im April 1957 monatlich 200 DM an seine geschiedene Frau. Bei der Veranlagung 1958 begehrte er, den gezahlten Betrag von 2.400 DM als Sonderausgaben abzusetzen. Das Finanzamt zog nur den Ertragsanteil der Rente nach § 55 Abs. 2 EStDV 1958, d. h. (27 v. H. von 2.400 DM =) 648 DM ab.

Mit der Sprungberufung machte der Bf. geltend, daß keine Leibrente vorliege, weil kein Rentenstammrecht bestehe. Die gezahlten Beträge seien eine dauernde Last und demgemäß nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958 voll abzusetzen.

Das Finanzgericht gab der Berufung nicht statt und führte aus, eine Leibrente sei nicht gegeben. Ein Rentenstammrecht liege nicht vor, weil die Einzelleistungen von künftigen wirtschaftlichen Voraussetzungen abhingen, nämlich von der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, des Bf., und der Bedürftigkeit der Berechtigten, der geschiedenen Ehefrau. Dies mache aber die Zahlungen nicht zu einer dauernden Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958. Auch eine Berücksichtigung nach § 33 a EStG 1958 entfalle, weil die geschiedene Frau Einkünfte habe, die die im § 33 a EStG 1958 vorgesehene Grenze überschritten. Das Finanzgericht kam sogar zu einer Verböserung, weil es überhaupt keinen Abzug für die Leistungen an die geschiedene Frau zuließ.

 

Entscheidungsgründe

Dagegen richtet sich die Rb. des Bf., die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führte.

Die Ehe des Bf. ist aus dem Alleinverschulden der Ehefrau geschieden worden. Der geschiedenen Frau steht darum kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen den Bf. zu. Ein Abzug der an die geschiedene Frau geleisteten Beträge kann deshalb nicht etwa wegen der Vorschrift des § 12 Ziff. 2 EStG versagt werden (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 154/57 U vom 17. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 345, Slg. Bd. 69 S. 218).

Ohne Rechtsirrtum konnte das Finanzgericht zu dem Ergebnis kommen, daß in den Unterhaltsleistungen des Bf. keine Leibrente zu erblicken sei, eine Auffassung, die übrigens auch vom Bf. selbst verfochten wird. Es fehlt, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, an einem Rentenstammrecht, aus dem sich die Ansprüche der geschiedenen Ehefrau auf die einzelnen Rentenleistungen des Bf. ableiten. Nach dem Unterhaltsvertrag sind die Einzelleistungen des Bf. von künftigen wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängig gemacht worden, und zwar der Einkommensentwicklung beim Bf. und der geschiedenen Frau. Somit entfällt die Abzugsfähigkeit der Leistungen als Leibrente nach den Vorschriften des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958 in Verbindung mit § 55 Abs. 2 EStDV.

Wohl aber begründete die vom Bf. durch den formgerechten Vertrag vom 16. Oktober 1956 übernommene Verpflichtung und die auf Grund dieses Vertrages bewirkten Unterhaltsleistungen von 2.400 DM im streitigen Jahre 1958 eine dauernde Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958. Der Bf. hat durch den Vertrag vom 16. Oktober 1956 eine Verpflichtung für längere Zeit, möglicherweise sogar für 20 Jahre, übernommen, der er sich bürgerlich-rechtlich nicht zu entziehen vermag. Zwar kann er unter besonderen Umständen seine Leistung der Höhe nach verringern und sie gegebenenfalls sogar ganz einstellen, wenn sein Einkommen sinkt. Solange aber diese besonderen Umstände nicht eintreten, muß der Bf. dauernd die 200 DM monatlich zahlen. Diese in einwandfreier Form übernommene rechtliche Verpflichtung begründet eine dauernde Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958 und berechtigt den Bf. darum zum Abzug der geleisteten Summe von 2.400 DM als Sonderausgabe. Andererseits hat die geschiedene Ehefrau diese Bezüge nach § 22 Ziff 1 EStG voll zu versteuern.

Die angefochtene Entscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war deshalb aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das durch Einspruchsentscheidung den ergangenen Steuerbescheid dahin zu ändern hat, daß die 2.400 DM gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG voll als Sonderausgabe abgesetzt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410976

BStBl III 1963, 594

BFHE 1964, 745

BFHE 77, 745

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