Leitsatz (amtlich)

Bei einem Arbeitnehmer, der nach einem Tarifvertrag keine Zuschläge der in § 34 a EStG 1971 bezeichneten Art oder nur Zuschläge für eine der dort begünstigten Arten von Arbeit (z. B. Feiertagsarbeit) erhält, können Zuschläge, die er aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelarbeitsvertrages für andere als diese begünstigten Arten von Arbeit (z. B. Sonntags- und Nachtarbeit) erhält, nach Maßgabe des § 34 a Abs. 2 EStG 1971 steuerfrei bleiben.

 

Normenkette

EStG 1971 § 34a

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) zahlte in den Streitjahren 1963 bis 1965 an ihre Pförtner Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit. Im Anschluß an eine Prüfung hatte der Beklagte und Revisionskläger (FA) diese Zuschläge der Lohnsteuer unterworfen und die Klägerin für die nachgeforderte Lohnsteuer haftbar gemacht, weil es sich nicht um tarifliche Zuschläge handle; denn der einschlägige Manteltarifvertrag sehe für Pförtner zwar Zuschläge für Feiertagsarbeit, aber keine Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit vor.

Die Klage wurde abgewiesen. Das FG folgte der Ansicht der Klägerin, die streitigen Zuschläge seien aus den von ihr vorgebrachten Gründen wie tariflich vereinbarte Zuschläge zu behandeln, nicht.

Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung Revision ein.

Mit Urteil vom 5. Februar 1971 VI R 75/68 bestätigte der Senat die Auffassung des FG, daß die streitigen Zuschläge nicht nach § 34 a Abs. 1 EStG i. d. F. des Art. 1 Nr. 4 StÄndG 1971 vom 23. Dezember 1970 (BGBl I, 1856, BStBl I 1971, 8) steuerfrei bleiben könnten, weil es sich nicht um tarifvertragliche Zuschläge im Sinne dieser Vorschrift handle. Er verwies die Sache aber an das FG zurück zur Prüfung, ob Steuerfreiheit der Zuschläge nach § 34 a Abs. 2 n. F. EStG gegeben sei.

Im zweiten Rechtsgang trug die Klägerin vor, den Pförtnern seien u. a. folgende Zuschläge gezahlt worden: Für Sonntagsarbeit 75 v. H. des Grundlohns und für gelegentliche Nachtarbeit 20 v. H. des Grundlohns. Sie machte geltend, diese Zuschläge seien steuerfrei, soweit sie sich in den Grenzen des § 34 a Abs. 2 EStG n. F. hielten, und beantragte, die Nachforderungsbeträge auf 728 DM Lohnsteuer und 60,80 DM Kirchensteuer herabzusetzen.

Mit der Vorentscheidung hat das FG die Frage, ob die streitigen Zuschläge als "in anderen Fällen" im Sinne des § 34 a Abs. 2 EStG n. F. geleistet zu behandeln seien, bejaht. Nach Wortlaut und Sinn des neugefaßten § 34 a Abs. 2 EStG solle gerade bezweckt werden, daß Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit auch dann steuerbegünstigt seien, wenn sie nicht auf Gesetz oder Tarifvertrag beruhten, sondern eine andere Grundlage hätten, wie z. B. Betriebsvereinbarung, Einzelarbeitsvertrag u. ä. Diese Gesetzesauslegung werde durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Januar 1969 1 BvR 723/65 (BStBl II 1969, 253) bestätigt. Der Ansicht des FA und des BdF im Erlaß vom 24. Mai 1971 (BStBl I 1971, 313), für die Anwendung des § 34 a Abs. 2 EStG n. F. sei grundsätzlich ein nicht tarifgebundenes Arbeitsverhältnis zu fordern, könne nicht gefolgt werden, da das eine unzulässige Einschränkung der in Frage stehenden Steuerbegünstigung darstellen würde, die nach ihrer Entwicklungsgeschichte nicht beabsichtigt sein könne. Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sollten vielmehr in jedem Fall steuerlich begünstigt werden. Ob der zuständige Tarifvertrag hinsichtlich solcher Zuschläge etwas anderes aussage, sei ohne Belang.

Zur Begründung seiner Revision führt das FA aus, da die tarifvertraglichen Zuschläge bereits in § 34 a Abs. 1 EStG n. F. geregelt seien, könne sich die Anwendung des Abs. 2 a. a. O. nur auf solche Zuschläge beziehen, die weder gesetzlich noch tarifvertraglich geregelt seien. Das seien die Fälle, in denen keine tarifgebundenen oder tarifunterstellten Arbeitsverhältnisse gegeben seien, dennoch aber aufgrund von Betriebsvereinbarungen oder aus anderen Gründen entsprechende Zuschläge gezahlt würden. Hierunter fielen auch die Fälle der Tarifbindung oder Tarifunterstellung, in denen der Tarifvertrag gar keine Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit vorsehe oder der Tarifvertrag nur die allgemeine Verpflichtung zur Zahlung von Zuschlägen enthalte. Unstreitig handle es sich bei den Arbeitnehmern der Klägerin um tarifgebundene Arbeitsverhältnisse. Allerdings seien den Pförtnern Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit gar nicht und für Feiertagsarbeit nur in Höhe von 50 v. H. zu gewähren. Wenn den Pförtnern hiernach auch keine bzw. nur geringere Zuschläge zuständen, so sei in dieser Regelung dennoch eine tarifvertragliche Regelung - wenn auch eine negative - zu erblicken, die nur die Anwendung des § 34 a Abs. 1 EStG n. F. zulasse.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG ist § 34 a EStG durch Art. 1 Nr. 4 StÄndG 1971 geändert worden. Außer den bisher schon steuerfreien gesetzlichen oder tarifvertraglichen Zuschlägen sind nach § 34 a Abs. 2 EStG n. F. bis zu den dort angeführten Grenzen steuerfrei Zuschläge, die " in anderen Fällen" für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden. Die neue Fassung des § 34 a EStG ist nach § 52 Abs. 23 EStG 1971 auch für frühere Kalenderjahre anzuwenden, soweit nicht die Unanfechtbarkeit von Bescheiden oder die Versäumung von Antragsfristen entgegensteht. Auf den im Streitfall ergangenen Lohnsteuerhaftungsbescheid ist die Neufassung also anzuwenden. § 34 a EStG 1971 und die dargestellte Rückwirkung sind nach dem Urteil des Senats vom 28. Juli 1975 VI R 162/66 (BFHE 116, 369, BStBl II 1975, 820) mit dem GG vereinbar.

Die Frage, welche "anderen Fälle" von § 34 a Abs. 2 EStG n. F. erfaßt werden, hat der Senat im Urteil vom 28. Juli 1975 VI R 217/72 (BFHE 116, 376) dahin entschieden, daß damit die Fälle gemeint sind, in denen eine bestimmte Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet wird, ohne daß für diese Arbeit Zuschläge im Sinne des Abs. 1 a. a. O. gezahlt werden. Der Senat hat daraus gefolgert, daß bei Arbeitnehmern, die gesetzliche oder tarifvertragliche Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhalten, Zuschläge, die sie aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage (Betriebsvereinbarung, Einzelarbeitsvertrag) für die gleiche Arbeit noch zusätzlich erhalten, nicht nach § 34 a Abs. 2 EStG n. F. steuerfrei bleiben können. Der Anwendung des Abs. 2 a. a. O. steht es aber nicht entgegen, wenn zwar das Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag unterstellt ist, dieser Tarifvertrag für die in Betracht kommenden Arbeitnehmer aber keine Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit vorsieht. Nicht erforderlich ist, daß der Tarifvertrag überhaupt keine Zuschläge dieser Art, auch nicht für andere Arbeitnehmer, vorsieht. Der Ansicht des FA, in dem Unterlassen einer Vereinbarung über die Zahlung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit für die betreffenden Arbeitnehmer sei dennoch eine tarifliche Regelung - wenn auch eine negative - zu erblikken, die nur die Anwendung des Abs. 1 a. a. O. zulasse, folgt der Senat nicht. Eine solche Auslegung würde zu neuen Ungleichmäßigkeiten führen, nämlich zu einer Benachteiligung derjenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag unterstellt ist, in dem aber für sie nicht die Zahlung von Zuschlägen der begünstigten Art vorgesehen ist, gleichgültig, aus welchen Gründen dies geschehen ist. In solchen Fällen fehlt es vielmehr an einer Zahlung tarifvertraglicher Zuschläge, so daß der Zahlung solcher Zuschläge aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelarbeitsvertrags nichts im Wege steht. Unschädlich ist es auch, wenn für eine der begünstigten Arten von Arbeiten - so im Streitfall für Feiertagsarbeit - tarifvertraglich Zuschläge gezahlt werden; dadurch wird die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, für andere begünstigte Arten von Arbeit (Sonntagsarbeit, Nachtarbeit) aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelarbeitsvertrages Zuschläge im Rahmen des Abs. 2 a. a. O. steuerfrei zu zahlen.

Solche Zuschläge sind steuerfrei, soweit sie die Grenzen des Abs. 2 a. a. O. nicht übersteigen. Werden höhere Zuschläge gezahlt, so sind sie bis zu diesen Grenzen steuerfrei, darüber hinaus steuerpflichtig. Diese Beurteilung stimmt überein mit Abschn. 17 Abs. 3 Nr. 5 LStR 1975.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71574

BStBl II 1975, 891

BFHE 1976, 67

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