Leitsatz (amtlich)

Auch verbindliche Teilungsanordnungen des Erblassers sind für die Besteuerung des Erbanfalls des einzelnen Miterben ohne Bedeutung (Aufgabe des Urteils vom 16. März 1977 II R 11/69, BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640 ). Das gilt auch für den Fall der qualifizierten Nachfolge in einen vererblich gestellten Anteil an einer Personengesellschaft.

 

Normenkette

ErbStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 23; ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 12

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die am 18. April 1970 verstorbene Mutter der Kläger hat durch Testament ihre Kinder, die beiden Kläger und deren Bruder, nach gleichen Anteilen zu Erben eingesetzt. Sie hat weiterhin als Teilungsanordnung bestimmt, daß der Bruder der Kläger als ihr Nachfolger in die OHG X eintreten solle. Unter Anordnung von Testamentsvollstreckung hat sie den Testamentsvollstreckern aufgegeben, den Nachlaß unter den Erben unter Ausgleichung der Teilungsanordnung auseinanderzusetzen. Im Zuge der Auseinandersetzung erhielt die Klägerin eine Forderung gegen den in die OHG nachrückenden Bruder in Höhe von insgesamt 300 482,26 DM, wovon 30 000 DM sofort zu zahlen (bzw. zu verrechnen) und der Rest in 120 Monatsraten zu tilgen war. Der Kläger erhielt im Zuge der Auseinandersetzung eine Forderung gegen seinen Bruder in Höhe von insgesamt 522 122,32 DM, die in Höhe von 50 000 DM sofort zahlbar (bzw. zu verrechnen) und der Rest in 120 Monatsraten zu tilgen war. Außer am Hausrat ist der in die OHG nachrückende Bruder an den Nachlaßgegenständen -- ausgenommen der Gesellschaftsbeteiligung -- nicht beteiligt worden.

Der Gesellschaftsvertrag der OHG bestimmte, daß im Falle des Ablebens eines der Gesellschafter grundsätzlich seine Erben an seine Stelle treten sollten; im Interesse einer geschlossenen Geschäftsführung und der Erhaltung der Kapitalkraft des Unternehmens sollte jedoch stets nur eine einzige Person aus dem Kreis dieser Erben als "Nachfolger" anstelle des Verstorbenen in die Gesellschaft und die Firma eintreten. In dem Gesellschaftsvertrag wurde u. a. weiter die Nachfolge nach einem bereits verstorbenen Gesellschafter festgestellt und für einen anderen, noch lebenden Gesellschafter die Erblasserin als Nachfolger bestimmt. Zwei Gesellschaftern wurde die Bestimmung des Nachfolgers durch Testament eingeräumt. Die Erblasserin war zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen noch nicht Gesellschafterin.

Durch vorläufigen Steuerbescheid vom 20. November 1975 setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen die Klägerin 25 090 DM Erbschaftsteuer fest. In die Besteuerungsgrundlage bezog es ein Drittel des Nachlaßvermögens unter Außerachtlassung der Gesellschaftsbeteiligung und das abgezinste Abfindungsguthaben ein. Gegen den Kläger setzte das FA durch vorläufigen Steuerbescheid vom gleichen Tage nach dem nämlichen Berechnungsmodus Erbschaftsteuer in Höhe von 22 158,50 DM fest.

Die Einsprüche wurden unter gleichzeitiger endgültiger Festsetzung der Erbschaftsteuer in jeweils gleicher Höhe als unbegründet zurückgewiesen. Den Klagen, mit denen die Kläger die Aufhebung der Steuerfestsetzungen begehren, hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben.

Mit den zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Revisionen beantragt das FA, die Klagen unter Aufhebung der angefochtenen Urteile abzuweisen. Es rügt Verletzung materiellen Rechts.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind unbegründet. Dem FG kann allerdings nicht darin gefolgt werden, die im Testament erfolgte Nachfolgerbenennung habe zivilrechtlich nicht die Folge gehabt, daß der Bruder der Kläger den Gesellschaftsanteil der Erblasserin unmittelbar im ganzen erworben habe. Das angefochtene Urteil erweist sich im Ergebnis jedoch als richtig, weil die derart vorweggenommene Teilung erbschaftsteuerrechtlich irrelevant ist.

1. Zivilrechtlich sind gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklauseln nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Zweifel dahin auszulegen, daß sie den Gesellschaftsanteil vererblich stellen. Sofern eine solche gesellschaftsvertragliche Klausel den Weg dazu öffnet, vollzieht sich die Nachfolge in die Mitgliedschaft eines persönlich haftenden Gesellschafters nach Erbrecht (BGH-Urteil vom 10. Februar 1977 II ZR 120/75, BGHZ 68, 225). Ist der Gesellschaftsanteil gesellschaftsrechtlich und erbrechtlich einem von mehreren Miterben von Todes wegen zugewandt, so erwirbt dieser den Anteil unmittelbar im ganzen und es gehört der Wert des Anteils zum Nachlaß (vgl. das o. a. BGH-Urteil in BGHZ 68, 225, und den Beschluß des Bayerischen obersten Landesgerichts vom 27. Juni 1980 BReg. 1 Z 47/80, Der Betrieb -- DB -- 1980, 2028).

Der für die OHG maßgebende Gesellschaftsvertrag hat die Gesellschaftsanteile vererblich gestellt. Soweit das FG davon ausgegangen ist, die Benennung nur eines von mehreren Miterben als Nachfolger sei nur denjenigen Gesellschaftern gestattet, für die im Vertrag entweder der Nachfolger bestimmt oder denen nachgelassen wurde, den Nachfolger durch Testament zu bestimmen, ist seiner Vertragsauslegung nicht zu folgen. Aus der grundsätzlichen Vererblichstellung der Gesellschaftsanteile einerseits und dem eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsschließenden andererseits, daß möglichst nur eine Person als Nachfolger benannt werden solle, ergibt sich vielmehr, daß -- soweit noch nicht geschehen -- grundsätzlich jeder Gesellschafter zumindest berechtigt ist, einen aus dem Kreis seiner Erben kraft letztwilliger Verfügung zum Nachfolger zu bestimmen. Von diesem Recht hat die Erblasserin Gebrauch gemacht. Der Bruder der Kläger hat auf diese Weise den Gesellschaftsanteil mit dem Tod unmittelbar im ganzen erworben.

2.a) Als der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes -- ErbStG -- 1959) gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 (s. nun § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) u. a. der Erwerb durch Erbanfall. Unter Erbanfall ist der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den oder die mehreren Erben i. S. von § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu verstehen. Dieser Anfall ist bei einer Mehrheit von Erben beim jeweiligen Miterben entsprechend seiner Erbquote (vgl. § 2047 Abs. 1 BGB) erbschaftsteuerrechtlich zu erfassen, mit der Folge, daß es für die Besteuerung auch bei einer Teilung in Natur durch Auseinandersetzungsvertrag unerheblich ist, welche Gegenstände oder Vermögensmassen dem einzelnen Miterben im Zuge der Auseinandersetzung übertragen werden. Da im vorliegenden Fall keine Vorempfänge auszugleichen waren (vgl. §§ 2050 ff. BGB), kann die Frage offenbleiben, ob trotz der Unabänderlichkeit der Erbquote in einem solchen Fall aus erbschaftsteuerrechtlichen Gründen (vgl. auch § 13 ErbStG 1959) die Abrechnung (§§ 2055, 2056 BGB) bei der Besteuerung des Erbanfalls zu berücksichtigen wäre.

b) Ebenso wie das Ergebnis einer frei unter den Miterben vereinbarten Auseinandersetzung für die Besteuerung des Erwerbs durch Erbanfall ohne Bedeutung ist, ist auch die Teilung in Befolgung einer bloßen Teilungsanordnung des Erblassers (§ 2048 BGB) erbschaftsteuerrechtlich unbeachtlich. Die Teilungsanordnung, der lediglich schuldrechtliche Wirkung zukommt -- die also weder ein "Erbrecht" noch einen dinglichen Anspruch hinsichtlich der einzelnen zugewiesenen Gegenstände oder Vermögensmassen begründet --, hat als solche nicht die Wirkung, daß ein Miterbe mehr oder weniger als seinen Erbteil erhält. Die Rechtsprechung hatte ihr deshalb früher keinen Einfluß auf die Erbschaftbesteuerung eingeräumt (vgl. schon die Urteile des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 26. November 1936 III e A 66/36, RStBl 1937, 6, und vom 14. März 1940 III e A 28/38, RFHE 48, 196, sowie das Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. Juni 1960 II 254/57 U, BFHE 71, 266, BStBl III 1960, 348 ). Die Entscheidung des Senats vom 16. März 1977 II R 11/69 (BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640 ) hat allerdings Teilungsanordnungen mit unmittelbarer Verbindlichkeit einerseits wegen der einem Vermächtnisnehmer vergleichbaren Stellung des jeweiligen Miterben und andererseits im Hinblick auf die im tatsächlichen Bereich liegende Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen bloßer Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis erbschaftsteuerrechtlicher Erheblichkeit zugemessen. An ihr hält der Senat nicht mehr fest.

Der Erwerb i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 durch Erbanfall ist allein der durch Erbfolge eingetretene (dingliche) Vermögenszuwachs. Soweit ein Anspruch eines von mehreren Erben auf Übereignung von bestimmten Nachlaßgegenständen nicht auf einem (Voraus-)Vermächtnis beruht, muß er erbschaftsteuerrechtlich außer Betracht bleiben. Denn Steuertatbestand ist der Erwerb "durch Erbanfall" (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 = § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) und nicht der Erwerb "auf Grund" eines Erbfalles, d. h. das Ergebnis der Abwicklung des Erbfalles.

Die Besteuerung des Erbanfalls beim Alleinerben beschränkt sich notwendig auf den Wert der Erbschaft, der sich dadurch ergibt, daß die übergegangenen Vermögensgegenstände mit ihrem steuerlichen Wert (vgl. § 23 ErbStG 1959) abzüglich der Erblasser- und Erbfallschulden (einschließlich Vermächtnislasten usw.) zugrunde gelegt werden. Folgerichtig kann bei der Besteuerung einer Mehrheit von Erben lediglich der Anteil des einzelnen Miterben an dem durch den Erbfall in Gesamthandseigentum übergegangenen Nachlaß, bewertet mit seinem steuerlichen Wert, als Obergrenze angesetzt werden.

c) Die Sondernachfolge in einen Gesellschaftsanteil im Sinne der hier vorliegenden sog. qualifizierten Nachfolge ist als eine mit dem Erbfall wirksam gewordene, gegenständlich begrenzte Erbauseinandersetzung anzusehen. Zwar kommt ihr aus Gründen des Gesellschaftsrechts unmittelbare dingliche Wirkung zu, so daß der Gesellschaftsanteil nicht zum gesamthänderisch gebundenen Vermögen der Erbengemeinschaft gehört, doch tritt diese Folge nicht nur bei qualifizierter, sondern auch bei einfacher Nachfolge ein. Auch wenn sämtliche Miterben in die vererblich gestellte Gesellschafterstellung des Erblassers eintreten (einfache Nachfolge), geht diese auf die Nachfolgeerben unmittelbar über und fällt nicht in das Gesamthandsvermögen der Miterbengemeinschaft (vgl. das o. a. BGH-Urteil in BGHZ 68, 225; s. auch Ulmer, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, München 1980, Tz. 26 zu § 727 mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur, entspricht Münchener Kommentar). Hinsichtlich jedes Miterben kommt es somit zur Sondernachfolge in den seiner Erbquote entsprechenden Teil der vererbten Gesellschaftsbeteiligung. Damit erweist sich der hier vorliegende Fall der qualifizierten Nachfolge in einen Gesellschaftsanteil als ein gesellschaftsrechtlich besonders ausgestalteter Unterfall einer bloßen Teilungsanordnung, die für die Erbschaftsbesteuerung ohne Bedeutung ist.

d) Der Senat kann in diesem Rechtsstreit nicht darüber befinden, ob und gegebenenfalls welche Rechtsauswirkungen sich aus der oben dargelegten Rechtsauffassung für eine Erbfolge nach der Höfeordnung (HöfeO) ergeben (vgl. zur bisherigen Auffassung die Urteile des Senats vom 28. Juli 1976 II R 145/71, BFHE 120, 401, BStBl II 1977, 79 , und vom 23. März 1977 II R 35/71, BFHE 122, 537, BStBl II 1977, 730 ).

 

Fundstellen

Haufe-Index 426008

BStBl II 1983, 329

BFHE 1982, 500

NJW 1983, 2288

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