Leitsatz (amtlich)

1. Musiker, die in einer Gaststätte zum Tanz spielen, sind in aller Regel auch dann Arbeitnehmer des Gastwirts, wenn sie nicht dauernd für diesen tätig sind.

2. Zum Erlaß eines Vorbescheids.

 

Normenkette

EStG §§ 19, 38; FGO § 159

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige betreibt eine Gaststätte. Streitig ist, ob die Musiker, die des Sonnabends und Sonntags in seinem 200 qm großen Saal zum Tanz aufgespielt haben, seine Arbeitnehmer gewesen sind oder nicht.

Nach den Angaben des Steuerpflichtigen handelt es sich bei den Musikern um verschiedene, im Wesentlichen in gleicher Besetzung spielende "Bands" (Schlagzeug, Schlaggitarren und Akkordeon), deren Mitglieder - zumeist Arbeitnehmer in ihrem Hauptberuf - sich nur nebenberuflich betätigten. Nach Ansicht des Steuerpflichtigen waren es selbständige Musikkapellen. Er habe jeweils nur mit einem Musiker verhandelt und vor allem mit dem, der als Kapellmeister oder Beauftragter aufgetreten sei. Die Namen der Musiker einschließlich der Verhandlungsführer seien ihm nicht bekannt.

Auf Grund einer Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 1960 bis 1964 kam das FA zu dem Ergebnis, daß die von dem Steuerpflichtigen in dieser Zeit beschäftigten Musiker dessen Arbeitnehmer waren. Es zog den Steuerpflichtigen wegen der nicht einbehaltenen Lohnsteuer in Höhe von 8 241,22 DM als Haftenden heran.

Die Sprungklage blieb ohne Erfolg. Das FG hielt die Musiker ebenfalls für Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen. Es sah - entgegen dem Steuerpflichtigen - in dessen Heranziehung als Haftenden auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben.

Mit seiner Revision rügt der Steuerpflichtige unrichtige Anwendung des Einkommensteuerrechts und Verkennung der Grundsätze von Treu und Glauben. Das FG, so macht er geltend, habe sich über die bürgerlich-rechtliche Gestaltung hinweggesetzt. Bürgerlich-rechtlich unterliege es keinem Zweifel, daß er mit den Musikern, die immer nur kurzfristig für ihn tätig gewesen seien, eine freie Mitarbeit vereinbart habe. In ihrer Tätigkeit seien die Kapellen völlig frei gewesen. Sein angebliches Weisungsrecht habe sich auf Ort und Zeit beschränkt. Im übrigen aber habe er auf die steuerliche Selbständigkeit der Kapellen und die entsprechende Behandlung durch das FA vertrauen können. Das FG habe übersehen, daß der Bericht der Betriebsprüfung 1949, die der seiner Inanspruchnahme zugrunde liegenden Betriebsprüfung vorausgegangen sei, folgende Feststellung enthalte: "Die Lohnsteuer von den den Musikern gezahlten Entgelten wird von den Musikern selbst abgeführt. Die Lohnsteuer ist 1948 von der Lohnsteuerstelle geprüft worden."

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Die Ausführungen des FG, daß der Steuerpflichtige Arbeitgeber der von ihm beschäftigten Musiker gewesen ist, sind nicht zu beanstanden. Dem FG ist auch darin beizutreten, daß die Berufung des Steuerpflichtigen auf Treu und Glauben der Berechtigung entbehrt.

Was zunächst die Frage der Arbeitsverhältnisse angeht, so ist es nach § 19 EStG i. V. mit § 1 Abs. 3 LStDV entscheidend, ob die "Arbeitskraft geschuldet" wird, d. h. "die tätige Person in der Bestätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im gesellschaftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist". Wenn auch mit dem Steuerpflichtigen davon auszugehen ist, daß die Besteuerung grundsätzlich an die bürgerlich-rechtliche Gestaltung anknüpft und es den jeweils Beteiligten überlassen ist, ob sie das Verhältnis des einen zum anderen als das eines Arbeitnehmers oder eines freien Mitarbeiters gestalten wollen, kommt es für die steuerliche Beurteilung eines solchen Verhältnisses doch nicht auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung, sondern allein darauf an, als was das Verhältnis sich nach seiner tatsächlichen Durchführung darstellt. Wie der Senat in dem bereits vom FG angeführten Urteil VI 183/59 S vom 24. November 1961 (BFH 74, 97, BStBl III 1962, 37) im Zusammenhang mit der Beurteilung der Stellung von Aushilfskräften ausgeführt hat, ist in Zweifelsfällen gerade auch die Art der geleisteten Tätigkeit zu beurteilen: "Bei einfachen Arbeiten, vor allem bei Handarbeiten, bei denen das Weisungsrecht des Arbeitgebers sich stärker auswirkt, ist eher eine Eingliederung in den Betrieb und Gestaltung der Arbeitskraft anzunehmen als bei gehobenen Arbeiten, in denen die Weisungsbefugnis des Auftraggebers sich mehr auf äußere und organisatorische Dinge beschränkt, wenn im übrigen der Beauftragte in der Gestaltung seiner Arbeit freie Hand hat und der Arbeitserfolg wichtiger ist als Dauer und Umfang der Arbeitsleistung. Darum sind z. B. Aushilfskräfte in Gastwirtschaften oder Musiker, die in Gaststätten oder Kaffees spielen, oder landwirtschaftliche Saisonarbeiter in der Regel unselbständig (vgl. z. B. Urteil des Senats VI 73/58 U vom 10. Juli 1959, BFH 69, 243, BStBl III 1959, 354, betreffend landwirtschaftliche Aushilfskräfte)."

In dem Streitfall haben die Musiker an den vom Steuerpflichtigen durchgeführten Tanzveranstaltungen mitgewirkt. Daß der eine oder der andere Musiker vielleicht nur einmal mitgewirkt hat und auch die übrigen Musiker nicht dauernd mitgewirkt haben, steht - im Gegensatz übrigens zu den Ausführungen des Prüfers im Bericht - der Annahme, daß sie im Rahmen des geschäftlichen Organismus des Steuerpflichtigen dessen Weisungen zu folgen verpflichtet waren und daher zu diesem im Verhältnis von Arbeitnehmern standen, nicht entgegen. Entscheidend ist, daß der Steuerpflichtige der Veranstalter war und daß die Musiker von ihm im Rahmen seiner Veranstaltung zur Befriedigung der Bedürfnisse der Gäste ebenso eingesetzt waren wie die Einrichtung und das übrige Personal der Gaststätte. Mögen sie auch in der Ausführung ihrer Darbietungen selbständig gewesen sein, so sind sie doch im Rahmen der Veranstaltung des Steuerpflichtigen dessen Weisungen zu folgen verpflichtet gewesen. Ob man dort, wo eine dem Publikum bekannte Musikkapelle an einer Tanzveranstaltung mitwirkt und wegen ihres Rufes gewissermaßen neben den Veranstalter tritt, kein Arbeitsverhältnis, sondern ein freies Mitarbeiterverhältnis der Musikkapelle zum Veranstalter annehmen kann (vgl. Hartz-Over-Meeßen, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Kapellmeister), braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden. Denn hier kann von einer Kapelle solcher Art keine Rede sein. Wenngleich dahingestellt bleiben kann, ob die von dem Steuerpflichtigen über die Empfänger der von ihm geleisteten Zahlungen vorgelegten Unterlagen als zureichend angesehen werden können, läßt doch jedenfalls die Tatsache, daß sich der Steuerpflichtge an keine Namen der Musiker erinnert, darauf schließen, daß es sich um keine namhaften Kapellen gehandelt hat.

Was schließlich den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben angeht, so ist mit dem FG davon auszugehen, daß es grundsätzlich keinen solchen Verstoß bedeutet, wenn das FA über eine Lohnsteueraußenprüfung einen Punkt aufgreift und zur Grundlage eines Haftungsverfahrens macht, obgleich es den Punkt in früheren Lohnsteueraußenprüfungen nicht beanstandet hat. Ergibt sich allerdings aus einem Bericht, daß der Punkt aufgegriffen und trotz Prüfung - wenn auch zu Unrecht - nicht beanstandet worden ist, so kann das FA den Punkt zwar grundsätzlich erst von dem Zeitpunkt an zur Grundlage einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers machen, zu dem es ihn von neuem aufgegriffen hat (vgl. u. a. das Urteil des Senats VI 80/62 U vom 6. September 1963, BFH 77, 697, BStBl III 1963, 574). Dabei ist aber Voraussetzung, daß es sich bei beiden Prüfungen um die gleichen Verhältnisse handelt, daß also - auf den Streitfall bezogen - die Art der Mitwirkung und Heranziehung der Musiker durch den Steuerpflichtigen in dem der Prüfung 1949 zugrunde liegenden Zeitraum nicht anders war als in den Jahren, um die es im Streitfall geht. Denn nur in diesem Falle war der Steuerpflichtige berechtigt, auf die gleichbleibende Behandlung durch das FA zu vertrauen. Ob diese Voraussetzung auch im Streitfall gegeben ist, kann indessen dahingestellt bleiben. Wie das FG festgestellt hat, ist der Steuerpflichtige dem FA gegenüber erst wieder im Jahre 1961 durch die Abgabe von Lohnsteueranmeldungen als Arbeitgeber aufgetreten. Bei der Länge der Zeit, die inzwischen verstrichen ist, und im Hinblick darauf, daß der Steuerpflichtige seit jener Prüfung nicht mehr mit dem FA als Arbeitgeber zu tun gehabt hat, konnte und durfte der Steuerpflichtige, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, nicht annehmen, daß das FA alles in derselben Weise beurteilen würde wie zu jener Zeit. Praktisch stand der Steuerpflichtige, als er im Jahre 1961 über seine Lohnsteueranmeldungen dem FA gegenüber wieder als Arbeitgeber in Erscheinung trat, nicht anders da, als wenn er erstmals Arbeitnehmer beschäftigt hätte. Auch in diesem Falle aber wäre das FA nicht gehindert gewesen, den Steuerpflichtigen wegen der nicht einbehaltenen Lohnsteuer in Anspruch zu nehmen.

Schließlich steht, wie das FG mit Recht ausgeführt hat, auch der Umstand, daß der Steuerpflichtige sich nicht als Arbeitgeber angesehen hat, der heranziehung nicht entgegen. Entschuldbare Unkenntnis kann zwar unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit von Bedeutung sein. Im Streitfall ist die Rechtslage aber auch dem ersten Anschein nach keineswegs so unzweifelhaft gewesen, daß der Steuerpflichtige von einer Anfrage beim FA absehen konnte. Nicht zuletzt aber spielt in diesem Zusammenhang auch der Umstand eine Rolle, daß das FA wegen der unzureichenden Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen keine Möglichkeit hat, sich an die Musiker zu halten.

Der Anregung, einen Vorbescheid zu erlassen, konnte der Senat nicht entsprechen. Ein Vorbescheid setzt den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung voraus (vgl. § 159 FGO). Ein solcher Antrag ist aber nicht gestellt worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68167

BStBl II 1968, 726

BFHE 1968, 135

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