Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Es gibt keinen allgemeinen, für alle Steuergesetze geltenden Rechtsgrundsatz, daß Verbindlichkeiten bei der Besteuerung unberücksichtigt bleiben müssen, wenn die Vermögenswerte, mit denen diese Schulden wirtschaftlich zusammenhängen, bei der Steuer außer Betracht bleiben.

Zur Behandlung von Hypothekenschulden, die auf Häusern von Bauunternehmern ruhen, bei der Gewerbesteuer.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 1, § 12/2/1

 

Tatbestand

Die steuerpflichtige OHG, die ein Bauunternehmen betreibt, hat zum Bau von Häusern Hypotheken und 7 c)- Darlehen aufgenommen. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1957 sah der Prüfer diese Schulden als Dauerschulden an. Er erhöhte das Gewerbekapital entsprechend und rechnete die für diese Verbindlichkeiten gezahlten Zinsen dem Gewinn zu. Das Finanzamt (FA) berichtigte demgemäß die Gewerbesteuermeßbescheide für II/1948 bis 1954 und verfuhr in gleicher Weise bei der erstmaligen Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für 1955.

Der Einspruch und die Berufung der Steuerpflichtigen (Stpfl.) hiergegen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Ob die Stpfl. Grundstückshändlerin sei, könne dahingestellt bleiben; denn auch wenn man dies - entgegen der Ansicht des FA - bejahe, sei die Berufung nicht begründet. Der Reichsfinanzhof (RFH) habe im Urteil VI 627/39 vom 18. Oktober 1939 (Steuer und Wirtschaft - StuW - 1940 Nr. 13) entschieden, daß die auf verkäuflichen Betriebsgrundstücken eines Bauunternehmers ruhenden Schulden bei der Berechnung des Gewerbekapitals und des Gewerbeertrags auszuscheiden seien, wenn wegen dieses Grundbesitzes die Kürzungen nach § 9 Ziff. 1 und § 12 Abs. 3 Ziff. 1 GewStG vorzunehmen seien. Es sei ein allgemein gültiger Grundsatz des Steuerrechts, der sich aus der wirtschaftlichen Betrachtung ergebe, daß dann, wenn ein Wirtschaftsgut bei der Besteuerung nicht berücksichtigt werde, auch die damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten nicht berücksichtigt würden. Das sei in verschiedenen Steuergesetzen ausdrücklich niedergelegt, z. B. in § 74 Abs. 2 BewG und in § 23 Abs. 5 Satz 1 ErbStG. Wenn in einem Steuergesetz, wie z. B. im GewStG, keine ausdrückliche Vorschrift dieses Inhalts enthalten sei, so sei daraus nicht zu folgern, daß der Grundsatz hier nicht gelte. Die Anwendung des Grundsatzes bedeute keine unzulässige Erweiterung des Gesetzes. Die streitigen Beträge würden also im Streitfall nicht nach den Bestimmungen der §§ 8 Ziff. 1, 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG zugerechnet, weil die betreffenden Schulden Dauerschulden seien, sondern aus dem erwähnten allgemeinen Grundsatz des Steuerrechts.

Die Stpfl. trägt zur Begründung ihrer nach § 184 FGO als Revision zu behandelnden Rb. vor: Es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, daß Ausgaben nicht abgezogen werden dürften, wenn das Wirtschaftsgut, mit dem sie zusammenhingen, bei der Besteuerung ausscheide. Maßgebend sei der Wortlaut des Gesetzes. Das FG habe zu Unrecht die §§ 8 Ziff. 1 und 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG entgegen ihrem Wortlaut ausgelegt. Vorsorglich werde noch geltend gemacht, daß § 8 Ziff. 1 und § 12 Abs. 2 GewStG verfassungswidrig seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Grundlage für die Ermittlung des Gewerbeertrags ist nach § 7 GewStG der nach den Vorschriften des EStG ermittelte gewerbliche Gewinn und für das Gewerbekapital nach § 12 Abs. 1 GewStG der Einheitswert des Gewerbebetriebs. Sowohl der Gewinn als auch der Einheitswert sind jedoch nach den §§ 8 und 9 bzw. 12 GewStG durch bestimmte Zurechnungen und Kürzungen bei der Berechnung des Gewerbesteuermeßbetrags zu erhöhen oder zu ermäßigen. Diese Vorschriften tragen den Besonderheiten der Gewerbesteuer als Realsteuer Rechnung.

Das FG will außerhalb dieser Vorschriften auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise den Gewerbeertrag und das Gewerbekapital um die von der Stpfl. aufgenommenen Hypotheken und § 7 c)- Darlehen erhöhen, weil sie mit ihren verkäuflichen Betriebsvermögensgrundstücken zusammenhingen. Es beruft sich dabei auf das Urteil des RFH VI 627/39 (a. a. O.), in dem u. a. ausgeführt ist:

"Die zum Verkauf bestimmten Baugrundstücke und die auf ihnen erbauten Mietwohnhäuser eines Bauunternehmers sind, von Besonderheiten abgesehen, gleich den Waren Umlaufvermögen (RFH- Urteil VI 575/38 und 570/38 vom 14. 9. 1938, StuW 1938 Nr. 535, RStBl 1938 S. 1066). Wird nun mit fremden Geldern gebaut, so sind diese Schulden, auch soweit es sich um Hypothekenschulden handelt, die auf den gebauten Häusern lasten, nicht den Schulden nach § 8 Ziff. 1 GewStG zuzurechnen. Die folgerichtige Durchführung der Bestimmungen der §§ 9 Ziff. 1 und 12 Abs. 3 Ziff. 1 GewStG erfordert jedoch, Schulden, die derart eng mit den Betriebsgrundstücken verbunden sind, daß wirtschaftlich betrachtet das Grundstück mit den darauf ruhenden Hypothekenschulden das Verkehrsgut darstellt, bei der Berechnung des Gewerbekapitals und des Gewerbeertrags gleichfalls auszuscheiden. Im Ergebnis sind sie somit ähnlich den Schulden nach § 8 Ziff. 1 GewStG zu behandeln".

Der Auffassung des FG, die streitigen Verbindlichkeiten seien ohne Rücksicht darauf, ob sie Dauerschulden wären, wegen ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit den von der Stpfl. errichteten Häusern wie Dauerschulden zu behandeln, ist nicht zu folgen. Es gibt keinen allgemeinen, für alle Steuergesetze geltenden übergeordneten Rechtsgrundsatz, daß Schulden steuerlich nicht abzugsfähig sind, wenn sie in engem Zusammenhang mit einem Wirtschaftsgut stehen, das bei der Besteuerung außer Betracht bleibt. Einige Vorschriften sprechen dies zwar aus. Außer den vom FG angeführten Bestimmungen beruht auch § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG auf dieser Erwägung. Gleichwohl ist es nicht angängig, aus diesen Vorschriften einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts abzuleiten, wie das FG ihn aufstellt. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise des Steuerrechts kann nicht dazu führen, einen so weittragenden Grundsatz als allgemein verbindlich auch dann anzuwenden, wenn der Gesetzeswortlaut keinen Anhalt dafür bietet, vor allem, wenn dadurch die Besteuerung, wie im Streitfall, verschärft würde (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - III 193/60 S vom 11. Dezember 1964, BStBl 1965 III S. 82, Slg. Bd. 81 S. 222).

Die Rechtsauslegung des FG ist auch mit den Besonderheiten des Gewerbesteuerrechts nicht zu vereinbaren. Die Regelungen in § 9 Ziff. 1 und § 12 Abs. 3 Ziff. 1 GewStG dienen der Abgrenzung gegenüber der Grundsteuer und sollen sicherstellen, daß Grundstücke nur bei einer dieser beiden Realsteuern als Bemessungsgrundlage dienen. Dieses Ziel, eine doppelte Erfassung des gleichen Vermögensgegenstandes zu verhindern, würde durch den vom FG behaupteten übergesetzlichen Rechtsgrundsatz in Frage gestellt. Die eingehende gesetzliche Regelung über die Zurechnungen zum Gewinn bzw. Einheitswert des Betriebsvermögens in den §§ 8 und 12 GewStG schließt die Rechtsauslegung des FG aus.

Es bestehen im übrigen Bedenken gegen den Ausgangspunkt des FG, die Grundstücke seien durch diese Vorschriften von der Gewerbesteuer völlig ausgenommen. Nach § 9 Ziff. 1 GewStG ist zwar der nach den Bestimmungen des EStG ermittelte Gewinn um 3 v. H. des Einheitswertes zu kürzen. Durch diese Pauschregelung soll allerdings der Grundstücksertrag von der Heranziehung zur Gewerbesteuer ausgeschlossen werden. Bei einem über dem Durchschnittsertrag liegenden Gewinnanteil aus dem Grundbesitz ist dies jedoch nicht der Fall.

Die Rechtsauslegung des FG ist vor allem auch mit der eindeutigen Regelung des § 7 GewStG nicht zu vereinbaren. Der Gewinn, der die Grundlage des Gewerbeertrags bildet, ist nach den Vorschriften des EStG zu ermitteln. Die Zinsen für die Schulden, die auf den zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken lasten, sind aber ohne Zweifel Betriebsausgaben und mindern den Gewinn. Das FG legt letzten Endes den Begriff "Gewinn im Sinne des EStG" unrichtig aus, wenn es mit dem behaupteten allgemeinen Rechtssatz Schuldzinsen als Betriebsausgaben nicht gewinnmindernd berücksichtigt.

Nach allem ist demnach die der Vorentscheidung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung nicht zu billigen. Das FG hat bisher zu der eigentlichen Streitfrage, ob die Hypotheken und 7 c)- Darlehen Dauerschulden sind, nicht Stellung genommen. Hierauf kommt es für die Entscheidung jedoch in erster Linie an. Dabei ist es wesentlich, ob die mit Hilfe der Fremdmittel errichteten Häuser zum Anlage- oder Umlaufvermögen der Stpfl. gehörten, und ob das für die Gewerbesteuer von Bedeutung ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411995

BStBl III 1966, 316

BFHE 85, 293

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