Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ist ein Wohnungsunternehmen auf Grund des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 29. Februar 1940 (Reichsgesetzblatt I S. 438) und der das Gesetz ergänzenden Vorschriften als gemeinnützig anerkannt, so sind damit die subjektiven Voraussetzungen für die Befreiung von der Grundsteuer nach § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG als erfüllt anzusehen.

Verwaltungsräume einer gemeinnützigen Körperschaft usw., die zur Erfüllung ihrer steuerbegünstigten Zwecke unentbehrlich sind, müssen als für die steuerbegünstigten Zwecke (denen die Verwaltung gilt) unmittelbar benutzt gelten. Ebenso müssen Verwaltungsräume, die zur Verwaltung von steuerbefreitem Grundbesitz unentbehrlich sind, als den begünstigten Zwecken gewidmet angesehen werden. Verwaltungsräume, die der Verwaltung von steuerpflichtigem Grundbesitz, insbesondere von Wohnungsgrundstücken dienen, werden zu keinem steuerbegünstigten Zweck benutzt und sind daher nicht von der Grundsteuer befreit.

 

Normenkette

GrStG § 4/3/b

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Grundstück M. in N. teilweise von der Grundsteuer zu befreien ist. Das Grundstück gehört der ... Baugesellschaft GmbH N., die als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen anerkannt ist. Die Steuerpflichtige (Stpfl.) benutzt das Grundstück zu einem Teil für Verwaltungszwecke; außerdem enthält es drei Wohnungen. Das Finanzamt hat die Befreiung versagt; es ist der Auffassung, daß die Stpfl. als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetzes (GrStG) fällt. Das Finanzgericht dagegen hat den für die Verwaltungszwecke benutzten Teil des Grundstücks von der Grundsteuer befreit.

Die Entscheidung der Vorinstanz beruht auf folgenden Erwägungen: In § 6 a der Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes für den ersten Hauptveranlagungszeitraum (GrStDV) sei zwar bestimmt, daß für den Begriff "gemeinnützige Zwecke" im Sinne des GrStG der § 17 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und die Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (GemV) gelte. Diese Bestimmung könne aber nicht dahin verstanden werden, daß die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen von der Grundsteuerbefreiung ausgeschlossen sein solle. Es gebe nur eine Gemeinnützigkeit, die den steuerlichen Schutz genieße. Das Steuerrecht kenne auch nur die eine Begriffsbestimmung der Gemeinnützigkeit in § 17 StAnpG. Auch Wohnungsunternehmen müßten im Grund die Voraussetzungen des § 17 StAnpG erfüllen, wenn sie als gemeinnützig anerkannt werden wollten. Für sie seien allerdings besondere Bestimmungen ergangen, die die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit im einzelnen festlegten und das Anerkennungsverfahren regelten. Es sei dies ursprünglich in der Verordnung über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 1. Dezember 1930 (Reichsgesetzblatt I S. 593) geschehen; an die Stelle dieser Verordnung sei dann das Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGG) vom 29. Februar 1940 (Reichsgesetzblatt I S. 438, Reichssteuerblatt S. 309) und die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGGDV) vom 23. Juli 1940 (Reichsgesetzblatt I S. 1012, Reichssteuerblatt S. 685) getreten. Die Besonderheiten bei den Wohnungsunternehmen hätten diese besondere Regelung erforderlich gemacht. Es sei aber nie zweifelhaft gewesen, daß die Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen für alle Steuerarten gleichmäßig wirksam sei (vgl. Kennerknecht, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 4 Anmerkung 95). Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb Wohnungsunternehmen in der Form einer juristischen Person, die nach der Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienten, nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG fallen sollten, wenn sie auf Grund des WGG als gemeinnützig anerkannt seien; denn die Anerkennung erfolge nur dann, wenn das Unternehmen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken diene und sein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb über den Rahmen einer Vermögensverwaltung nicht hinausgehe (ß 1 WGG). Diese Vorschrift zeige deutlich, daß das WGG auf § 17 StAnpG abgestimmt sei. Wenn § 9 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) ausdrücklich die persönliche Steuerbefreiung der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen hervorhebe, so liege darin keine Erweiterung und Ergänzung des Gesetzes. Es handle sich vielmehr lediglich um die Durchführung des Gesetzes. Der eigentliche Grund für die Befreiung liege in der Gemeinnützigkeit und den Vorschriften des § 17 StAnpG und § 4 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes. über die gesetzliche Regelung hinaus weitere persönliche Steuerbefreiungen einzuführen, wäre der Verordnungsgeber nicht ermächtigt gewesen. Ebensowenig könne die GrStDV die auf § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG und § 17 StAnpG beruhende Grundsteuerbefreiung der als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmen ausschließen, was offenbar auch nicht im Sinn des § 6 a GrStDV liege. Demnach habe die Stpfl. für den Teil ihres Grundstücks, den sie für ihre Verwaltungszwecke und damit ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke verwende, einen Anspruch auf die Grundsteuerbefreiung.

In der Rechtsbeschwerde wird vom Vorsteher des Finanzamts geltend gemacht, es falle auf, daß die Förderung des Wohnungsbaus als gemeinnütziger Zweck in § 17 Abs. 3 StAnpG unerwähnt geblieben sei. Hinzu komme, daß im WGG selbst (Fassung vom 29. Februar 1940) jeglicher Hinweis fehle, daß die anerkannten Wohnungsunternehmen gemeinnützig im Sinne des § 17 StAnpG seien. Das sei um so beachtlicher, als die genannte Fassung des WGG erst nach dem StAnpG vom 16. Oktober 1934 erschienen sei. Von ausschlaggebender Bedeutung sei jedoch, daß nach § 6 a GrStDV für den Begriff "gemeinnützige Zwecke" nur § 17 StAnpG und die GemV gelten würden. Gemäß § 3 Ziff. 2 GemV a. F. und § 4 Abs. 2 Ziff. 1 GemV n. F. sei die Ausschließlichkeit unter anderem davon abhängig, daß die Gesellschafter keine Gewinnanteile erhielten. Nach § 19 des Gesellschaftsvertrags der GmbH stehe aber den Gesellschaftern ein Anspruch auf Gewinnanteile zu. Schon aus diesem Grunde verfolge die Gesellschaft nicht ausschließlich gemeinnützige Zwecke im Sinne der GemV. In diesem Zusammenhang werde die Bedeutung des § 9 KStDV klar. Wegen der zulässigen Gewinnverteilung, die in den Gesellschaftsverträgen der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften als Anspruch der Gesellschafter in der Regel vereinbart worden sei, genüge zur Freistellung der Wohnungsbaugesellschaften von der Körperschaftsteuer nicht § 4 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes und § 8 KStDV; vielmehr habe es noch der ausdrücklichen Bestimmung in § 9 KStDV bedurft.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:

I. - Erste Voraussetzung für die Befreiung des Grundbesitzes von der Grundsteuer nach § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG ist in subjektiver Beziehung: Der Grundbesitz muß einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gehören, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient. Der erkennende Senat ist in übereinstimmung mit der Vorinstanz der Auffassung, daß die Stpfl. nach der subjektiven Seite hin die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG erfüllt; in der Begründung vermag er jedoch der Vorentscheidung nicht in allen Punkten zu folgen.

Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, daß Wohnungsunternehmen nach § 1 Abs. 1 WGG nur dann als gemeinnützig gelten, wenn sie auf Grund dieses Gesetzes anerkannt sind. über die Anerkennung wird in einem besonderen Anerkennungsverfahren entschieden. Die Anerkennung selbst wird nicht durch die Behörden der Finanzverwaltung, sondern durch die zuständigen Anerkennungsbehörden (ß 16 WGG) ausgesprochen. Allerdings ist die Oberfinanzdirektion, in deren Bezirk das Wohnungsunternehmen seinen Sitz hat, an dem Verfahren beteiligt. Ihr ist vor einer Entscheidung Gelegenheit zur äußerung zu geben. Sie kann auch die Entziehung der Anerkennung beantragen (ß 20 WGG). Die Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen ist für die Steuerbehörden bindend (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 35/42 vom 28. November 1942, Slg. Bd. 52 S. 272, Reichssteuerblatt 1942 S. 1147, und Abschnitt 18 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1950). Es ist deshalb von diesen Behörden nur zu prüfen, ob das Wohnungsunternehmen in dem maßgebenden Zeitabschnitt oder in dem maßgebenden Zeitpunkt als gemeinnützig anerkannt war. In dem zur Entscheidung stehenden Fall besteht kein Streit darüber, daß die Anerkennung vorliegt.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen sind im WGG (§§ 2 bis 15) und in der WGGDV (§§ 1 bis 16) enthalten. Es kann daher nicht ohne weiteres gesagt werden, daß auch Wohnungsunternehmen im Grunde die Voraussetzungen des § 17 StAnpG erfüllen müßten, wenn sie als gemeinnützig gelten sollen. Abzulehnen ist jedenfalls die Auffassung der Vorinstanz, daß nach § 1 Abs. 2 WGG die Anerkennung nur dann erfolge, wenn das Unternehmen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken diene und sein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehe. Das kann aus § 1 Abs. 2 WGG nicht entnommen werden. Diese Vorschrift sagt vielmehr: Wohnungsunternehmungen, die auf Grund dieses Gesetzes (des WGG) als gemeinnützig anerkannt sind, gelten als Unternehmen, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecke dienen und deren wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Das bedeutet etwas ganz anderes, als die Vorinstanz angenommen hat.

Die weitere Frage ist, ob die als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmen unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG fallen können. Die Frage ist zu bejahen. Die Möglichkeit, in subjektiver Hinsicht unter diese Befreiungsvorschrift zu fallen, besteht für alle inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach ihrer Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen. Da bei den als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmen unterstellt ist, daß sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen (ß 1 Abs. 2 WGG), muß angenommen werden, daß mit der Anerkennung der subjektiven Voraussetzungen der Befreiung auch für die Grundsteuer als erfüllt anzusehen sind. Die Vorschrift des § 6 a GrStDV, wonach für den Begriff der gemeinnützigen Zwecke im Sinne des GrStG § 17 StAnpG und die GemV gelten, kann nicht dahin verstanden werden, daß durch sie die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG in diesen Fällen ausgeschlossen werden sollte. Bei dieser Rechtslage erübrigt es sich, auf das Verhältnis von § 9 KStDV zu § 4 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes einzugehen, zumal sich das obengenannte Urteil des Reichsfinanzhofs VI a 35/42 hierüber ausläßt. Bei der Grundsteuer reicht es jedoch (wie bei einigen anderen Steuern) nicht aus, daß die in der Person des Steuerpflichtigen geforderten Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt sind; es wird noch eine weitere sachliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung verlangt. Die Prüfung, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, obliegt den Steuerbehörden.

II. - Zweite Voraussetzung für die Befreiung des Grundbesitzes von der Grundsteuer nach § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG ist in objektiver Beziehung: Der Grundbesitz muß vom Eigentümer unmittelbar für gemeinnützige Zwecke benutzt werden. Die Vorinstanz hat ohne nähere Begründung angenommen, daß diese Voraussetzung bei der Stpfl. erfüllt sei. Dem kann nicht ohne weiteres gefolgt werden.

Zunächst hat das Finanzgericht offensichtlich übersehen, daß ausschließlich Benutzung für den begünstigten Zweck gar nicht gefordert wird. Das Erfordernis der Ausschließlichkeit gilt in § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG nur in subjektiver Hinsicht (also nur hinsichtlich der Zweckverfolgung durch die Körperschaft usw.), nicht jedoch in objektiver Hinsicht, das heißt für die Grundstücksbenutzung.

Die Vorinstanz hat nicht festgestellt, für welche Verwaltungszwecke die Räume, für die von der Stpfl. die Steuerbefreiung begehrt wird, benutzt werden. Der erkennende Senat ist auch noch nicht mit der Frage befaßt worden, ob und inwieweit Grundstücke (Grundstücksteile), die gemeinnützige Körperschaften usw. für Verwaltungszwecke verwenden, von der Grundsteuer zu befreien sind. An sich ist die Verwendung eines Grundstücks (Grundstücksteils) für Verwaltungszwecke keine unmittelbare Verwendung für einen gemeinnützigen Zweck. Es kann jedoch nicht unbeachtet bleiben, daß eine Körperschaft usw., die gemeinnützige Zwecke verfolgt, zur Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke auch Verwaltungsräume braucht; derartige Räume sind zur Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke meist unentbehrlich und müssen deshalb in diesen Fällen als für die steuerbegünstigten Zwecke unmittelbar benutzt behandelt werden. Das gleiche muß für Verwaltungsräume gelten, die für die Verwaltung von steuerbefreitem Grundbesitz unentbehrlich sind; auch solche Verwaltungsräume sind als den Zwecken unmittelbar gewidmet anzusehen, zu denen der verwaltete Grundbesitz selbst benutzt wird. Im Streitfall hat die Stpfl. - wie aus den Akten zu ersehen ist - keinen steuerbefreiten Grundbesitz, sondern nur steuerpflichtige Grundstücke (in der Hauptsache Wohngrundstücke, die allenfalls nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz begünstigt sind); Verwaltungsräume, die der Verwaltung solchen Grundbesitzes dienen, werden zu keinem steuerbegünstigten Zweck benutzt und sind daher nicht von der Grundsteuer befreit. Da die Vorinstanz insoweit die Rechtslage verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten überprüfung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Ergibt die überprüfung, daß die streitigen Verwaltungsräume sowohl zu steuerbegünstigten als auch zu nicht steuerbegünstigten Zwecken benutzt werden, und ist eine räumliche Abgrenzung für die einzelnen Zwecke nicht möglich, so ist nach § 6 Abs. 3 GrStG zu verfahren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408090

BStBl III 1955, 63

BFHE 1955, 165

BFHE 60, 165

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