Entscheidungsstichwort (Thema)

Korrektur von ESt-Bescheiden wegen (angeblich) neuer Tatsachen

 

Leitsatz (NV)

1. Zum Rechtsschutzinteresse gegenüber (teilweise) nach § 165 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO 1977 vorläufigen Steuerbescheiden.

2. Daß Tatsachen, nicht etwa rechtliche Erwägungen, für eine auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützte Korrektur maßgeblich waren, läßt sich mit der erforderlichen Sicherheit nur beurteilen, wenn alle hierfür in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden.

3. Nur wenn die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu bejahen sind, stellt sich die Frage, ob ein auf diese Korrekturvorschrift gestützter Änderungsbescheid trotzdem rechtswidrig, weil mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar, ist.

4. Zur Verminderung des als Sonderausgabe abziehbaren Höchstbetrags von Versorgungsleistungen nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b, bb EStG.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 165, 173 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 107; EStG § 10 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bezog in den Streitjahren 1988 bis 1990 aus seiner Tätigkeit bei der X-AG in A Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er unterlag zwar grundsätzlich der Rentenversicherungspflicht nach der Reichsversicherungsordnung (RVO), war aber von dieser gesetzlichen Verpflichtung im Hinblick auf eine private Lebensversicherung befreit. Dem gemäß hatte der Arbeitgeber auch keinen Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

Seinen Steuererklärungen für die Streitjahre beigefügt hatte der Kläger jeweils auch eine erläuternde Übersicht zu den in den Formularen geltend gemachten Sonderausgaben, darunter -- jeweils unter Bezugnahme auf die ebenfalls vorgelegte Lohnsteuerkarte -- für alle drei Jahre auch Aufwendungen für "gesetzliche Sozialversicherung" (Arbeitnehmeranteil) und -- neben anderen Lebensversicherungsbeiträgen -- auch Zahlungen an "Pensionskasse X lt. Steuerkarte", in den Lohnsteuerkarten ausgewiesen als "Arbeitnehmerbeiträge zur Pensionskasse". Fragen nach Arbeitgeberanteilen zu Pensionskassen enthalten die in den Streitjahren verwendeten amtlichen Erklärungsvordruke nicht.

Für 1989 war der Steuererklärung außerdem eine Bescheinigung des Arbeitgebers mit folgendem Inhalt beigefügt:

"Der Sonderhöchstbetrag (Vorwegabzug) in Höhe von 3 000/6 000 DM für private Versicherungsbeiträge ist bei der Berechnung der steuerlich abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen bei Arbeitnehmern, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden sind, um etwaige steuerfreie Zuschüsse des Arbeitgebers beispielsweise zu einer Pensionskasse zu kürzen.

Zur Vorlage beim Finanzamt bescheinigen wir Ihnen, daß Sie von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind, jedoch keine derartigen steuerfreien Zuschüsse erhalten; insbesondere werden für Sie keine Pensionskassenzuwendungen steuerfrei geleistet. Daher steht Ihnen der Sonderhöchstbetrag ungekürzt für Ihre Versicherungsbeiträge zur Verfügung."

Die entsprechende Bescheinigung für 1990 "vom Februar 1991" lautet wie folgt:

"Zur Vorlage beim Finanzamt bestätigen wir Ihnen, daß Sie:

a)

von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht aufgrund einer eigenen Lebensversicherung befreit wurden und wir demzufolge für Sie keinen Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen,

b)

von uns keine steuerfreien Zuschüsse zu einer Lebensversicherung erhalten, auch keine steuerfreien Zuschüsse zur Pensionskasse,

c)

nicht zu den Personenkreisen des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a) Unterbuchstaben bb) und cc) der ab 1990 Fassung des geltenden Einkommensteuergesetzes gehören.

Eine Kürzung des Vorwegabzugs gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a) EStG um 9 % des Jahresarbeitslohnes/der Beitragsbemessungsgrenze ist daher bei Ihnen nicht vorzunehmen."

Für 1988 befindet sich eine solche Bescheinigung nicht bei den Akten.

Das damals für den Kläger zuständige Finanzamt A gewährte ihm in den Einkommensteuer-Bescheiden für 1988 bis 1990 den ungekürzten Sonderausgaben-Höchstbetrag (§ 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- in der jeweils maßgeblichen Fassung), für 1990 allerdings erst auf entsprechenden Einspruch hin (der mit der Bescheinigung des Arbeitgebers sowie mit der Handhabung in früheren Jahren begründet worden war).

Die teilweise -- u. a. wegen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung beim Sonderausgabenabzug -- nach § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufigen Einkommensteuer-Bescheide für 1988 bis 1990 wurden nicht angefochten.

Im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung beim Arbeitgeber des Klägers erhielt der Beklagte und Revisionskläger, das inzwischen zuständige Finanzamt B (FA), eine vom 27. Oktober 1993 datierende Mitteilung des Finanzamts C, wonach festgestellt worden sei, daß der Kläger

"auf eigenen Antrag von der gesetzlichen Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung befreit worden ist, da er als Ersatzversicherung eine Lebensversicherung abgeschlossen hat. Der Arbeitgeber hat zu dieser Lebensversicherung keine steuerfreien Zuschüsse i. S. des § 3 Nr. 62 EStG geleistet.

Zur Vorlage beim Finanzamt hat der Arbeitgeber ... Bescheinigungen ausgestellt, aus denen bis 1989 einschließlich hervorgeht, daß ...

Ab 1991 sind Bescheinigungen der genannten Art ... nicht mehr ausgestellt worden ...

Nach den Feststellungen der Lohnsteuer- Außenprüfung gehört der Stpfl. zu dem Arbeitnehmerkreis, der in das System einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung einbezogen ist bzw. eine einzelvertragliche Pensionszusage hat.

Im vorliegenden Fall ist daher die Kürzung des Vorwegabzugs ... vorzunehmen. Hierzu wird auf die beigefügte Ablichtung des TOP 3 der nur für den Dienstgebrauch bestimmten Niederschrift über das Ergebnis der Sitzung der ESt-Referatsleiter ... vom 10. bis 12.02.1993 ... verwiesen ... ".

Auf diese Mitteilung hin, die dem Finanzgericht (FG) nach entsprechender Aufforderung -- allerdings ohne den darin erwähnten Protokollauszug -- vorgelegt wurde, änderte das FA unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 die Einkommensteuer-Bescheide 1988 bis 1990, indem es jeweils den Vorwegabzug im Rahmen der Höchstbetragsberechnung kürzte.

Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Der Klage gab das FG mit der Begründung statt, das FA sei zur Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nicht berechtigt gewesen. Neu sei nur die Tatsache gewesen, daß der Arbeitgeber Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung des Klägers gezahlt habe, die Zahlungen des Klägers hierfür hätten sich aus den Steuerakten ergeben. Auch seien die vorgelegten Bescheinigungen nicht falsch, vielmehr sei die Rechtslage unklar gewesen: In den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1987 habe es zur einschlägigen Kürzungsregelung (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b, bb EStG) geheißen, sie gelte für Selbständige und für Steuerpflichtige mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die sozialversicherungsrechtlich nicht Arbeitnehmer seien, wie z. B. Vorstandsmitglieder einer AG und beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Erst in einer Verfügung vom 5. Mai 1993 habe die Finanzverwaltung (Oberfinanzdirektion -- OFD -- München, Steuererlasse in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 10, Abs. 3 Ziff. 2 Nr. 23) klargestellt, daß zu der von dieser Kürzungsregelung betroffenen Personengruppe nicht nur solche Steuerpflichtigen zählten, die sozialversicherungsrechtlich keine Arbeitnehmer seien, sondern auch solche, die von der damals eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, sich von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Hätte das damals zuständige Finanzamt dies ebenso gesehen, hätte es weiter aufklären müssen; dann liege in der Änderung ein Verstoß gegen Treu und Glauben, denn der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt (die Erklärungsvordrucke hätten nach Beiträgen des Arbeitgebers nicht gefragt). Wäre das Finanzamt A hingegen damals anderer Meinung gewesen als nunmehr das FA, dann erweise sich die neue Tatsache als nicht rechtserheblich und die Korrektur der angefochtenen Bescheide aus diesem Grunde als unberechtigt.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und trägt zur Begründung vor, das FG unterstelle zu Unrecht eine unterschiedliche Rechtsauffassung der beiden Finanzämter. Das Einspruchsverfahren für 1990 bestätige, daß das Finanzamt A "von der zutreffenden Rechtslage ausgegangen" sei. Auch ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor: Auf Grund der Steuererklärungen und der Bescheinigungen des Arbeitgebers hätte das Finanzamt A ohne weitere Prüfung davon ausgehen dürfen, daß eine Kürzung des Vorwegabzugs nicht vorzunehmen sei. Die Arbeitgeberbescheinigungen seien unzutreffend, denn daraus ergebe sich fälschlicherweise, daß der Kläger nicht zu dem von der einschlägigen Kürzungsregelung erfaßten Personenkreis gehöre und "auch keine steuerfreien Zuschüsse zur Pensionskasse erhalten" habe.

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung macht er sich im wesentlichen die Erwägungen des FG zu eigen. Außerdem stellt er unter Berufung auf § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Antrag,

das FG-Urteil hinsichtlich des Streitjahres 1990 dahin zu berichtigen, daß der Steuerbemessung ein Sonderausgabenhöchstbetrag (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) von 8 000 DM statt von 6 000 DM zugrunde gelegt wird.

Diesem Antrag hat das FA nicht widersprochen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen (§ 118 Abs. 2 FGO) erlauben dem Senat nicht, sich in entscheidungserheblichen Punkten mit der erforderlichen Sicherheit ein eigenes Urteil zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide zu bilden.

a) Eine vereinfachte Korrektur nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 kommt im Streitfall nicht in Betracht, denn die durch Musterverfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Höchstbetragsregelung in § 10 Abs. 3 EStG ausgelöste und die Nebenbestimmung rechtfertigende Ungewißheit gilt nur der Frage, ob der Sonderausgabenabzug überhaupt begrenzt werden darf, nicht aber der hier allein streitigen Frage, wie dies im Rahmen der Höchstbetragsregelung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 EStG zu geschehen hat. Zwar würde sich ein Streit über die Modalitäten nachträglich als überflüssig erweisen, wenn die Höchstbetragsregelung überhaupt als verfassungswidrig angesehen werden sollte, für den anderen -- in den angefochtenen Bescheiden (laut Erläuterungstext) ausdrücklich vorausgesetzten -- Fall hingegen, würden sich die vom FA vorgenommenen Kürzungen als unabänderlich bestätigen: Sie wären von den in § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 vorgesehenen Konsequenzen nicht betroffen. Darum muß derjenige, der sich -- wie hier der Kläger -- durch die Modalitäten der Anwendung des § 10 Abs. 3 EStG beschwert fühlt, den Bescheid frist gerecht anfechten, wenn er den Eintritt der Bestandskraft insoweit hinausschieben will; infolgedessen steht in solchen Fällen auch das Rechtsschutzinteresse außer Frage (vgl. zu diesem Problemkreis auch Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, 16. Aufl., § 165 AO Tz. 5 b, 8 und 12; Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. August 1991 III R 41/88, BFHE 166, 1, BStBl II 1992, 219; vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506, unter II. 2., und vom 28. März 1996 III R 208/94, BFHE 180, 551, BStBl II 1997, 54 a. E.; vgl. auch Senatsurteil vom 27. November 1996 X R 20/95, BFH/NV 1997, 540.

b) Ob das FG die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu Recht verneint hat, läßt sich nicht abschließend beurteilen.

Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide (soweit nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen) aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

aa) Tatsachen i. S. dieser Vorschrift sind Lebensvorgänge, die insgesamt oder teilweise einen gesetzlichen Steuertatbestand oder das einzelne Merkmal eines solchen Tatbestands erfüllen (Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 AO Tz. 3, m. w. N.).

bb) Weil § 173 AO 1977 keine Rechtsgrundlage für die Beseitigung von Rechtsfehlern bietet (s. dazu näher: BFH-Beschluß vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C.II.2. a; Tipke/Kruse, a. a. O., Tz. 2 a vor § 172 AO); verlangt die Anwendung dieser Vorschrift nicht nur eine generelle Abgrenzung zu rechtlichen Schlußfolgerungen, Wertungen und Entscheidungen (BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180; Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 AO Tz. 3 ff.), sondern auch im einzelnen Korrekturfall die Kontrolle, daß nicht rechtliche Erwägungen die eigentliche Ursache für die Aufhebung oder Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids sind. Daher muß die neue Tatsache (bzw. das neue Beweismittel) rechtserheblich sein; das ist sie nicht, wenn auch bei rechtzeitiger Kenntnis die Steuerfestsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht anders ausgefallen wäre (BFH-Entscheidungen in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180 und vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293; insoweit z. T. abw. Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 AO Tz. 13).

cc) Die sonach für den Streitfall entscheidende Frage, welche Tatsachen das Finanzamt A für die Anwendung der streitigen Kürzungsvorschrift bei Erlaß der Erstbescheide als rechtserheblich ansah, läßt sich nach dem derzeitigen Sachstand nicht hinreichend beantworten.

Beizupflichten ist dem FG zwar darin, daß nach dem maßgeblichen Akteninhalt (BFH- Urteil vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047; Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 AO Tz. 19, m. w. N.; zur Unbeachtlichkeit des Zuständigkeitswechsels: Tipke/Kruse, a. a. O.; aus dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 112/67, BFHE 95, 372, BStBl II 1969, 447 ergibt sich -- entgegen Tipke/Kruse, a. a. O. -- auch "möglicherweise" nichts anderes) als neu nicht die Tatsache in Betracht kam, daß der Kläger Beiträge an die Pensionskasse gezahlt hatte, sondern allenfalls, daß auch der Arbeitgeber solche Leistungen erbracht hatte.

Welche Bedeutung aber die Kenntnis dieser Tatsache für den Sonderausgabenabzug in den Streitjahren gehabt hätte, bedarf nach dem derzeitigen Ermittlungsstand weiterer Klärung.

Die vom FG getroffenen Feststellungen zur "veröffentlichten" Verwaltungsmeinung (zu deren besonderer Bedeutung in Fällen der streitigen Art: BFH-Urteile vom 11. Mai 1988 I R 216/85, BFHE 153, 296, 298 f., BStBl II 1988, 715; vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, 311, BStBl II 1995, 293; vom 30. März 1988 II R 111/84, BFH/NV 1989, 137, 138, und vom 30. Mai 1996 V R 134/93, BFH/NV 1997, 72, 73) rechtfertigen den von ihm hieraus gezogenen Schluß nicht -- auch nicht unter Berücksichtigung der weiteren Tatsachen, daß in den amtlichen Erklärungsvordrucken keine Fragen zu eventuellen Beitragszahlungen des Arbeitgebers gestellt waren und daß dem für 1990 eingelegten Einspruch ohne weitere Rückfragen abgeholfen wurde, allein auf Vorlage der zweiten Arbeitgeberbescheinigung und auf den Hinweis der bisherigen Behandlung des Sonderausgabenabzugs hin.

Für eine hinreichend abgesicherte Beurteilung dessen, was Verwaltungsauffassung war, fehlt die in der Mitteilung des Finanzamts C angesprochene Niederschrift der Referatsleiter-Sitzung in Bonn vom 10. bis 12. Februar 1993, die unter TOP 3 den Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 EStG zum Gegenstand hatte und Aufklärung über die frühere Verwaltungsmeinung verspricht. Dieses Schriftstück wird nun im zweiten Rechtsgang anzufordern und im Rahmen einer neuen Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Umstände auszuwerten und zu gewichten sein.

dd) Unklar ist ferner, inwiefern die in Betracht kommenden neuen Tatsachen "zu einer höheren Steuer führen". Der vom FG ermittelte Sachverhalt läßt nicht erkennen, ob und in welchem Umfang die ursprünglichen Einkommensteuer-Bescheide 1988 bis 1990 inhaltlich unrichtig und daher änderungsbedürftig waren. Aus der Urteilsbegründung ist nicht zu ersehen, welche Art von (für die Höchstbetragsberechnung relevanten) Leistungen die X-AG als Arbeitgeberin in den Streitjahren genau erbracht hat bzw., ob es sich bei der "Pensionskasse X" -- was ihre Bezeichnung nahelegt -- um eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung handelt, die den Arbeitnehmern oder deren Hinterbliebenen Rechtsansprüche auf bestimmte Leistungen einräumt (vgl. § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung), und inwieweit diese beim Kläger in den Streitjahren unter dem Gesichtspunkt der Zukunftssicherung zu Arbeitslohn führten (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 bis Satz 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung -- LStDV -- in der seit 1990 geltenden, bzw. § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 und Satz 2 LStDV in der bis einschließlich 1989 geltenden Fassung; s. dazu näher: Schmidt, Kommentar zum EStG, 8. Aufl., 1989 und 9. Aufl. 1990, jeweils § 3, § 11 Anm. 5, § 19 Anm. 8 zum Stichwort "Zukunftssicherungsleistungen"; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, 21. Aufl., § 19 EStG Rz. 229 ff.).

c) Nur wenn die Voraussetzungen einer Korrektur nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 erfüllt sind, kann es auf die vom FG erörterte Frage ankommen, ob möglicherweise die Grundsätze von Treu und Glauben dem Erlaß der angefochtenen Änderungsbescheide entgegenstehen (s. dazu näher: Tipke/Kruse, a. a. O.; § 173 AO Tz. 28 ff.; Woerner/Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., 1988, S. 93 ff. -- jeweils m. w. N.).

2. Die Kostenentscheidung bleibt nach § 143 Abs. 2 dem FG ebenso vorbehalten wie die Entscheidung über den auf § 107 FGO gestützten Berichtigungsantrag des Klägers.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422350

BFH/NV 1997, 853

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