Leitsatz (amtlich)

Werden Bezüge an Arbeitnehmer gezahlt, die in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn tätig sind, so kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach einem besonderen Pauschsteuersatz auch dann erheben, wenn aus seinen Aufzeichnungen nicht die tatsächliche, sondern nur die durchschnittliche, aus dem monatlichen Lohnzahlungszeitraum errechnete Wochenstundenzahl ersichtlich ist.

 

Normenkette

LStR Abschn. 52c Abs. 4; LStDV § 35b; EStG § 42a Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Gastwirt. In seinem Gaststättenbetrieb hatte er in den Streitjahren 1968 bis 1973 einige Daueraushilfskräfte beschäftigt und besteuerte die ihnen gezahlten Nettolöhne pauschal mit 10 v. H. Bei einer Lohnsteueraußenprüfung legte er dem Prüfer Aufzeichnungen mit folgenden Angaben vor:

Vereinbarter Stundenlohn (z. B. 6,50 DM)

Gesamtarbeitsstunden im Monat (z. B. 40 Stunden)

Gesamtentlohnung im Monat (z. B. 360 DM)

Name und Anschrift der Aushilfskräfte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) verneinte die Anwendbarkeit des Pauschsteuersatzes von 10 v. H. nach Abschn. 52 c Abs. 2 LStR, weil keine wöchentlichen Aufzeichnungen gefertigt worden seien und damit die Vorschrift des Abschn. 52 c Abs. 4 LStR nicht erfüllt sei. Er unterwarf daher die vom 1. Juli 1968 bis 30. Juli 1973 gezahlten Löhne der Lohnsteuer zu dem allgemeinen Steuersatz und forderte von dem Kläger als Haftungsschuldner die Differenz zwischen den nach Steuerklasse VI berechneten und den vom Kläger als Pauschsteuer abgeführten Beträgen in Höhe von insgesamt 5 897 DM nach. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das FG führte im wesentlichen aus, die Finanzverwaltung habe in Abschn. 52 c LStR von der Ermächtigung des Gesetzgebers nach § 42 a Abs. 2 Nr. 3 EStG, § 35 b Abs. 1 b LStDV zur Pauschbesteuerung von Bezügen, welche an Arbeitnehmer gezahlt werden, die in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn tätig sind, Gebrauch gemacht. Nach Abschn. 52 c Abs. 2 und 3 LStR gelte die erforderliche Genehmigung des FA zur Pauschversteuerung grundsätzlich als erteilt, wenn im Falle der laufenden Beschäftigung bei dem einzelnen Arbeitgeber die Tätigkeit voraussichtlich nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich betrage, der Arbeitslohn voraussichtlich weder 60 DM (ab 1. Juli 1969: 72 DM, ab 1. Januar 1972: 80 DM) wöchentlich noch umgerechnet 8 DM für die einzelne Arbeitsstunde übersteige und der Arbeitgeber die Pauschsteuer in Höhe von 10 v. H. des Arbeitslohnes übernehme. Außerdem müsse der Arbeitgeber nach Abschn. 52 c Abs. 4 LStR Aufzeichnungen führen, aus denen sich für den einzelnen Arbeitnehmer Name und Anschrift, Dauer der Beschäftigung, Tag der Zahlung und Höhe des Arbeitslohnes ergeben. Die zuverlässige Erfassung der tatsächlichen Beschäftigungszeiten sei notwendige Grundlage für die Beurteilung der Pauschbesteuerung der Aushilfslöhne und somit unerläßliche Voraussetzung für die Anwendung des Pauschsteuersatzes.

Die in Abschn. 52 c LStR getroffene Regelung stelle eine sachlich orientierte und auch im übrigen fehlerfreie Ausübung des Ermessens dar. Dies zeige auch die modifizierte Übernahme in die ab 1. Januar 1975 gültige gesetzliche Regelung des § 40 a Abs. 1 EStG 1975. Im Streitfall erfüllten die auf jeweils einen Monat abgestellten Aufzeichnungen des Klägers die Voraussetzungen des Abschn. 52 c Abs. 4 LStR nicht, da sie keine Angaben über die wöchentliche Beschäftigungsdauer enthielten.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er trägt vor, daß nach Abschn. 52 c LStR auf die voraussichtliche wöchentliche Arbeitszeit und auf den voraussichtlichen wöchentlichen Arbeitslohn während der Dauer der Beschäftigung abzustellen sei. Weder Abschn. 52 c LStR noch § 40 a EStG 1975 schreibe vor, für welchen Zeitraum abgerechnet werden müsse oder Aufzeichnungen über die Dauer der Beschäftigung zu machen seien. Deshalb seien ein monatlicher Lohnzahlungszeitraum und entsprechende monatliche Aufzeichnungen durchaus zulässig; die Wochenstundengrenze und die Wochenlohngrenze seien also aus der Umrechnung des Lohnzahlungszeitraumes zu ermitteln.

Auch in der Reichsversicherungsordnung (RVO) werde der Begriff voraussichtlich gleichbedeutend mit durchschnittlich verwendet. Im übrigen könne der unklare Wortlaut in Abschn. 52 c LStR nicht zu Lasten des Steuerbürgers ausgelegt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Nach § 42 a Abs. 2 Nr. 3 EStG, § 35 b Abs. 1 b LStDV kann das FA auf Antrag des Arbeitgebers zulassen, daß die Lohnsteuer nach einem besonderen Pauschsteuersatz von der Summe der Aufwendungen des Arbeitgebers erhoben wird, wenn Bezüge an Arbeitnehmer gezahlt werden, die in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn tätig sind. Mit diesen Bestimmungen ist der Finanzverwaltung durch den Gesetzgeber ausdrücklich ein Regelungsbereich zugewiesen worden, den sie nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen ausfüllen konnte. Dabei handelt es sich hier um ein materielles, d. h. die Rechtsfolgen bestimmendes Ermessen bei der Steuerfestsetzung (vgl. Kampe, Verwaltungsvorschriften und Steuerprozeß, S. 29). Von diesem gesetzlich eingeräumten Ermessen hat die Finanzverwaltung durch die Regelung in Abschn. 52 c LStR Gebrauch gemacht. Danach gilt gemäß Abschn. 52 c Abs. 2 und 3 LStR die zur Pauschversteuerung erforderliche Genehmigung des FA grundsätzlich als erteilt, wenn bei laufender Beschäftigung die Tätigkeit des einzelnen Arbeitnehmers nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich beträgt, der Arbeitslohn voraussichtlich weder 60 DM (ab 1. Juli 1969: 72 DM, ab 1. Januar 1972: 80 DM) wöchentlich, noch umgerechnet 8 DM für die einzelne Arbeitsstunde übersteigt und der Arbeitgeber die Pauschsteuer in Höhe von 10 v. H. des Arbeitslohnes übernimmt. Weitere Voraussetzung ist, daß der Arbeitgeber die in Abschn. 52 c Abs. 4 LStR genannten Aufzeichnungen führt, aus denen sich für den einzelnen Arbeitnehmer Name und Anschrift, Dauer der Beschäftigung, Tag der Zahlung und Höhe des Arbeitslohnes ergeben.

Die vom Kläger bei der Lohnsteueraußenprüfung vorgelegten - und vom FA beanstandeten - Aufzeichnungen entsprechen den genannten Anforderungen. Diese sehen insbesondere nicht vor, daß die Dauer der Beschäftigung für jede Woche gesondert aufzuzeichnen ist. Ein solches Erfordernis ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Weder in den Bestimmungen des § 42 a EStG und § 35 b LStDV noch in Abschn. 52 c LStR wird ausdrücklich eine tatsächliche Beschäftigungsdauer von nicht mehr als 20 Stunden in der Woche gefordert. Dem FG ist zuzugeben, daß eine Auslegung, die von einer tatsächlichen wöchentlichen Beschäftigungsdauer ausginge, zwar durchaus sachlich orientiert wäre und sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hielte. Es besteht aber kein Zweifel daran, daß eine Regelung, die von einer durchschnittlichen wöchentlichen Beschäftigungsdauer bei monatlicher Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden, entsprechend einem monatlichen Lohnzahlungszeitraum ausgehen würde, ebenso sachlich orientiert und mit den gesetzlichen Ermächtigungsvorschriften vereinbar wäre. Die Verwendung des Wortes "voraussichtliche" in Abschn. 52 c Abs. 2 Satz 3 LStR sagt zu dieser Frage nichts aus; sie könnte lediglich darauf hindeuten, daß unvorhersehbare Überschreitungen der zunächst auf höchstens 20 Stunden geplanten Arbeitswoche in begrenztem Umfange unschädlich sein sollen. Eine Auslegung der Richtlinien durch das Gericht dahin gehend, daß die eine oder andere Möglichkeit als sachgerecht bevorzugt wird, erscheint nicht zulässig, da das Gericht dann in das Ermessen der Verwaltungsbehörde eingreifen würde (vgl. Urteile des BFH vom 22. Februar 1972 VII R 80/69, BFHE 105, 220, BStBl II 1972, 544; vom 26. September 1968 IV R 53/68, BFHE 94, 110, BStBl II 1969, 77, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Die Richtlinienregelung ist hiernach hinsichtlich der Frage, ob eine tatsächliche oder eine durchschnittliche wöchentliche Beschäftigungsdauer maßgeblich sein soll, nicht eindeutig. Dies darf indessen nicht zu Lasten des Klägers gehen, soweit er die Bestimmungen in einem möglichen Sinn ausgelegt hat. Dem Kläger dürfen deshalb keine Nachteile insofern erwachsen, als er die Regelung dahin gehend gedeutet hat, daß die Wochenstundenzahl aus dem Durchschnitt des (z. B. monatlichen) Lohnzahlungszeitraums errechnet werden dürfe. Es darf dem Kläger ferner weder zum Nachteil gereichen, daß er wöchentliche Aufzeichnungen nicht geführt hat, noch daß er wegen Fehlens wöchentlicher Aufzeichnungen jetzt in einem gewissen Beweisnotstand ist.

Die Entscheidung des FG, das von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, war hiernach aufzuheben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen, das prüfen muß, ob - nach den Aufzeichnungen des Klägers - 20 Stunden wöchentlich nicht überschritten werden, wenn aus dem monatlichen Lohnzahlungszeitraum auf eine wöchentliche Stundenzahl umgerechnet wird. Sollten auch bei Zugrundelegung dieser Berechnungsart 20 Stunden wöchentlich überschritten sein, so wird das FG seine Entscheidung unter Beachtung des BFH-Urteils vom 15. November 1974 VI R 167/73 (BFHE 114, 342, BStBl II 1975, 297) zu fällen haben. Darin hat der Senat ausgesprochen, daß das FA im Lohnsteuerhaftungsverfahren vom Arbeitgeber grundsätzlich nicht eine nach § 37 Abs. 1 LStDV errechnete Steuer fordern dürfe. Dagegen bliebe es dem FG unbenommen, in diesen Fällen die nachzufordernde Lohnsteuer nach § 217 der Reichsabgabenordnung zu schätzen und dabei die Regelung in § 35 b LStDV als brauchbare Schätzungsmethode heranzuziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72108

BStBl II 1977, 17

BFHE 1977, 191

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