Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (Urteile V 27/54 U vom 1. Juli 1954, Slg. Bd. 59 S. 118 und V 190/54 U vom 12. Mai 1955, Slg. Bd. 61 S. 52) fest, wonach der Anspruch auf Rückforderung von Umsatzsteuervergütungen in dem Zeitpunkt entsteht, in dem das Finanzamt feststellt, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung der Vergütungen nicht oder nicht mehr vorliegen.

 

Normenkette

UStG § 16; UStDB 1951 § 76 Abs. 2; AO §§ 96, 144-145; StAnpG § 3

 

Tatbestand

Auf Grund einer im März 1954 durchgeführten Nachprüfung der von der Steuerpflichtigen (Stpfl.) gestellten Vergütungsanträge nach § 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die Vergütungszeiträume 1. Juli 1950 bis 31. Dezember 1953 forderte das Finanzamt Umsatzsteuervergütungen im Betrage von 370,45 DM zurück. Die Vorinstanz hat im Gegensatz zur Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 27/54 U vom 1. Juli 1954, Slg. Bd. 59 S. 118, Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1954 III S. 254) den Rückforderungsanspruch, soweit er die Vergütungszeiträume der Jahre 1950, 1951 und I/1952 betrifft, als verjährt angesehen und demgemäß die zurückzuzahlende Vergütung auf 311,20 DM herabgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts; sie ist begründet.

Die Vorinstanz folgt dem oben angeführten Urteil des Bundesfinanzhofs, das durch Urteil V 190/54 U vom 12. Mai 1955 (Slg. Bd. 61 S. 52, BStBl 1955 III S. 217) bestätigt worden ist, nur insoweit, als der Rückforderungsanspruch nach § 76 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 ein selbständiger Anspruch ist, der nach § 144 Satz 2 der Reichsabgabenordnung (AO) der einjährigen Verjährungsfrist unterliegt. Das Finanzgericht glaubt, aus der Tatsache, daß der Bundesfinanzhof in einem gleichliegenden Falle die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abweichenden Gründe des Finanzgerichts nicht in sein Urteil aufgenommen hat, irgendwelche Schlüsse ziehen zu können. Damit verkennt das Finanzgericht das Wesen eines mit Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Revisionsurteils, das gerade nach der Übung des erkennenden Senats Prozeßgeschichte, Tatbestand und Rechtsausführungen der Beteiligten oder der Vorinstanz stets nur aus besonderem Anlaß, z. B. wenn dies der besseren Verständlichkeit dient, anführen wird.

Der von der Vorinstanz für seine Auffassung angeführte Vergleich, wonach selbst hinterzogene Steuern spätestens nach zehn Jahren verjährten, trifft nicht den Kern der Sache. Einmal kann sich auch diese Frist, z. B. bei vorliegender fortgesetzter Handlung oder infolge der Vorschrift des § 145 Abs. 2 Satz 2 AO noch wesentlich verlängern, zum anderen handelt es sich hier um die Verjährung der Steueransprüche des Staates, die in einem förmlichen Veranlagungsverfahren festgesetzt worden sind, so daß der Rechtskraftwirkung eine ganz andere Bedeutung zukommt als in dem vorläufigen Bewilligungsverfahren, das für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen der Stpfl. in Betracht kommt.

Schließlich wird als Hauptgrund für die abweichende Auffassung der Vorinstanz angeführt, daß der Bundesfinanzhof die durch § 3 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) vorgeschriebene sinnmäßige Anwendung des § 3 Abs. 1 a. a. O. unrichtig durchgeführt habe. Bei sinngemäßer Anwendung müsse es heißen, die Rückzahlungs schuld entstehe, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Rückzahlung knüpfe. Danach sei es aber klar, daß die Rückzahlungsschuld mit der Zahlung der Vergütung entstehe.

Diese Folgerung ist jedoch nicht zwingend. Der Vergütungsbescheid gehört seinem Wesen nach zu den begünstigenden Verfügungen im Sinne des § 96 AO. Im Gegensatz zur Auffassung des Finanzgerichts hat die im Urteil vom 1. Juli 1954 angeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu dieser Vorschrift und das Schrifttum hierzu sehr wohl Bedeutung auch für den Streitfall. § 76 UStDB stellt aber einen Sonderfall des § 96 AO dar, der in seinen Rücknahmemöglichkeiten besonders weitgehend ausgestaltet ist und fast ohne jede Einschränkung die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Vergütungen zuläßt. Diese Regelung hat ihren inneren Grund in der erwähnten Vorläufigkeit des Vergütungsverfahrens, das einerseits dem Finanzamt eine sachliche Nachprüfung der Vergütungsvoraussetzungen an Amts Stelle in den meisten Fällen unmöglich macht, anderseits dem Vergütungsberechtigten so schnell wie möglich zu seiner Vergütung verhelfen will. § 76 Abs. 2 UStDB ist deshalb so zu verstehen, daß die allein maßgebliche und entscheidende Voraussetzung für den Rückforderungsanspruch die negative Feststellung durch das Finanzamt ist, während Festsetzung, Zahlung und Anforderung der Vergütung daneben als selbstverständliche Voraussetzungen für den Rückforderungsanspruch in ihrer Bedeutung zurücktreten. In der Formulierung des § 76 Abs. 2 UStDB 1951 kommt diese Auslegung hinreichend zum Ausdruck, die auch mit § 3 StAnpG vereinbar ist. § 76 Abs. 2 a. a. O. würde dem § 3 StAnpG dann zuwiderlaufen, wenn ein anderer Entstehungstatbestand vorgesehen wäre. Daß dies bei der vom Bundesfinanzhof zugrunde gelegten Auslegung nicht der Fall ist, zeigt folgende Überlegung:

§ 96 AO und dessen Sonderfall des § 76 UStDB beziehen sich nur auf die Vergütungs verfügung. Einer Rücknahme der Ausführung der Vergütung -- dies wäre im Streitfalle die Auszahlung -- bedarf es daher nicht. War also die Vergütung durch Zahlung durchgeführt, so bedarf es nicht, wenn sich die Vergütung nachträglich als ungerechtfertigt erweist, einer Rücknahme der Barzahlung, sondern es wird der selbständige Anspruch auf Zahlung des vergüteten Betrages geltend gemacht. Ist demnach der Rückforderungsanspruch nicht mit der seinerzeitigen Auszahlung verknüpft, so rechtfertigt es sich, als Entstehungstatbestand im Sinne des § 3 Abs. 1 und 3 StAnpG die feststellende Verfügung über diesen Anspruch anzusehen.

Hiernach sieht der Senat auch jetzt keinen Anlaß, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen. Eine Verjährung hat nicht stattgefunden.

Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die sachlichen Voraussetzungen für die ausgezahlten Vergütungen mangels Ausfuhrnachweises zur Zeit der Prüfung nicht vorgelegen hätten, begegnet keinen Bedenken.

Unter Aufhebung der Vorentscheidung war deshalb die Berufung der Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 18. Mai 1954 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408510

BStBl III 1956, 259

BFHE 1957, 164

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