Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff Leibrente bei schwankenden Jahresleistungen.

Bezieht ein Steuerpflichtiger auf Grund eines Testaments jährlich einen bestimmten Vomhundertsatz des Gewinns eines Unternehmens, so sind diese Bezüge in der Regel keine Leibrenten, sondern wiederkehrende Bezüge, die der Steuerpflichtige voll zu versteuern hat.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 22 Ziff. 1, § 22/1/a

 

Tatbestand

Die Bfin. bezieht seit dem Jahre 1936 auf Grund eines gemeinschaftlichen Testaments vom 25. August 1931 laufend Einkünfte in Form von 1/18 des Ertrags aus dem Geschäft und dem sonstigen Vermögen der verstorbenen Eheleute (Erblasser). Erbe ist der Adoptivsohn der Eheleute. Die Einkünfte der Bfin. aus dem Testament haben im Jahre 1956 = 15.000 DM betragen. Streitig ist, ob diese Bezüge wiederkehrende Bezüge im Sinne von § 22 Ziff. 1 EStG 1955 oder Leibrenten sind, die gemäß § 22 Ziff. 1 a EStG 1955 nur mit dem Ertragsanteil zu versteuern sind. Das Finanzamt verneinte, daß eine Leibrente vorliege und zog den Betrag von 15.000 DM bei der Bfin. voll als sonstige Einkünfte unter Abzug eines Pauschbetrages von 200 DM (§ 9 a Ziff. 3 EStG 1955) zur Einkommensteuer heran. Der Einspruch und die Berufung hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht führte aus: Nach § 2 Abs. 2 und 3 Ziff. 7 EStG 1955 in Verbindung mit § 22 Ziff. 1 EStG 1955 unterlägen wiederkehrende Bezüge grundsätzlich voll der Einkommensteuer. Leibrenten würden allerdings nach § 22 Ziff. 1 a EStG nur mit dem in den einzelnen Bezügen enthaltenen Ertragsanteil des Rentenrechts zur Einkommensteuer herangezogen. Der Begriff Leibrente sei für das Steuerrecht nicht besonders festgelegt, sondern müsse aus dem bürgerlichen Recht bestimmt werden. Man verstehe darunter wiederkehrende Bezüge, deren Dauer von der Lebenszeit einer Person abhänge, periodisch wiederkehrten, auf einem einheitlichen Rentenstammrecht beruhten und nicht von wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängig seien, die außerhalb des Rentenrechts lägen. Im Streitfall fehle es an einem Stammrecht. Die Bfin. habe nach dem Wortlaut des Testaments keinen Rechtsanspruch gegen den Erben, sondern erhalte die Bezüge nur auf Grund einer Auflage der Erblasser an den Erben gemäß § 1940 BGB, wie der frühere Testamentsvollstrecker bezeuge. Im übrigen spreche auch die Tatsache, daß die Einkünfte nur aus den Erträgen der Erbmasse gezahlt würden, also in Verlustjahren entfielen, gegen ein Rentenstammrecht. Das Recht der Bfin. sei ein nießbrauchsähnliches Recht. Auch der langjährige Bezug der Einkünfte vermöge gegenüber dem im Testament zum Ausdruck gekommenen Willen der Erblasser nicht zu einem Recht der Bfin. auf diese Bezüge führen. Da die Leibrente nur eine besondere Unterart der wiederkehrenden Bezüge im Sinne des § 22 EStG 1955 sei, könnten auch aus § 5 Abs. 3 StAnpG keine Folgerungen gezogen werden.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. ist nicht begründet.

Zutreffend nimmt das Finanzgericht an, daß der streitige Betrag als wiederkehrender Bezug gemäß § 2 Abs. 3 Ziff. 7 in Verbindung mit § 22 Ziff. 1 EStG 1955 voll der Einkommensteuer unterliegt. Der Senat hat in dem Urteil VI 105/61 U vom 29. März 1962 (BStBl 1962 III S. 304, Slg. Bd. 75 S. 96) entschieden, daß der Begriff "Leibrente" nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu bestimmen ist. Danach ist eine Leibrente nicht gegeben, wenn der Berechtigte zwar einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen hat, die aber zahlen- oder wertmäßig so wesentlichen Schwankungen unterliegen, daß eine einigermaßen zuverlässige Bestimmung der zu erwartenden jährlichen Bezüge der Höhe nach kaum möglich ist. Mit Recht weist die Bundesregierung in Abschn. 167 Abs. 1 EStR 1962 darauf hin, daß die Höhe der Bezüge nicht hin und her schwanken dürfe. Allerdings kann nicht jede Veränderlichkeit der Jahresleistungen dazu führen, eine Leibrente abzulehnen. So hat der Senat z. B. in der Entscheidung VI 59/62 U vom 11. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 594) eine Leibrente nicht deswegen verneint, weil die Höhe der Jahresbezüge an das jeweilige Gehalt eines Regierungsrats angelehnt war. Eine Leibrente kann man unter Umständen auch noch annehmen, wenn der jährliche Bezug in einem festen Vomhundertsatz einer Größe bemessen wird. Bestimmt sich aber der laufende Bezug nach einem Vomhundertsatz einer wesentlich schwankenden und unter Umständen ganz entfallenden Größe - wie beim gewerblichen Gewinn eines fremden Unternehmens -, so entfällt die Vorausbestimmbarkeit der zu erwartenden Jahresleistungen. In solchen Fällen liegt keine Leibrente vor, sondern beim Leistenden allenfalls eine dauernde Last und beim Empfänger ein wiederkehrender Bezug. Auf dauernde Lasten und wiederkehrende Bezüge ist die gesetzliche Sonderregelung für Leibrenten aber nicht anwendbar. Der Leistende kann sie vielmehr nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG voll absetzen und der Empfänger hat sie nach § 22 Ziff. 1 EStG voll zu versteuern.

Im Streitfall waren die Ansprüche der Bfin. aus dem Testament zwar wiederkehrend und auf Lebenszeit zugesagt. Aber weil sie nach dem Gewinn eines fremden Unternehmens zu berechnen waren, richteten sie sich in ihrer Höhe nach wesentlich schwankenden Grundlagen. Bei Verlusten des Unternehmens stand der Bfin. unter Umständen überhaupt kein Anspruch zu.

Das Finanzgericht hat eine Leibrente in erster Linie deswegen verneint, weil die Bfin. gemäß § 1940 BGB gegen den Erben keinen Rechtsanspruch auf die jährlichen Leistungen habe, der Erbe vielmehr jede Jahresleistung ohne Rechtspflicht bewirke. Die Bfin. behauptet, einen solchen Rechtsanspruch zu haben. Der Senat braucht zu dieser Streitfrage nicht Stellung zu nehmen, da er bereits aus den vorstehend dargelegten anderen Erwägungen dem Finanzgericht im Ergebnis beitritt, daß keine Leibrente vorliege. Auch wenn man also mit der Bfin. annimmt, daß sie aus dem Testament gegen den Erben einen Rechtsanspruch auf die jährlichen Leistungen habe, so sind doch diese Leistungen keine Leibrente.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410972

BStBl III 1963, 592

BFHE 1964, 738

BFHE 77, 738

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