Leitsatz (amtlich)

Auf Grund der Fassung des § 42 Abs. 5 EStG 1975 ist es unzulässig, nach der Bestandskraft eines über den Lohnsteuer-Jahresausgleich ergangenen Steuerbescheids einen weiteren dasselbe Ausgleichsjahr betreffenden Antrag zu stellen, und zwar selbst dann, wenn dieser Antrag bisher nicht geltend gemachte Steuervergünstigungen zum Gegenstand hat und die Antragsfrist für den Lohnsteuer-Jahresausgleich zu dieser Zeit noch nicht abgelaufen ist (Änderung der Rechtsprechung als Folge einer Gesetzesänderung).

 

Normenkette

EStG 1975 § 42 Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Streitig ist im Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1976 (Streitjahr), ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) als Erstattungsberechtigter nach Bestandskraft des nach § 42 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 erteilten Steuerbescheids innerhalb der Antragsfrist einen neuen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich stellen kann.

Der Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr wurde am 18. Februar 1977 zur Post gegeben. Nach Bestandskraft dieses Bescheids ging am 25. Mai 1977 ein Zweitantrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) ein, in dem der Kläger Aufwendungen von 3 670 DM für Hausratsersatz infolge Brandschadens zusätzlich als außergewöhnliche Belastung geltend machte. Das FA lehnte einen weiteren Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr unter Hinweis auf die Bestandskraft des Erstbescheids ab.

Die hiergegen -- nach erfolglosem Einspruch -- erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) durch das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 415 veröffentlichte Urteil vom 29. März 1979 III-V 4058/77 L als unbegründet abgewiesen.

Das FG bestätigte darin die Auffassung des FA wie folgt: Nach § 42 Abs. 5 EStG 1975 habe das FA -- wie hier auch geschehen -- über den Lohnsteuer-Jahresausgleich dem Antragsteller einen Steuerbescheid zu erteilen. Verfahrensrechtlich ordne die neue Vorschrift den Lohnsteuer-Jahresausgleich als Steuerfestsetzungsverfahren ein. Damit sei klargestellt, daß mit der Erteilung dieses Bescheids das Erstattungsverfahren abgeschlossen sei, dieser Umstand aber einem Nachschieben bisher nicht vorgetragener Ermäßigungsgründe in einem erneuten Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren entgegenstehe. Eine wiederholte Antragstellung innerhalb der Antragsfrist sei somit nicht zulässig.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der Vorschriften über den Lohnsteuer-Jahresausgleich, insbesondere wendet er sich gegen die Annahme des FG, durch die Fassung des § 42 Abs. 5 EStG 1975, der nunmehr die Bescheiderteilung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich festlege, sei in diesem etwas anderes als ein Erstattungsverfahren zu sehen (Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH --, Urteil vom 27. März 1974 VI R 14/70, BFHE 112, 269, BStBl II 1974, 465). Handle es sich aber um ein solches Verfahren, so sei -- zumindest innerhalb der in § 42 Abs. 2 Satz 3 EStG 1975 vorgesehenen Frist -- ein wiederholter Erstattungsantrag aus anderen -- neuen -- Gründen als bisher zulässig.

Der Kläger beantragt, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben sowie das FA zur Durchführung eines weiteren Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1976 zu verurteilen, ihm die Kosten aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren für notwendig zu erklären.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht in der Fassung des § 42 Abs. 5 EStG, die dieser durch Art. 1 Nr. 4 des Einkommensteuerreformgesetzes (EStRG) vom 5. August 1974 (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530) erfahren hat, eine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage gesehen, wie sie noch in dem Urteil des Senats in BFHE 112, 269, BStBl II 1974, 465 ihren Niederschlag gefunden hat. Im Hinblick auf die für jene Entscheidung einschlägige Fassung des § 42 EStG, insbesondere aber mit Rücksicht auf die -- gleichfalls einschlägige -- Fassung des § 4 Abs. 6 der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV), der eine Bescheiderteilung nur für die ganze oder teilweise Ablehnung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs vorsah, kam der Senat damals zu dem Ergebnis, daß innerhalb der Ausschlußfrist, jedoch nach Bestandskraft des dem ursprünglichen Antrag voll stattgebenden Bescheids ein weiterer Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich gestellt werden könne. Dies ergebe sich -- wie der erkennende Senat damals weiterhin ausgeführt hat -- insbesondere daraus, daß das Ausgleichsverfahren ein -- wenn auch mit wesentlichen Elementen des Steuerfestsetzungsverfahrens behaftetes -- Erstattungsverfahren sei. In einem solchen Verfahren werde aber nur über den mit dem Antrag geltend gemachten Erstattungsbetrag entschieden. Eine unanfechtbare Entscheidung über diesen Erstattungsbetrag schließe daher Anträge über weitere Erstattungsbeträge nicht aus; die Rechtslage weiche deshalb von der Wirkung eines die Steuer festsetzenden Einkommensteuerbescheids ab.

An dieser Rechtsauffassung hält der Senat jedoch mit Rücksicht auf die oben erwähnte Neufassung des § 42 EStG 1975 und die damit zusammenhängende Außerkraftsetzung der JAV durch Art. 48 Nr. 2 des Einführungsgesetzes zum EStRG vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3656, BStBl I 1975, 2) nicht mehr fest. Durch § 42 Abs. 5 EStG 1975 ist erstmals vorgeschrieben worden, daß das FA dem Antragsteller über den Lohnsteuer-Jahresausgleich stets einen Steuerbescheid zu erteilen hat. Ein solcher Bescheid muß danach in jedem Falle, und zwar im Gegensatz zu der bisherigen Regelung auch dann erteilt werden, wenn dem Antrag des Steuerpflichtigen in vollem Umfang entsprochen worden ist (vgl. dazu Abschn. 108 Abs. 7 der Lohnsteuer-Richtlinien -- LStR -- 1978 und 1981, sowie ferner: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 19. Aufl., Köln 1950/82, Erl. zu § 42 Abs. 5 EStG 1975 -- grüne Seiten --). Hierauf wird in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 7/1470, Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, zu § 148, S. 306) ausdrücklich hingewiesen. Die vorgesehene Gesetzesfassung hatte den Wortlaut: "Das Finanzamt erteilt über den Lohnsteuer-Jahresausgleich dem Antragsteller einen Bescheid im Sinne des § 136 der Abgabenordnung." Unter dem § 136 war in dem damals dem Gesetzgeber vorliegenden Entwurf einer Abgabenordnung -- AO 1974 -- (BT-Drucks 7/79, Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode) das geregelt, was später seine Fassung im § 155 der AO 1977 erfahren hat, nämlich die Steuerfestsetzung durch einen Steuerbescheid. Da bei Erlaß des EStRG die Neufassung der Abgabenordnung noch nicht abschließend beraten, geschweige denn verabschiedet gewesen war, und da es also noch nicht festgestanden hatte, ob die Steuerfestsetzung dort in einer Vorschrift unter dem § 136 geregelt sein würde, hat der Gesetzgeber im § 42 Abs. 5 EStG 1975 die Worte "einen Bescheid im Sinne des § 136 der Abgabenordnung" durch die Formulierung "einen Steuerbescheid" ersetzt. Damit ist das Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren der Einkommensbesteuerung in einem Maße angeglichen worden, das es verbietet, einen bestandskräftigen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich etwa anders als einen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu behandeln; denn beide legen die Besteuerung für einen bestimmten Zeitabschnitt abschließend fest (so auch die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., Erl. zu § 42 Abs. 5 EStG 1975; Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 5. Aufl., München 1981, Rdnr. 39 zu §§ 42--42 b EStG; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, München 1982, Rdnr. 6 zu § 42 EStG; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, Rdnr. 66 zu §§ 42--42 c EStG; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 42, Anm. 46). Das hat zur Folge, daß -- entgegen der früheren Regelung -- nach der Bestandskraft des Bescheids über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das betreffende Kalenderjahr kein weiterer (Ergänzungs-)Antrag mehr zulässig ist.

In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob ein bestandskräftig durchgeführter Lohnsteuer-Jahresausgleich einer Einkommensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen für dasselbe Jahr entgegensteht. Denn einmal stellt sich diese Rechtsfrage im Streitfall nicht. Zum anderen hat der Senat in seinem diese Rechtsfrage zwar verneinenden, indessen ebenfalls zur früheren Rechtslage ergangenen Urteil vom 13. Februar 1976 VI R 100/74 (BFHE 118, 219, BStBl II 1976, 425) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß damit keine Entscheidung über die Veranlagungszeiträume der Jahre 1975 und später getroffen worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74475

BStBl II 1983, 58

BFHE 1983, 419

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