Leitsatz (amtlich)

1. Ein Wechsel der Familienwohnung innerhalb elner Großstadt kann auch dann beruflich veranlaßt seln, wenn der Umzug weder vom Arbeitgeber gefordert wird noch mit einem Arbeitsplatzwechsel im Zusammenhang steht (Anschluß an BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117).

2. Wird die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in einer Großstadt um 9 km verkürzt, so kann darin eine ausreichende berufliche Veranlassung für den Umzug liegen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren im Streitjahr beide nichtselbständig beschäftigt. Aufgrund ihrer Tätigkeit war die Klägerin häufig gezwungen, an Besprechungen teilzunehmen, die auch in den Abendstunden stattfanden, und sie zu Überstunden zwangen; dabei mußten jeweils mehrere Hin- und Rückfahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte am selben Tage ausgeführt werden.

Im Streitjahr 1977 zogen die Kläger von Köln-A nach Köln-B um; A war kurz vorher von der Stadt Köln eingemeindet worden. Durch den Umzug verkürzte sich die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 10 km auf 1 km. Während die frühere Wohnung 105 qm groß war, ist die neue 135 qm groß; sie wurde der Klägerin von ihrer Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt. Der Mietpreis ist pro qm etwa gleich hoch wie bei der früheren Wohnung, die jedoch besser ausgestattet war.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1977 machten die Kläger Umzugskosten in Höhe von ... DM als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA) lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab. Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage.

Die Klage hatte teilweise Erfolg; das Finanzgericht (FG) erkannte die Umzugskosten als Werbungskosten an. Es führte in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 283 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Entgegen der Anweisung in Abschn. 26 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien 1975 (LStR) könne die ausschließlich berufliche Veranlassung eines Umzugs nicht auf die Fälle beschränkt werden, daß der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz gewechselt oder der Arbeitgeber den Umzug aus dienstlichen Gründen gefordert habe. Auch das Überschreiten der Gemeindegrenze sei als Kriterium für die berufliche Veranlassung ungeeignet. Sonst würden ländliche Verhältnisse unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 des Grundgesetzes -- GG --) günstiger als städtische beurteilt. Daß die Gemeindegrenze nicht maßgeblich sein könne, werde in einem Fall wie dem vorliegenden besonders deutlich, da der bisherige Wohnort kurz vor dem Umzug vom neuen Wohnort eingemeindet worden sei. Das Gericht habe deshalb nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung darüber zu entscheiden, ob der Umzug ausschließlich beruflich veranlaßt sei. Erfolge der Umzug ausschließlich, um den Weg zur Arbeitsstätte wesentlich zu verkürzen oder ihr Erreichen auf andere Weise wesentlich zu erleichtern, so sei er beruflich veranlaßt. Denn ohne den Beruf wäre es dann nicht zu dem Umzug gekommen. Ein einmaliger Aufwand für den Umzug sei ebenso beruflich veranlaßt wie es laufende Aufwendungen für die täglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien. Auch sei es volkswirtschaftlich erwünscht, daß der Arbeitnehmer seine Wohnung in die Nähe der Arbeitsstätte verlege. Der Senat sei davon überzeugt, daß der Umzug der Kläger im Streitfall ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen sei. Anhaltspunkte für eine private Mitveranlassung fehlten.

Gegen das Urteil des FG richtet sich die Revision des FA. Es rügt die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 und des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die Abziehbarkeit der Umzugskosten gemäß § 9 Abs. 1 EStG zu Recht bejaht. Allerdings hat der Senat bei Umzügen am selben Arbeitsort strenge Anforderungen an die berufliche Veranlassung gestellt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. Oktober 1974 VI R 72/72, BFHE 114, 468, BStBl II 1975, 327 und vom 15. Oktober 1976 VI R 162/74, BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117). Im Urteil in BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117 hat er jedoch u. a. ausgeführt, daß den besonderen Verhältnissen der Großstädte in angemessener Weise Rechnung getragen werden müsse; er hat in diesem Urteil einen Umzug, der im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel stand, als beruflich veranlaßt angesehen, weil sich dadurch der Zeitaufwand für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheblich verringert hatte. Dem FG ist deshalb darin beizupflichten, daß das Überschreiten von Gemeindegrenzen, zumal in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der bisherige Wohnort der Kläger erst kurz vorher in eine der größten Städte der Bundesrepublik Deutschland eingemeindet worden war, kein entscheidender Gesichtspunkt für die berufliche Veranlassung sein kann. Der Senat ist ferner der Auffassung, daß auch ein Umzug, der nicht im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel steht und nicht vom Arbeitgeber gefordert worden ist, beruflich veranlaßt sein kann. Denn die angespannten Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt -- gerade auch in Großstädten -- zwingen den Arbeitnehmer nicht selten dazu, zunächst eine Wohnung zu nehmen, die weit von der Arbeitsstätte entfernt ist. Bietet sich später eine Gelegenheit, durch einen Umzug den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu verkürzen, so kann die berufliche Veranlassung nicht grundsätzlich geleugnet werden.

Allerdings ist die berufliche Veranlassung in einem solchen Fall besonders sorgfältig anhand aller Einzelumstände zu prüfen. Das hat das FG hier getan und ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Umzug ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen sei. Die Würdigung des FG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob es zu dem Ergebnis gelangen konnte, der Umzug sei ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen. Denn nach allgemeinen Grundsätzen reicht es zum Ausschluß der Nichtabziehbarkeit gemäß § 12 Nr. 1 EStG aus, wenn die berufliche Veranlassung etwaige andere Motive weit überwiegt. So war es hier ...

In rechtlicher Hinsicht ist es nicht zu beanstanden, daß das FG die durch den Umzug eingetretene Verkürzung des Arbeitsweges als ausreichende berufliche Veranlassung angesehen hat. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob eine Verkürzung des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in einer Großstadt um 9 km grundsätzlich die berufliche Veranlassung eines Umzugs begründen kann (anderer Ansicht wohl Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 19 Anm. 12 Stichwort Umzugskosten); denn hier mußte die Klägerin nach den Feststellungen des FG den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Wunsch des Dienstherrn häufig mehrmals am selben Tage zurücklegen, z. B. um auch in den Abendstunden zu Besprechungen zur Verfügung zu stehen. Unter diesen Umständen bedeutet die eingetretene Verkürzung eine Erleichterung, die bei großstädtischen Verhältnissen als erheblich angesehen werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74454

BStBl II 1983, 16

BFHE 1983, 478

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