Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerb eines Wohngrundstücks, für das Zwangsverwaltung angeordnet wird: Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben des Zwangsverwalters

 

Leitsatz (NV)

  1. Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer Träger der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag oder Pachtvertrag ist. Dies gilt auch für den Erwerber eines zwangsverwalteten Wohngrundstücks.
  2. Der Erwerber einer zwangsverwalteten Immobilie, deren Mieterträge an die Grundpfandgläubiger ausgekehrt werden, leistet damit Vorauszahlungen auf die Anschaffungskosten, wenn er sich dem Veräußerer gegenüber verpflichtet hat, bei Fälligkeit des Kaufpreises die Grundpfandrechte abzulösen.
 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ZVG § 20 Abs. 1, § 146; HGB § 255 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb 1988 von ihren Eltern mehrere Teileigentumsrechte an mit Wohn- und Geschäftsgebäuden bebauten Grundstücken für 4 Mio. DM. Das Anwesen, für das in den Streitjahren (1989 bis 1991, 1993) Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung angeordnet war, war mit Grundpfandrechten in Höhe von insgesamt rund 5 Mio. DM belastet. Der Kaufpreis war am 31. Januar 1989 fällig, allerdings nicht vor Eintritt der Tatsache, dass vom Vertrag nicht mehr in Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts zurückgetreten werden kann. Die Klägerin war verpflichtet, mit dem Kaufpreis Grundpfandrechte in Höhe von 3,5 Mio. DM abzulösen, aber berechtigt, die Auszahlung an Gläubiger solange zurückzuhalten wie nicht gesichert ist, dass die Vermerke über Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gelöscht werden können.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin u.a. Schuldzinsen in Höhe von 45 000 DM (1989), 110 578,71 DM (1990), 113 675,23 DM (1991) und 62 119,98 DM (1993) geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) im Anschluss an eine Außenprüfung nicht zum Abzug als Werbungskosten zuließ. Der Prüfer hatte festgestellt, dass die Klägerin bis zum Zeitpunkt der Prüfung (1995) den Kaufpreis von 4 Mio. DM noch nicht bezahlt und auch noch keinen Kredit aufgenommen hatte. Der Zwangsverwalter hatte an die Grundpfandgläubiger ―Darlehensgläubiger der Verkäufer― die als Schuldzinsen geltend gemachten Beträge überwiesen, die zur Tilgung der Zins- und Darlehensforderungen verbucht worden waren.

Im Klageverfahren trug die Klägerin vor, der Zwangsverwalter habe die Mieten vereinnahmt und damit Verbindlichkeiten getilgt. Obwohl sie nicht persönliche Schuldnerin gewesen sei, habe sie die Zwangsmaßnahmen aus dem dinglichen Recht dulden müssen, sie sei deshalb wirtschaftliche Schuldnerin geworden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen als unbegründet ab. Die Mieteinnahmen seien in voller Höhe der Klägerin zugeflossen. Die vom Zwangsverwalter an die Grundpfandgläubiger abgeführten Zahlungen seien keine Werbungskosten. Die dingliche Belastung begründe für sich allein keinen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Maßgebend sei der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens. Die Grundschulden dienten als Sicherheit für die Kreditverbindlichkeiten der Veräußerer. Nach Übertragung des Eigentums auf die Klägerin sei der ursprünglich bestehende Zusammenhang mit den Einkünften der Eltern aufgelöst.

Hiergegen richten sich die Revisionen der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht und die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt. Zur Begründung trägt sie vor, in Höhe der von ihr geltend gemachten Schuldzinsen habe sie bereits keine Einnahmen erzielt. Während der im Streitjahr andauernden Zwangsverwaltung habe sie auf die Mittelverwendung keinen Einfluss gehabt. Dies obliege allein dem Zwangsverwalter. Jedenfalls seien die von ihm an die Gläubiger ausgekehrten Beträge als Schuldzinsen anzusehen und deshalb als Werbungskosten abzusetzen. Wenn sie die Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks zu versteuern habe, müsse sie auch die Schuldzinsen abziehen können. Sie habe zwar die Schuld der Veräußerer aus den Darlehensverträgen nicht mit übernommen, jedoch müsse ihr Einstehen im Rahmen der Zwangsverwaltung und ihre Inanspruchnahme aus den Mieteinnahmen wirtschaftlich wie eine "stillschweigende" Schuldübernahme gewürdigt werden. Schließlich lägen auch steuerrechtlich bedeutsame Abwehraufwendungen vor; denn das Gebäude, um das es hier gehe, sei vermietet.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und 45 000 DM (1989), 70 000 DM (1990), 100 000 DM (1991) und 62 120 DM (1993) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen, hilfsweise in Höhe dieser Aufwendungen keinen Zufluss von Einnahmen anzunehmen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revisionen der Klägerin, die der Senat gemäß § 73 Abs. 1 i.V.m. § 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbindet, sind unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

1. Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor. Das rechtliche Gehör wird durch das FG nicht bereits dadurch verletzt, dass es auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte, die die Klägerin vorgetragen hat, nicht ausdrücklich eingeht. Das Gericht ist im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs lediglich verpflichtet, die Ausführungen der Beteiligten zu berücksichtigen, nicht dagegen jede ihrer rechtlichen Auffassungen zu bescheiden.

2. Zutreffend ist das FG zunächst davon ausgegangen, dass die Klägerin als Vermieterin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt. Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht dagegen nicht, dass sie keinen Einfluss auf die Verwaltung habe ausüben können.

Die der Vollstreckungsschuldnerin ―hier, der Klägerin― durch die Anordnung der Zwangsverwaltung untersagte tatsächliche und rechtliche Verfügung über das beschlagnahmte Grundstück (§ 148 Abs. 2 i.V.m. § 146 Abs. 1, § 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ―ZVG―) wird durch den Zwangsverwalter als Vermögensverwalter i.S. von § 34 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) mit Wirkung für und gegen den Vollstreckungsschuldner ausgeübt (§ 150, § 152 Abs. 1 ZVG; Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. Mai 1993 XI R 47/91, BFH/NV 1994, 77, m.w.N.; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, § 34 Rz. 25). Dieser sind daher die Erträge aus der Verwaltungstätigkeit (hier: Mieteinnahmen) als eigene Einnahmen zuzurechnen, auch wenn sie dem Verwalter oder dem Vollstreckungsgläubiger zufließen (BFH-Urteil vom 16. April 2002 IX R 53/98, BFH/NV 2002, 1152, m.w.N.).

3. Im Ergebnis zu Recht hat das FG auch die Berücksichtigung der an die Grundpfandgläubiger ausgekehrten Beträge als Werbungskosten abgelehnt und darin keine steuerrechtlich abziehbaren Schuldzinsen gesehen.

a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Das setzt voraus, dass sie für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung ―hier aus Vermietung und Verpachtung― veranlasst ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn mit dem den Schuldzinsen zugrunde liegenden Darlehen die Herstellungs- oder Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes finanziert werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, und vom 23. Oktober 2001 IX R 65/99, BFH/NV 2002, 341).

Im Streitfall sind die durch die Grundpfandrechte gesicherten Darlehen zunächst von den Verkäufern zur Finanzierung des Anwesens verwendet worden, aus dem die Klägerin nunmehr Mieteinkünfte erzielt. Dieser Zusammenhang ist aber durch die Veräußerung des Grundstücks gelöst worden. Die Klägerin ist nicht Schuldnerin der Darlehen. Sie ist der Schuld ihrer Eltern auch nicht beigetreten. Sie erfüllt anders als bei einem Schuldbeitritt mit den ihr zurechenbaren Zahlungen des Zwangsverwalters keine eigene Schuld aus den Darlehensverträgen (vgl. zum Schuldbeitritt BFH-Urteil vom 3. Dezember 2002 IX R 14/00, BFH/NV 2003, 468; Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 29. Juni 2001 V ZR 186/00, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ―ZIP― 2001, 2006, unter II. 2. b aa), sondern leistet als Eigentümerin "auf" die Grundschuld (vgl. dazu eingehend Baur/ Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., 1999, § 45 Rz. 82, S. 533, m.w.N.). Ob die Klägerin ―wie sie behauptet― durch Vereinbarung mit ihren Eltern deren Schuld aus den Darlehen "stillschweigend" mit übernommen hat, kann hier dahinstehen; denn diese Vereinbarung wirkte sich lediglich im Innenverhältnis aus und führte nicht dazu, die Klägerin auch gegenüber den Gläubigern als Darlehensschuldnerin anzusehen.

b) Die vom Zwangsverwalter an die Grundpfandgläubiger ausgekehrten Erlöse bilden vielmehr (Voraus-)Zahlungen auf die Anschaffungskosten der Klägerin und sind bereits deshalb nicht als Werbungskosten ―auch nicht als Abwehrkosten (vgl. dazu BFH-Urteile vom 11. Mai 1993 IX R 25/89, BFHE 171, 445, BStBl II 1993, 751, und vom 19. Dezember 2000 IX R 66/97, BFH/NV 2001, 769)― sofort abziehbar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 215/78, BFHE 138, 44, BStBl II 1983, 410; vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, und IX R 52/00, BFHE 198, 85) sind Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines zur Erzielung von Überschuss-Einkünften vorgesehenen (abnutzbaren) Wirtschaftsguts regelmäßig nur im Rahmen der Absetzung für Abnutzung zu berücksichtigen. Demgemäß bleiben (Voraus-)Zahlungen auf Anschaffungskosten im Zeitpunkt ihrer Leistung einkommensteuerrechtlich zunächst ohne Auswirkung (BFH-Urteil vom 28. Juni 2002 IX R 51/01, BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758, m.w.N.). Als Anschaffungskosten wertet die Rechtsprechung auch Aufwendungen, die dem Erwerber durch den Ersatz von Kreditkosten des Veräußerers entstehen (BFH-Urteile vom 25. September 1990 IX R 45/86, BFH/NV 1991, 236, und vom 17. Februar 1981 VIII R 95/80, BFHE 133, 37, BStBl II 1981, 466).

Im Streitfall liegen Vorauszahlungen der Klägerin an ihre Eltern auf den Kaufpreis und mithin Anschaffungskosten vor. Mit dem Abführen der Beträge in der Zwangsverwaltung an die Grundpfandgläubiger begann sie damit, die Grundpfandrechte abzulösen. Nach dem vom FG in Bezug genommenen notariellen Grundstückskaufvertrag war der Kaufpreis von 4 Mio. DM zwar im Streitjahr wegen des weiterhin ausübbaren Rücktrittrechts nach §§ 3, 7 des Vertrages noch nicht fällig. Außerdem konnte die Klägerin die Auszahlung an die Gläubiger während der laufenden Zwangsverwaltung zurückhalten. Sie war indes bei Fälligkeit des Kaufpreises verpflichtet, den in bar noch zu bezahlenden Kaufpreisanteil von 3,5 Mio. DM zur Ablösung der Grundpfandrechte zu verwenden. Durch die an die Grundpfandgläubiger ausgekehrten Erlöse wurde bereits in den Streitjahren eine (teilweise) Befriedigung der Grundpfandgläubiger erreicht. Das hat zur Folge, dass die Klägerin gegenüber den Verkäufern bei Fälligkeit des Kaufpreises nicht mehr verpflichtet ist, 3,5 Mio. DM zur Ablösung der Grundpfandrechte zu verwenden, sondern einen Betrag, der um die im Wege der Zwangsverwaltung an die Gläubiger bereits ausgekehrten Beträge vermindert ist. Der Kaufpreis sollte insgesamt 4 Mio. DM nicht übersteigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 929078

BFH/NV 2003, 778

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