Leitsatz (amtlich)

1. Die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Anzeige über die Veräußerung eines einheimischen Fahrzeugs, zu der auch die Bestätigung des Erwerbers über den Empfang der Fahrzeugpapiere gehört, ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich ohne Wirkung, wenn eine Veräußerung nicht vorliegt.

2. Eine Veräußerung (1.) liegt nicht vor, wenn das Fahrzeug zwar verkauft, es aber nicht mit sämtlichen Fahrzeugpapieren und den Fahrzeugschlüsseln übergeben worden ist.

 

Orientierungssatz

1. Die Mitteilung der Zulassungsstelle an die Finanzbehörde gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b KraftStDV 1979 kann nicht als Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO 1977) verstanden werden.

2. Die nach § 5 Abs. 5 KraftStG 1979 bestehende Verbindung zwischen der Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht des Fahrzeugveräußerers und dem Beginn der Steuerpflicht des Erwerbers führt nicht dazu, daß die gerichtliche Entscheidung gegenüber beiden nur einheitlich i.S. von § 60 Abs. 3 FGO ergehen kann.

 

Normenkette

KraftStG 1979 § 5 Abs. 5; KraftStG 1961 § 8; KraftStDV 1979 § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b; StVZO § 27 Abs. 3; AO 1977 § 171 Abs. 10; FGO § 60 Abs. 3

 

Tatbestand

I. Die Klägerin kaufte am 4.November 1983 einen für die Verkäuferin zum Verkehr zugelassenen Lastkraftwagen. Von den Vertragsparteien wurde unter Nr.3 des Formularkaufvertrages die Übergabe des Fahrzeugs, der Schlüssel und der Fahrzeugpapiere am Tage des Vertragsschlusses bescheinigt. Tatsächlich hatte die Klägerin zwar den Fahrzeugbrief erhalten und darauf den Kaufpreis gezahlt; ihr nicht übergeben wurden jedoch Fahrzeug, Wagenschlüssel und Fahrzeugschein. Das Fahrzeug wurde vom Bruder der Verkäuferin weiter benutzt und am 6.März 1985 vorübergehend stillgelegt. Aufgrund der von der Klägerin erklärten Wandelung ist die Verkäuferin rechtskräftig zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Herausgabe des Fahrzeugbriefs verurteilt worden.

Das Finanzamt --FA-- setzte gegen die Klägerin für die Zeit ab 13.Dezember 1983 Kraftfahrzeugsteuer fest. An diesem Tage war der Zulassungsstelle ein Schreiben der Verkäuferin mit der Bitte um Umschreibung des Fahrzeugs zugegangen. Dem Schreiben war eine Fotokopie des Kaufvertrages beigefügt. Das für die Zulassungsstelle bestimmte Stück des Kaufvertrages (Blatt 3) war mangels Unterzeichnung durch die Vertragsparteien nicht eingereicht worden.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Kraftfahrzeugsteuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf. Es entschied, daß die Voraussetzungen für eine Steuerpflicht des Fahrzeugerwerbers nach § 5 Abs.5 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979 nicht gegeben seien. Es könne zweifelhaft sein, ob bei der Zulassungsstelle die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Veräußerungsanzeige --§ 27 Abs.3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)-- eingegangen sei. Dies könne jedoch offenbleiben, ebenso die Frage, ob eine inhaltlich falsche Veräußerungsanzeige (keine Übergabe des Fahrzeugscheins) die Steuerpflicht auslösen könne. § 5 Abs.5 KraftStG 1979 --"Veräußerung"-- setze nämlich auch voraus, daß der Erwerber Eigentümer des Fahrzeugs geworden sei. Dasselbe gelte für § 27 Abs.3 StVZO. Diese Auslegung stehe nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), insbesondere zu dem Urteil vom 19.Dezember 1967 II 17/64 (BFHE 91, 378, BStBl II 1968, 359). Die erforderliche Übereignung habe im Streitfalle nicht stattgefunden.

Mit der Revision macht das FA geltend, in § 5 Abs.5 KraftStG 1979 sei wie in § 27 Abs.3 StVZO der Fall geregelt, daß der Verfügungsberechtigte i.S. von § 23 StVZO und damit der Zulassungsberechtigte wechsele, wobei es auf einen Eigentumswechsel im bürgerlich-rechtlichen Sinne nicht ankomme. Maßgebend sei, auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, allein der Eingang der verkehrsrechtlich vorgeschriebenen Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle. Dieses Erfordernis sei erfüllt. Nr.3 des Vertrages enthalte die gleichen Angaben wie Blatt 3 und damit alle diejenigen einer Veräußerungsanzeige. Die Ausführungen in der Vorentscheidung über die Veräußerungsanzeige widersprächen aufgrund des unvollständigen Tatbestands dem klaren Inhalt der Akten. Im Tatbestand nicht enthalten sei auch, daß die Klägerin aufgrund der Aufforderung durch die Zulassungsstelle vom 15.Dezember 1983 Kenntnis von der Veräußerungsanzeige erlangt habe. Für die Finanzbehörde habe die Mitteilung der Zulassungsstelle gemäß § 5 Abs.2 Nr.3 Buchst.b der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung (KraftStDV) 1979 die Wirkung eines Grundlagenbescheides.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Ein zur Aufhebung der Vorentscheidung nötigender Verfahrensfehler liegt nicht vor. Auch ohne entsprechende Revisionsrüge aufzuheben wäre die Vorentscheidung, wenn im erstinstanzlichen Verfahren eine notwendige Beiladung --§ 60 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO)-- unterblieben wäre (Senat, Urteil vom 19.April 1988 VII R 56/87, BFHE 153, 472 f., BStBl II 1988, 789 mit Nachweisen). Die nach § 5 Abs.5 KraftStG 1979 bestehende Verbindung zwischen der Beendigung der Steuerpflicht des Veräußerers und dem Beginn der Steuerpflicht des Erwerbers --nachstehend Nr.2-- mit der auf der letzteren beruhenden Steuerentstehung (§ 6 KraftStG 1979) führt jedoch nicht dazu, daß die Entscheidung gegenüber beiden nur einheitlich ergehen könnte. Das träfe zu, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter (hier: der Verkäuferin) berühren würde. Das Bestehen der Steuerpflicht der Verkäuferin ist jedoch nur Vorfrage für die Steuerpflicht der Klägerin. In der Entscheidung über die Vorfrage liegt kein Ausspruch über die Steuerpflicht der Verkäuferin. Ob deren Beiladung im erstinstanzlichen Verfahren nach § 174 Abs.5 und 4 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht gekommen wäre, braucht nicht geprüft zu werden. Die Beiladung nach dieser Vorschrift ist nicht geboten (notwendig), sondern nur möglich (zulässig).

2. Das FG hat im Ergebnis richtig entschieden, daß eine Kraftfahrzeugsteuerpflicht der Klägerin nach § 5 Abs.5 KraftStG 1979 --der einzig in Betracht kommenden Anspruchsnorm-- mangels einer Veräußerung des Lastkraftwagens nicht entstanden ist.

Die Vorschrift verknüpft den Beginn der Steuerpflicht des Erwerbers eines einheimischen Fahrzeugs (§ 2 Abs.3 KraftStG 1979) mit der Beendigung der Steuerpflicht des Veräußerers; dessen Steuerpflicht endet mit dem Eingang der verkehrsrechtlich vorgeschriebenen Veräußerungsanzeige (§ 27 Abs.3 StVZO), zu der auch die Bestätigung des Erwerbers über den Empfang der Fahrzeugpapiere gehört (BFH, Urteil vom 7.November 1956 II 165/56 U, BFHE 63, 506, BStBl III 1956, 389 und Urteil in BFHE 91, 378, BStBl II 1968, 359; FG München, Urteil vom 25.Februar 1958 IV 21/58, Entscheidungen der Finanzgerichte 1958, 243, alle zu § 8 KraftStG a.F.), spätestens mit der Aushändigung des neuen Fahrzeugscheins an den Erwerber. Nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die den Senat binden (§ 118 Abs.2 FGO), ist es zu einer Neuzulassung des Fahrzeugs auf die Klägerin nicht gekommen. Ob mit dem am 13.Dezember 1983 bei der Zulassungsstelle eingegangenen Schreiben der Verkäuferin "die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Veräußerungsanzeige" erstattet worden ist, kann in Übereinstimmung mit der Vorentscheidung offenbleiben. Es bedarf somit keines Eingehens auf die insoweit erhobene Verfahrensrüge des FA. Sollte in dem Hinweis auf nicht getroffene Feststellungen über eine Kenntnis der Klägerin von der Veräußerungsanzeige eine Aufklärungsrüge zu sehen sein, so kommt es auch auf diesen Gesichtspunkt nicht an. Entscheidend ist, daß der bei der Zulassungsstelle am 13.Dezember 1983 eingegangenen Mitteilung, mag diese nach Form und Inhalt der verkehrsrechtlich vorgeschriebenen Veräußerungsanzeige entsprochen haben, mag sie sogar --für die Steuerpflicht nach § 5 Abs.5 KraftStG 1979 unerheblich-- noch im Dezember 1983 der Klägerin bekannt geworden sein, ein die Steuerpflicht der Klägerin begründender Vorgang nicht zugrunde gelegen hat.

3. Entgegen der Ansicht der Revision bestimmt die Steuerpflicht sich nicht allein nach dem Eingang der verkehrsrechtlich vorgeschriebenen Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle. Dem Urteil in BFHE 91, 378, 380, BStBl II 1968, 359 kann nur entnommen werden, daß (allein) der "Eigentumswechsel am Fahrzeug" die (Fortdauer-)Dauer der Steuerpflicht unberührt läßt, daß vielmehr erst ("nur") die Anzeige nach § 27 Abs.3 StVZO zur Beendigung der Steuerpflicht des Verkäufers (und zur Entstehung der Steuerpflicht des Erwerbers) führt. Nicht ausgesprochen ist damit, daß die bloße Anzeige eines Veräußerungsvorgangs, ohne daß ein solcher erfolgt wäre, Auswirkungen auf die Steuerpflicht hätte. Im Gegenteil ergibt sich aus der angeführten Entscheidung, daß eine Veräußerung ("Eigentumswechsel") vorausgesetzt wird. Diese zu § 8 KraftStG 1961 --Wechsel des Steuerschuldners-- vertretene Auffassung trifft auch für § 5 Abs.5 KraftStG 1979 zu. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, die von einer Fahrzeugveräußerung ausgeht, und entspricht der Tatbestandsvoraussetzung der Veräußerung nach § 27 Abs.3 StVZO (vgl. auch den in § 25 Abs.4 Satz 2 StVZO enthaltenen Hinweis auf den "Eigentumswechsel" nach § 27 Abs.3 StVZO; ferner Oberlandesgericht --OLG-- Oldenburg, Urteil vom 22.November 1966 Ss 257/66, Verkehrsrechts-Sammlung --VRS-- 32, 230, 232, OlG Stuttgart, Urteil vom 11.November 1964 1 Ss 721/64, VRS 28, 313). Fehlt es an einem Veräußerungsvorgang, so greift § 5 Abs.5 KraftStG 1979 auch dann nicht ein, wenn eine Veräußerungsanzeige erstattet worden ist. Diese wirkt vielmehr nur, wenn ihr ein tatsächlich erfolgter Veräußerungsvorgang zugrunde liegt, wobei allerdings ohne Bedeutung ist, ob dessen Wirkungen fortbestehen oder nicht (z.B. Rückgabe nach einer durch den Käufer erklärten Wandelung). Die gemäß § 5 Abs.2 Nr.3 Buchst.b KraftStDV 1979 erfolgte Mitteilung der Zulassungsstelle an die Finanzbehörde ändert nichts an diesem Ergebnis. Die Mitteilung kann auch nicht als Grundlagenbescheid (§ 171 Abs.10 AO 1977) verstanden werden. Abgesehen davon, daß sie nicht als Verwaltungsakt angesehen werden kann, gibt sie der Finanzbehörde lediglich den Tag des Eingangs der Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle sowie gegebenenfalls Daten über eine Neuzulassung des Fahrzeugs bekannt; sie stellt nicht --schon gar nicht rechtsverbindlich-- eine Veräußerung des Fahrzeugs fest.

4. Eine Veräußerung liegt im Streitfalle nicht vor. Ob sie gegeben ist, darf freilich nicht, wie das FG annimmt, "nach der zivilrechtlichen Terminologie" (vgl. z.B. § 571 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches), also abgestellt auf das dingliche Vollzugsgeschäft, entschieden werden; auch ist es zu eng, wenn in einer Veräußerung lediglich die Übertragung des Volleigentums gesehen wird. Richtig ist vielmehr die Auffassung des FA, daß § 5 Abs.5 KraftStG 1979 ebenso wie § 27 Abs.3 StVZO den Fall betrifft, daß der Verfügungsberechtigte (§ 23 Abs.1 StVZO) und damit der Zulassungsberechtigte wechselt (vgl. Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuerrecht, 3.Aufl., 1981, Abschn.38 = S.279). Das öffentliche Recht der StVZO, insoweit auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich maßgebend (hier nach § 5 Abs.5 KraftStG 1979; vgl. auch § 2 Abs.2 Satz 1 KraftStG 1979), folgt seiner eigenen Systematik (OLG Stuttgart in VRS 28, 313 f.; OLG Oldenburg in VRS 32, 230, 233). Nach ihr kommt außer dem "Eigentumswechsel" (vgl. § 25 Abs.4 Satz 2, § 27 Abs.3 StVZO) --Hauptanwendungsfall-- auch der Verkauf mit Überlassung unter Eigentumsvorbehalt als Veräußerung in Betracht, während umgekehrt bei Sicherungsübereignung eine Veräußerung in der Regel nicht vorliegt (vgl. Rüth/Berr/Berz, Straßenverkehrsrecht, 2.Aufl. 1988, § 27 StVZO Anm.11). Andererseits wird, insoweit in Übereinstimmung mit dem Zivilrecht, eine "Veräußerung" noch nicht in dem bloßen obligatorischen Vertrag zu sehen sein (Anmerkung in Höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung 1986, 416; offengelassen von OLG Stuttgart, a.a.O.). Der Streitfall nötigt indessen nicht zu einer abschließenden Bestimmung des Veräußerungsbegriffs. Eine "Veräußerung" kann jedenfalls nicht angenommen werden, wenn ein Fahrzeug --wie hier-- zwar verkauft, aber nicht an den Käufer übergeben worden ist und dieser auch nicht die Schlüssel sowie alle Fahrzeugpapiere erhalten hat. Aus § 27 Abs.3 Satz 1, 2.Halbsatz StVZO --Aushändigung von Fahrzeugschein und -brief an den Erwerber "zur Weiterbenutzung des Fahrzeugs"-- und dem untrennbaren Zusammenhang zwischen der entsprechenden Bestätigung des Erwerbers und der Anzeige des Veräußerers ergibt sich, daß bei einer Veräußerung neben sämtlichen Papieren auch das Fahrzeug selbst zu übergeben ist (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30.Aufl., 1989, § 27 StVZO Anm.24), mit dem letzteren notwendigerweise auch die Fahrzeugschlüssel. Allein die Aushändigung des Fahrzeugbriefs reicht dafür nicht aus. Eine Kraftfahrzeugsteuerpflicht der Klägerin ist nicht begründet worden, da die Veräußerungsanzeige der Verkäuferin wegen Fehlens eines Veräußerungsvorgangs nicht wirksam geworden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62705

BFH/NV 1989, 40

BStBl II 1989, 812

BFHE 157, 454

BFHE 1990, 454

BB 1990, 546

BB 1990, 546 (LT)

HFR 1989, 641 (LT)

StRK, R.2 (LT)

UVR 1990, 59 (L)

ZAP, EN-Nr 376/89 (S)

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