Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhältnis des Montageerlasses zum Progressionsvorbehalt

 

Leitsatz (NV)

1. Der bis zum 31. Dezember 1983 gültige Montageerlaß ist nicht anzuwenden, wenn ein im Inland ansässiger Arbeitnehmer in einem ausländischen Staat tätig ist, mit dem die Bundesrepublik ein DBA abgeschlossen hat.

2. In einem solchen Fall führt der im Ausland erzielte Arbeitslohn aufgrund des Progressionsvorbehalts des § 32 b EStG zu einem besonderen Steuersatz, wenn nach dem DBA das Besteuerungsrecht dem ausländischen Staat zusteht, die Bundesrepublik sich dabei aber das Recht vorbehalten hat, diese Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen (Anschluß an BFH-Urteil vom 11. September 1987 - VI R 19/84, BFHE 151, 50, BStBl II 1987, 856).

 

Normenkette

EStG 1982 § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, §§ 32b, 34c; AO 1977 § 2; DBA PRT Art. 15 Abs. 1, Art. 24 Abs. 2 Buchst. A

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 1983 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Zeit vom 1. Januar 1983 bis 7. Juli 1983 war er für seinen Arbeitgeber auf einer Baustelle in Portugal tätig. Der hierauf entfallende Arbeitslohn wurde aufgrund einer Bescheinigung des Finanzamts F im Hinblick auf den Montageerlaß vom 25. Juli 1975 (BStBl I 1975, 944) in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) ließ bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für 1983 den in Portugal erzielten Arbeitslohn in Höhe von . . . DM bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens unberücksichtigt, ermittelte den Steuersatz jedoch nach § 32 b des Einkommensteuergesetzes 1982 - EStG - (Progressionsvorbehalt) unter Einbeziehung dieses Betrages. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 347 veröffentlichten Urteil u. a. aus:

Das FA habe die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Portugal zu Recht bei der Ermittlung des Steuersatzes im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1983 angesetzt. Die Einkünfte seien insoweit nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 15. Juli 1980 (DBA-Portugal) von der Besteuerung in der Bundesrepublik grundsätzlich ausgenommen. Die Bundesrepublik habe sich jedoch im Art. 24 Abs. 2 a Satz 2 DBA-Portugal die Berücksichtigung des in der Bundesrepublik steuerfreien Lohns bei der Tarifbemessung vorbehalten. Davon habe das FA im angefochtenen Steuerbescheid nach § 32 b EStG Gebrauch gemacht.

Der Kläger berufe sich zur Anwendung des Montageerlasses zu Unrecht auf die Bescheinigung des FA F. Sie sei schon deshalb für die Einkommensteuerveranlagung nicht verbindlich, weil sie sich selbst Verbindlichkeit nur für das Lohnsteuerabzugsverfahren beimesse.

Der Montageerlaß habe keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, weil dieser Verwaltungsvorschrift keine gesetzesmodifizierende oder gesetzesändernde Kraft zuzusprechen sei.

Für die Befreiung des Klägers vom Progressionsvorbehalt bestehe keine Rechtsgrundlage. Nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) müßten belastende wie begünstigende Hoheitsakte der Eingriffsverwaltung ihre Rechtfertigung in einem förmlichen Gesetz finden. Der Montageerlaß genüge nicht diesen Anforderungen.Die Klage könne auch dann keinen Erfolg haben, wenn man den Montageerlaß grundsätzlich für rechtswirksam halte. Denn er lasse nicht erkennen, daß § 32 b Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 2 EStG teilweise außer Kraft gesetzt werden solle. Die dortige Anweisung in Abschn. I Abs. 6 könne nur dahin verstanden werden, daß eine Konkurrenz mit DBA-Bestimmungen und mit § 32 b EStG vermieden werden solle und der Erlaß mithin nicht anzuwenden sei, wenn der Bundesrepublik mit Rücksicht auf ein DBA die Befugnis zur steuerlichen Berücksichtigung von Einkünften nach § 32 b EStG verbleiben solle.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein. Er rügt sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 32 b EStG. Er meint, es sei der gegenteiligen Auffassung des FG Köln im Urteil vom 19. Mai 1982 II (X) 338/80 E (EFG 1982, 630) zu folgen. Der Montageerlaß sei im Verhältnis zum DBA-Portugal lex specialis, da er der allgemeinen Regelung zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung den Vorrang einräume.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Denn das FG hat im Ergebnis zu Recht den Sachverhalt dahin gewürdigt, daß die Einkünfte des Klägers in Portugal dem Progressionsvorbehalt des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 EStG unterlegen haben.

Da der Kläger in der Bundesrepublik nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, unterliegen seine inländischen wie ausländischen Einkünfte nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 EStG der inländischen Einkommensteuer, soweit keine Steuerbefreiungen Platz greifen.

Der Kläger erzielte im Streitjahr 1983 u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 EStG, die er in Portugal ausgeübt hatte. Für sie kam eine Steuerbefreiung nach dem DBA-Portugal und nach dem Montageerlaß in Betracht. Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, daß die Vorschriften des DBA-Portugal dem Montageerlaß schon deshalb nach § 2 der Abgabenordnung (AO 1977) im Range vorgehen, weil es sich bei dem DBA-Portugal um einen Vertrag mit einem ausländischen Staat ,,über die Besteuerung" i. S. des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG handelt, der dadurch zu unmittelbar anwendbarem innerstaatlichen Recht geworden ist, daß der Deutsche Bundestag mit Zustimmung des Deutschen Bundesrates dem DBA-Portugal durch Gesetz vom 9. Februar 1982 (BGBl II 1982, 129, BStBl I 1982, 347) zugestimmt hat.

Das DBA-Portugal bestimmt in Art. 15 Abs. 1, Art. 24 Abs. 2 Buchst. a, daß zwecks Vermeidung einer Doppelbesteuerung die in Portugal erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einer in der Bundesrepublik ansässigen Person nicht in der Bundesrepublik, sondern in Portugal besteuert werden können. Soweit in einem solchen Fall die Einkünfte aus Portugal von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden, hat sich die Bundesrepublik im Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-Portugal das Recht vorbehalten, diese Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen.

Eine entsprechende Bestimmung enthält § 32 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG. Danach ist in Fällen, in denen bei unbeschränkt Steuerpflichtigen nach einem DBA die aus dem ausländischen Vertragsstaat stammenden Einkünfte steuerfrei sind, auf das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen der Steuersatz anzuwenden, der sich ergibt, wenn die ausländischen Einkünfte, ausgenommen die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte, bei der Berechnung der Einkommensteuer einbezogen werden. Durch den Progressionsvorbehalt soll sichergestellt werden, daß die Besteuerung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit, der u. a. durch progressive Gestaltung des Steuertarifs Rechnung getragen wird, durch den Abschluß des DBA unberührt bleibt. Die Verteilung der Einkunftsquellen auf verschiedene Staaten soll sich mithin auf den Steuersatz nicht auswirken (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 25. Mai 1970 I R 109/68, BFHE 99, 367, BStBl II 1970, 660, und vom 1. August 1986 VI R 181/83, BFHE 147, 360, BStBl II 1986, 902).

Das FA ist im Streitfall dementsprechend verfahren. Es hat die vom Kläger in Portugal erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1983 nicht bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens erfaßt. Es hat aber zu Recht diese Einkünfte bei der Berechnung des Steuersatzes nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG berücksichtigt.

Wie der Senat im Urteil vom 11. September 1987 VI R 19/84 (BFHE 151, 50, BStBl II 1987, 856) ausgeführt hat, ist bei dieser Rechtslage für die Anwendung des Montageerlasses kein Raum. Denn der bis zum 31. Dezember 1983 gültige Montageerlaß ist nicht anzuwenden, wenn ein im Inland ansässiger Arbeitnehmer in einem ausländischen Staat tätig ist, mit dem die Bundesrepublik ein DBA abgeschlossen hat. In einem solchen Fall führt der im Ausland erzielte Arbeitslohn aufgrund des Progressionsvorbehalts des § 32 b EStG zu einem besonderen Steuersatz, wenn nach dem DBA des Besteuerungsrecht dem ausländischen Staat zusteht, die Bundesrepublik sich dabei aber das Recht vorbehalten hat, diese Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Auf die Entscheidung des Senats wird im einzelnen Bezug genommen.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen, da das FG zum gleichen Ergebnis gekommen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415316

BFH/NV 1988, 631

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