Leitsatz (amtlich)

Auf eigene Rechnung vorgenommene An- und Verkäufe von Wertpapieren durch einen Börsenmakler gehören in der Regel nicht zu seinem Gewerbebetrieb, wenn die Geschäfte eindeutig als Privatgeschäfte behandelt werden und sich nach Umfang und Art ihrer Abwicklung im Rahmen des von der Verkehrsauffassung geprägten Bildes einer privaten Vermögensverwaltung halten.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist in der Gewerbesteuersache 1952, ob Wertpapiergeschäfte des Revisionsklägers (Steuerpflichtigen) als gewerbliche Geschäfte anzusehen sind und die aus der Veräußerung erzielten Kursgewinne in Höhe von 11 788,23 DM sowie laufende Erträge aus den Papieren in Höhe von 32,50 DM zu den gewerblichen Einkünften gehören.

Der Steuerpflichtige war amtlich notierender Makler für Renten und fest verzinsliche Wertpapiere und als solcher an der Börse zugelassen. Er vermittelte nur Wertpapiergeschäfte zwischen Banken. Als amtlich notierendem Makler ist ihm der gewerbliche An- und Verkauf von Wertpapieren auf eigene Rechnung untersagt. Die ab 1952 im wesentlichen zur Anlage eigenen Vermögens vorgenommenen An- und Verkäufe von Wertpapieren behandelte er buchmäßig als private Vorgänge. Die Umsätze betrugen:

A n k a u f V e r k a u f

1952 25 656 DM 38 570 DM

1953 27 744 DM 20 675 DM

1954 49 010 DM 19 826 DM

1955 124 297 DM 50 536 DM

1956 91 932 DM 188 958 DM

Das FA rechnete die Wertpapiergeschäfte unter Hinweis auf die Rechtsprechung über die Behandlung von Wertpapiergeschäften eines Bankiers zum Gewerbebetrieb.

In seiner Sprungberufung hielt der Steuerpflichtige die Auffassung des FA für unrichtig. Es komme auch bei Wertpapieren entscheidend darauf an, wie sie der Kaufmann buchmäßig behandle. Verkäufe seien vor allen Dingen durch erhebliche Steuerbeträge für 1954 und 1955 veranlaßt worden. Wie jeder Privatmann habe er die Geschäfte durch Banken vornehmen lassen.

Die Sprungberufung blieb erfolglos. Das FG führte im wesentlichen folgendes aus. Nach § 344 HGB gehörten Geschäfte des Kaufmanns im Zweifel zu seinem Gewerbe. Der RFH habe in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß Geschäfte, die in den Gewerbezweig des Kaufmanns fielen oder bei denen er seine beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen ausnutze, grundsätzlich Geschäftsvorfälle darstellten. Das sei nur anders, wenn sie zweifelsfrei aus privaten Gründen vorgenommen würden. Dieser Grundsatz müsse allerdings bei einem Bankier strenger gehandhabt werden als bei einem Grundstücks- oder Wertpapiermakler. Denn bei letzterem gehöre der An- und Verkauf von Wertpapieren nicht schon seiner Natur nach zu seinem Gewerbe. Er habe nur zu vermitteln. Der Zusammenhang mit seiner gewerblichen Tätigkeit bestehe aber trotzdem entscheidend in der Ausnutzung von geschäftlichen Kenntnissen und Erfahrungen. Daß hier der Steuerpflichtige den Anund Verkauf von Wertpapieren im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung durchgeführt habe, sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Steuerschulden könnten nicht als Ursache für den Verkauf des Wertpapierbestandes anerkannt werden. Die Ständigkeit und der Umfang der An- und Verkäufe der Wertpapiere spreche für eine gewerbliche Tätigkeit.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Rückgabe der Sache an das FA zur Steuerberechnung.

Das geltende Einkommensteuerrecht erfaßt bei den sogenannten Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 EStG) nicht nur den aus der Nutzung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens fließenden Ertrag, sondern auch den sich bei Verkauf solcher Wirtschaftsgüter aus einer zwischenzeitlichen Wertsteigerung ergebenden Gewinn. Wirtschaftsgüter lassen sich nicht nur nutzen, wenn sie Teil eines Betriebes und damit eines Betriebsvermögens sind. Auch im privaten Bereich werden sie genutzt. Hier wird indessen ein eventueller Wertzuwachs nur dann versteuert, wenn das ausnahmsweise im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. §§ 17, 23 EStG). Solange sich im privaten Bereich die Nutzung in der Benutzung und der Erlangung der damit unmittelbar verbundenen Gebrauchsvorteile erschöpft, ist auch dieser Vorgang in der Regel selbst dann einkommensteuerlich irrelevant, wenn durch die Nutzung Ausgaben erspart werden, es sei denn, daß auch hier ausnahmsweise das Gesetz ausdrücklich die Versteuerung vorsieht (vgl. § 21 Abs. 2 EStG). Fließen jedoch aus der Vermögensnutzung im privaten Bereich Einkünfte, so sind diese regelmäßig zu versteuern, weil eine andere Nutzung des Vermögens gegen Entgelt, als sie hinsichtlich des Kapitalvermögens in § 20 EStG und hinsichtlich des sonstigen Vermögens in § 21 EStG erfaßt ist, verhältnismäßig selten ist.

Aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich also, daß Erträge, unabhängig davon, ob sie innerhalb eines Betriebes und unter Einsatz des Betriebsvermögens oder im privaten Bereich unter Einsatz privaten Vermögens erzielt werden, stets zu versteuern sind. Es ist insoweit für die Steuerpflicht als solche auch unerheblich, ob und in welchem Umfang eine Tätigkeit zur Erzielung der Einkünfte entwickelt wird. Dennoch wird diese Tätigkeit von Bedeutung wegen der Verschiedenartigkeit der Einkünfteermittlung bei den Gewinneinkünften einerseits und den Überschußeinkünften andererseits (§ 2 Abs. 4 EStG) und wegen der Frage, ob Gewinne an der Substanz des Vermögens steuerbar sind.

Die Abgrenzung, ob sich die Nutzung von Vermögen im betrieblichen oder dem privaten Bereich abspielt, hat der Rechtsprechung stets Schwierigkeiten bereitet. Es handelt sich meist um die Frage der Trennung gewerblicher und privater Tätigkeit. Dabei erweist sich die Definition des Gewerbebetriebs als einer selbständig, nachhaltig, mit Gewinnabsicht und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unternommenen Tätigkeit (§ 1 GewStDV) als ein oft unzulängliches Hilfsmittel. Jede, auch die privates Vermögen verwaltende und nutzende selbständige Tätigkeit wird im allgemeinen nachhaltig ausgeübt werden; sie muß es um so mehr, je größer das vorhandene Vermögen ist. Jede Tätigkeit, aus der ein Ertrag fließen soll, wird mit Gewinnabsicht vorgenommen, vor allem, wenn man diesen Gewinnbegriff soweit faßt, wie das in den Urteilen des BFH VI 199/65 vom 7. April 1967, BFH 88, 450, BStBl III 1967, 467, IV R 214/66 vom 13. Juli 1967, BFH 89, 421, BStBl III 1967, 690, geschehen ist. Jede derartige, auf die Erzielung von Einkünften ausgerichtete Tätigkeit erfordert meistens eine mehr oder weniger umfangreiche Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.

Für die Abgrenzung müssen daher in der Regel noch andere Merkmale gefunden werden, die diese Tätigkeit zu einer gewerblichen oder einer privaten stempeln. Aus diesen Erwägungen hat es die Rechtsprechung schon bisher in Zweifelsfällen darauf abgestellt, ob die Tätigkeit, soll sie zu einer gewerblichen werden, dem Bild entspricht, das nach der Auffassung des Verkehrs einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensnutzung wesensfremd ist (z. B. RFH-Urteile VI A 844/30 vom 13. November 1930, RStBl 1931, 110, und III A 30/32 vom 4. Mai 1932, RStBl 1932, 662, und BFH-Urteil I 95/63 vom 15. Februar 1966, BFH 85, 171, BStBl III 1966, 274). Das läßt sich nur anhand aller Umstände des Einzelfalls beurteilen.

Die Nähe der Tätigkeit zu einer gleich- oder andersgearteten, bereits ausgeübten gewerblichen Tätigkeit und die Schwierigkeit der Aussonderung einzelner angeblich privater Geschäftsvorfälle aus den ständig im Gewerbebetrieb vorkommenden Geschäften können dabei eine wichtige Rolle spielen, worauf der BFH z. B. bei Wertpapiergeschäften eines Bankiers entscheidendes Gewicht gelegt hat (vgl. BFH-Urteil I 95/63). Andererseits kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß jede Nutzbarmachung beruflicher Erfahrungen, Kenntnisse und Verbindungen genügt, um sonst private Geschäfte zu gewerblichen zu machen (vgl. das Urteil des Senats IV 136/61 S vom 12. März 1964, BFH 79, 366, BStBl III 1964, 364). Von Bedeutung können auch die Intensität und die Organisation der Tätigkeit sein, wobei wiederum zu berücksichtigen ist, daß größere Vermögen auch eine intensivere und besser organisierte Betätigung erfordern. Insbesondere ist abzustellen auf die Art des genutzten Vermögensstücks selbst und die Tätigkeit, die an ihm normalerweise im privaten Bereich entfaltet wird, damit sie Nutzen abwirft. So wird z. B. die Annahme einer privaten Tätigkeit näher liegen, wenn ein Privatmann, wie allgemein üblich, Grundstücke durch Vermietung zu nutzen trachtet, als wenn er ständig anderen Personen Gegenstände gegen Entgelt zur Nutzung überläßt, die ein Privatmann üblicherweise nicht vermietet, wie z. B. Kleidungsstücke, Küchengeräte und ähnliches. So wird auch die Annahme eines Gewerbebetriebs näher liegen, wenn Geld statt einer Sparkasse oder Bank häufig Privatpersonen gegen Entgelt überlassen wird.

Bei der Abgrenzung ist auch von Bedeutung, ob sich bei der jeweiligen Vermögensart die normale private Verwaltungstätigkeit auf die Ziehung von Früchten beschränkt oder aber ob sie sich auch auf die Erzielung von Erträgen richtet, die nicht aus dem Gebrauch, sondern der Veräußerung, also aus der Substanz selbst fließen. Ist es mit anderen Worten bei einer bestimmten Vermögensart nicht üblich, das Vermögen umzuschichten, so wird man aus mehrfachen Verkäufen und Wiederankäufen eher den Schluß auf eine gewerbliche Tätigkeit ziehen können als bei Vermögensstücken, bei denen auch im privaten Bereich der häufige Austausch üblich ist.

Bei Wertpapieren liegt es in der Natur der Sache, den Bestand zu verändern, schlechte Papiere abzustoßen, gute zu erwerben und Kursgewinne zu realisieren (vgl. hierzu die BFH-Urteile VI 133/60 U vom 13. Dezember 1961, BFH 74, 331, BStBl III 1962, 127, und VI 313/62 U vom 20. Dezember 1963, BFH 78, 352, BStBl III 1964, 137). Die Verkehrsauffassung sieht hierin keine gewerbliche Tätigkeit.

Das schließt indessen nicht aus, daß auch der Handel mit Wertpapieren zu steuerpflichtigen gewerblichen Einkünften führen kann, wenn diesem Handel der Charakter des gewerblichen anhaftet. Das kann der Fall sein, wenn nicht mit vorhandenem Vermögen Wertpapiere erworben, sondern hierfür erhebliche Kredite aufgenommen werden. Insofern ist die Lage grundsätzlich anders als im Falle des Häuserbaus mit Krediten (vgl. das BFH-Urteil IV 136/61 S), bei dem es zum üblichen Bild der Pflege des Grundbesitzes gehört, daß man ihn bebaut und dazu erhebliche Kredite aufnimmt. Für einen gewerblichen Wertpapierhandel kann ferner die Häufigkeit der Vorfälle und die Kürze der Zeiträume sprechen, in denen die Papiere behalten werden. Der häufige Wechsel, bei dem sogar die Steuern nach § 23 EStG um des Gewinns willen in Kauf genommen werden, kann dafür sprechen, daß die Gesamttätigkeit einen gewerblichen Charakter trägt (vgl. BFH-Urteil I 95/63 und die dort bezeichneten Entscheidungen des RFH).

Im vorliegenden Fall hat der Steuerpflichtige keine gewerbliche Tätigkeit bei der Verwaltung und Verwertung seines Wertpapierbestands entwickelt. Der Steuerpflichtige hatte nicht beruflich Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen, wenn er auch infolge seiner beruflichen Tätigkeit in der Ausnutzung von Chancen an der Börse Vorteile vor anderen Steuerpflichtigen gehabt haben mag, die nicht Börsenmakler sind. Er hatte in den Jahren der Wertpapieran- und -verkäufe laufend hohe Gewinne, es waren also im wesentlichen eigene Mittel, die er anlegte. Der Umfang der Geschäfte war angesichts des vorhandenen hohen Vermögens des Steuerpflichtigen nicht so außergewöhnlich, daß er allein auf eine gewerbliche Tätigkeit schließen lassen könnte. Der Steuerpflichtige ließ die Käufe und Verkäufe nur durch seine Bank vornehmen, ohne sich selbst Kontrahenten zu suchen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68194

BStBl II 1968, 775

BFHE 1968, 281

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