Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitgeber, der während des Jahres für die einzelnen Lohnzahlungszeiträume die Lohnsteuer zutreffend einbehalten und abgeführt hat, kann nicht deshalb im Wege der Haftung in Anspruch genommen werden, weil die Lohnsteuer bei Anwendung der Lohnsteuerjahrestabelle höher ist als die für die einzelnen Lohnzahlungszeiträume insgesamt einbehaltene.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 3 S. 2, § 39 Abs. 1 S. 1, § 41 Abs. 2 S. 1; LStDV § 32 Abs. 2, § 33; JAV § 6 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte, eine GmbH (künftig nur: GmbH), hatte bis einschließlich April 1958 als Lohnzahlungszeitraum jeweils den Kalendermonat gewählt. Am 16. Mai 1958 stellte sie den Lohnzahlungszeitraum auf die Zeit vom 16. eines Monats bis zum 15. des folgenden Monats um. Im Jahre 1958 hat die GmbH ihren Arbeitnehmern folglich nur 11 1/2 Monatsgehälter ausgezahlt. Soweit sie für 1958 den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt hat, hat sie die Lohnsteuerjahrestabelle auf diese 11 1/2 Monatsgehälter angewendet und die sich dadurch ergebende Lohnsteuerüberzahlung den betreffenden Arbeitnehmern erstattet.

Im Jahr 1960 hat die GmbH den Lohnzahlungszeitraum im März - wie unwiderlegt vorgetragen worden ist, aus betriebsbedingten und nicht willkürlichen Gründen - wieder auf den Kalendermonat umgestellt. Im Jahre 1960 hat sie deshalb an ihre Arbeitnehmer am 15. Januar die Löhne für die Zeit vom 16. Dezember 1959 bis 15. Januar 1960 usw. bis zum 15. März 1960, sodann aber am 31. März 1960 die Löhne für die Zeit vom 16. März bis 31. März und danach wieder jeweils am Monatsende die Löhne für die vollen Kalendermonate ausgezahlt. Auf die 12 Monatslöhne hat die GmbH die Monatslohnsteuertabelle angewendet. Die Lohnsteuer für den halben Monat 16. März bis 31. März 1960 hat sie dadurch errechnet, daß sie die Halbmonatslöhne jeweils verdoppelte, darauf die Monatstabelle anwendete und die sich dann ergebende Lohnsteuer halbierte. Auf die insgesamt im Jahre 1960 ausgezahlten 12 1/2 Monatsgehälter hat die GmbH, soweit sie einen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt hat, die Lohnsteuertabelle angewendet. Die sich dabei aufgrund der Zusammenballung von 12 1/2 Monatsgehältern ergebenden Lohnsteuermehrbeträge hat sie von den Arbeitnehmern nicht nachgefordert.

Mit Haftungsbescheid gemäß § 38 Abs. 3 EStG in Verbindung mit § 46 LStDV nahm das FA (Beklagter und Revisionskläger) die GmbH wegen der sich für 1960 nach der Jahrestabelle ergebenden Mehrbeträge an Lohn- und Lohnkirchensteuer von insgesamt rd. 2 800 DM als Haftende in Anspruch. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA ging in der Einspruchsentscheidung davon aus, als laufender Arbeitslohn könnten grundsätzlich nur die regelmäßigen Zahlungen des Arbeitgebers für die bei ihm üblichen Lohnzahlungszeiträume angesehen werden. Hier seien aber neben dem laufenden Lohn für den Monat März 1960 Ende März nochmals zusätzliche Beträge, die man als Überbrückungsgelder bezeichnen könne, gezahlt worden. Sie gehörten nicht zum laufenden Arbeitslohn; sie seien vielmehr sonstige Bezüge im Sinne von Abschnitt 52 LStR.

Die Berufung (jetzt Klage) der GmbH hatte Erfolg. Das FG führte in dem in EFG 1968, 381 veröffentlichten Urteil aus: Die GmbH habe für jeden Lohnzahlungszeitraum des Jahres 1960 die Lohnsteuer richtig einbehalten. Damit entfalle eine Haftung, selbst wenn auf diese Weise die Summe der einbehaltenen Lohnsteuerbeträge niedriger sei als die sich aus der Jahreslohnsteuertabelle ergebende Lohnsteuer. Das FA irre, wenn es meine, die GmbH habe mit der am 31. März 1960 geleisteten Zahlung keinen laufenden Arbeitslohn gewährt. Es sei zu diesem Irrtum nur dadurch gekommen, daß es davon ausgegangen sei, die vorausgegangene - am 15. März erfolgte Lohnzahlung - stelle den Arbeitslohn für den Kalendermonat März dar, so daß die GmbH die in der Zeit vom 16. bis 31. März geleistete Arbeit zweimal entlohnt habe. Tatsächlich erstrecke sich aber die Zahlung vom 15. März auf den Lohnzahlungszeitraum 16. Februar bis 15. März 1960. Im Anschluß an diesen Lohnzahlungszeitraum habe die GmbH einen - einmaligen - Lohnzahlungszeitraum von nur einem halben Monat gebildet und den darauf entfallenden laufenden Arbeitslohn am 31. März gezahlt. Die Bildung eines solchen einmaligen Lohnzahlungszeitraums sei zulässig gewesen.

Mit der Revision macht das FA geltend: Die GmbH habe seit Jahren ihre Löhne und Gehälter monatlich abgerechnet und gezahlt. Auch bei Umstellung des Lohnzahlungszeitraums sei immer wieder ein monatlicher Lohnzahlungs- und Abrechnungszeitraum gewählt und gebildet worden, wobei jeweils unbedeutend gewesen sei, ob der Lohnzahlungs- und Abrechnungszeitraum die Zeit vom 1. bis zum letzten Tag eines Monats oder vom 16. bis zum 15. des nächsten Monats umfaßt habe. Bedeutungsvoll sei immer nur die Wahl eines monatlichen Zeitraums gewesen. Werde jedoch zwischendurch neben dem laufenden monatlichen Lohnzahlungs- und Abrechnungszeitraum nochmals Lohn gezahlt, so könne hierfür unter Berufung auf § 33 LStDV nicht nochmals ein zusätzlicher Lohnzahlungs- und Abrechnungszeitraum gebildet werden. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung mit dem Jahreseinkommen als Bemessungsgrundlage dürfe nicht durchbrochen werden. Vielmehr dürften - bezogen auf das Kalenderjahr - die einzelnen vom Arbeitgeber gebildeten Lohnzahlungs- und Abrechnungszeiträume keinen Zeitraum von mehr als 365 Tagen umfassen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG (§ 46 Abs. 1 Satz 2 LStDV) haftet der Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer. Die Haftung bezieht sich auf die richtige Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., § 38 Rdnr. 12; Hartz-Over-Meeßen, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Haftung für Lohnsteuer unter 2.). Die Lohnsteuer ist richtig einbehalten, wenn der Arbeitgeber sie entsprechend den Eintragungen auf die Lohnsteuerkarte nach dem richtigen Steuertarif einbehalten hat (vgl. Hartz-Over-Meeßen, a. a. O.). Das ist hier, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, der Fall gewesen.

Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 EStG richtet sich die Höhe der einzubehaltenden Lohnsteuer nach den für den jeweiligen Zeitraum maßgebenden Lohnsteuertabellen. Dabei ist als Lohnzahlungszeitraum der Zeitraum anzusehen, für den der Arbeitslohn gezahlt wird (§ 33 Satz 1 LStDV). Maßgebend ist, daß ein Zeitraum, für den der Arbeitslohn gezahlt wird, festgestellt werden kann (§ 33 Satz 3 LStDV). Das FA bestreitet selbst nicht mehr, daß die GmbH mit den am 15. eines Monats ausgezahlten Lohnbeträgen nur diejenigen Löhne erbrachte, die auf den abgelaufenen Monatszeitraum - vom 16. eines jeden Monats bis 15. des folgenden Monats - entfielen. Es kann der GmbH auch nicht widerlegt werden, daß sie - was üblich ist - nur für bereits abgelaufene Zeiträume Löhne auszahlte. Schließlich ist es denkbar, daß ein Lohnzahlungszeitraum - derjenige, der hier am 15. Januar 1960 endete - in zwei Kalenderjahre reicht (vgl. Hartz-Over-Meeßen, a. a. O., Stichwort: Lohnzahlungszeitraum unter 2.).

Da es nicht erforderlich ist, daß stets nach gleichmäßigen Zeitabschnitten abgerechnet wird (§ 33 Satz 5 LStDV), ist es auch nicht zu beanstanden, daß die GmbH im März 1960 einen Halbmonats-Lohnzahlungszeitraum eingeschoben hat. Das ist insbesondere deshalb nicht unzulässig, weil offenbar betriebliche Erwägungen dafür maßgebend waren und weil die GmH dadurch wieder auf den Kalendermonats-Lohnzahlungszeitraum zurückkam.

Dem FA kann nicht darin zugestimmt werden, daß im Streitfall ein Lohnzahlungszeitraum 16. März bis 31. März 1960 nicht eingeschoben worden sei. Die am 31. März 1960 ausgezahlten Beträge waren entgegen der Auffassung des FA keine sonstigen Bezüge. Sonstige Bezüge sind Bezüge, die ihrem Wesen nach nicht zum laufenden Arbeitslohn gehören (Abschn. 52 Abs. 1 Satz 1 LStR). Die am 31. März 1960 ausgezahlten Beträge waren aber laufender Arbeitslohn. Käme man nicht zu dieser Ansicht, hätten die Arbeitnehmer der GmbH für die Zeit vom 16. März bis 31. März 1960 noch keinen Arbeitslohn erhalten; denn Vorauszahlungen waren, wie ausgeführt, nicht erfolgt. Für Arbeitslohn und einen entsprechend geänderten Lohnzahlungszeitraum spricht im übrigen auch, was das FG zu Recht hervorgehoben hat, daß diese Zahlung nur diejenigen Arbeitnehmer erhalten haben, die in dieser Zeit auch tatsächlich gearbeitet haben.

Das dargestellte Verfahren der GmbH zur Berechnung der auf die Löhne vom 16. März bis 31. März 1960 entfallenden Lohnsteuer ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 32 Abs. 2 LStDV richtet sich die Höhe der vom Arbeitgeber einzubehaltenden Lohnsteuer nach den für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum maßgebenden Lohnsteuertabellen. Für den hier gebildeten Halbmonats-Lohnzahlungszeitraum gibt es keine Lohnsteuertabellen. Es war deshalb zulässig, durch Umrechnung der Halbmonatslöhne in Monatslöhne und dann durch Anwendung der Lohnsteuermonatstabelle die Lohnsteuer für die Halbmonatslöhne zu ermitteln, weil letztlich alle Lohnsteuertabellen aus der Jahreslohnsteuertabelle abgeleitet werden (§ 32 Abs. 3 LStDV).

Es ist zwar zutreffend, daß von den 12 1/2 Monatslöhnen, die die Arbeitnehmer im Streitjahr 1960 bezogen haben, durch 13malige Anwendung der Monatstabelle mit den in sie eingearbeiteten Zwölfteln der Jahresfreibeträge weniger Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer einbehalten ist, als sich nach der Jahrestabelle ergibt. Das beruht aber nicht auf einer unzutreffenden Maßnahme der GmbH, sondern auf dem nach § 33 Satz 5 LStDV zulässigen Wechsel des Lohnzahlungszeitraums. Nur wenn dieser Wechsel willkürlich erfolgt wäre, könnte, was hier aber nicht abschließend untersucht werden muß, die Rechtslage anders sein.

Die GmbH war auch nicht im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren verpflichtet, die - wie sich bei Anwendung der Lohnsteuerjahrestabelle ergeben hat - zu niedrige Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer nachzufordern. Nach § 6 Abs. 1 der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV) ist maßgebender Arbeitslohn der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer im Geltungsbereich des EStG für die Lohnzahlungszeiträume des Ausgleichsjahres zugeflossen ist. Dabei sind ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitslohn nachträglich oder im voraus gezahlt worden ist, alle Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, die im Ausgleichsjahr geendet haben. Die GmbH hat deshalb als maßgebenden Arbeitslohn für den Lohnsteuer-Jahresausgleich zutreffend die 12 1/2 Monatsgehälter angenommen. Im Wege des Lohnsteuer-Jahresausgleichs können aber Steuerbeträge vom Arbeitnehmer nicht nachgefordert werden. Der Lohnsteuer-Jahresausgleich ist nur zugunsten des Arbeitnehmers durchzuführen (vgl. das Urteil des BFH IV 69/55 U vom 12. Mai 1955, BFH 61, 39, BStBl III 1955, 213; Oeftering-Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 4. Aufl., JAV Bl. 8, 1).

Hat die GmbH danach die Steuerbeträge für ihre Arbeitnehmer im Rahmen der einzelnen Lohnzahlungszeiträume richtig einbehalten sowie abgeführt und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich den Arbeitnehmern nichts zu Unrecht erstattet, kann sie nicht im Wege der Haftung in Anspruch genommen werden. Dem widerspricht auch nicht der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Für den Lohnsteuer-Jahresausgleich gelten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 JAV die laufenden Bezüge für alle Lohnzahlungszeiträume, die im Kalenderjahr enden, als zugeflossen. Wenn hierbei, wie im Streitfall, ausnahmsweise 12 1/2 Monatslöhne als laufender Jahresarbeitslohn zu behandeln sind, so beruht das auf den Besonderheiten des Lohnsteuerverfahrens als eines Massenverfahrens, das Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Bestimmung des Lohnzahlungszeitraums eine gewisse Entscheidungsfreiheit zubilligen muß. Der vom Gesetz hierfür gegebene Rahmen, der ein willkürliches Handeln ausschließt, ist, wie ausgeführt, im Streitfall nicht überschritten. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung wird hiervon nicht berührt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69081

BStBl II 1970, 664

BFHE 1970, 310

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