Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsmittel kann fernmündlich nicht eingelegt werden

 

Normenkette

AO § 249 Abs. 1, § 238/1; LAG § 203 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Bfin. wurde durch berichtigten Bescheid vom 15. Dezember 1955 zu einer Kreditgewinnabgabe(KGA)-Schuld von 204.200 DM herangezogen. An Vierteljahrsbeträgen sind vom 10. Juli 1952 bis zum 10. April 1960 4.594,50 DM und von da ab bis zum 10. Oktober 1973 3.573,50 DM zu entrichten. Mit Schreiben vom 23. Juli 1956 stellte sie den Antrag, die in der Zeit seit dem 1. Januar 1952 bis zum 31. Dezember 1955 fällig gewordenen Vierteljahrsbeträge auf die KGA zu erlassen und zu erstatten. Sie begründete ihren Antrag damit, daß vom 1. Januar 1952 ab eine wesentliche Vermögensminderung vorgelegen habe. Sie habe am 1. Januar 1952 25,86 v. H., am 1. Januar 1953 44,43 v. H., am 1. Januar 1954 51,79 v. H. und am 1. Januar 1955 76,23 v. H. erreicht. In gleicher Weise sei auch eine wesentliche Minderung der Leistungsfähigkeit eingetreten. Sie sei durch eine mangelhafte Organisation des Betriebs, durch eine mangelhafte Fertigungsmethode, die zu laufenden Beanstandungen der gelieferten Ware geführt hätten, sowie durch eine fehlerhafte Kalkulation entstanden. Die abgesunkene Leistungsfähigkeit sei danach nicht auf nur vorübergehende Schwierigkeiten zurückzuführen. Es bedürfe noch der Arbeit langer Jahre, bis wieder eine befriedigende Rentabilität erreicht und ein Teil der Verluste beseitigt sein würde.

Am 22. Juli 1958 erließ das Finanzamt einen mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid, in dem es mitteilte, daß die Oberfinanzdirektion von den für die Kalenderjahr 1952 und 1954 erhobenen Vierteljahrsbeträgen an KGA die Hälfte in Höhe von 13.873,50 DM erlassen habe. Ein voller Erlaß der Vierteljahrsbeträge komme wegen der hohen Privatentnahmen der Gesellschafter nicht in Betracht. Ein Erlaß der Vierteljahrsbeträge für die Jahre 1953 und 1955 werde mit Rücksicht darauf, daß die Bfin. mit Gewinn abgeschlossen habe, abgelehnt. Die Bfin. werde aufgefordert, über die Entrichtung des nicht erlassenen aufgelaufenen Rückstands bis zum 5. August 1958 einen Tilgungsplan vorzulegen. Der Rückstand betrug 27.567 DM. Am 4. August 1958 rief der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bfin. fernmündlich an. über dieses Gespräch wurde folgender Vermerk von dem Beamten, der das Gespräch entgegennahm, aufgenommen:

"Herr ... bat heute fernmündlich um Fristverlängerung zur Erreichung des Tilgungsplanes bis zum 25. 8. 1958.

Er habe erst heute von seinen Steuerberatern das Schrb. des Fin.Amts vom 22. 7. 58 zur Stellungnahme erhalten; außerdem ginge sein Steuerberater für einige Wochen in Urlaub. Eine Beantwortung sei daher vor dem 25. 8. 58 nicht möglich. Ich habe ihm diese Frist ausnahmsweise bewilligt, aber gleichzeitig darauf hingewiesen, daß eine weitere Hinausschiebung - vor allen Dingen auch des Zahlungsbeginns - nicht mehr möglich sei."

Da bis zum 25. August 1958 der Tilgungsplan nicht eingereicht wurde, wurde am 26. August 1958 die Finanzkasse beauftragt, die Beitreibungsmaßnahmen einzuleiten und zunächst zu mahnen. Daraufhin ging am 2. September 1958 ein Schreiben der Bfin. ein, in dem sie u. a. ausführte, sie stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Zahlung der KGA für sie nicht in Frage kommen könne. Auf das gesamte schriftliche Vorbringen nehme sie Bezug. Sie werde die vom Finanzamt noch gewünschten Unterlagen, insbesondere hinsichtlich der Privatentnahmen, schnellstens unterbreiten. Das Finanzamt hat der Bfin. mit Schreiben vom 3. September 1958 geantwortet, daß über den Erlaßantrag bereits endgültig entschieden worden sei. Dabei habe das eingereichte Zahlenmaterial über die Entnahmen der Gesellschafter Berücksichtigung gefunden. Weitere Angaben seien nicht mehr angefordert worden.

Mit dem an das Finanzamt gerichteten Schreiben vom 28. Oktober 1958 nahm die Bfin. auf die Erlaßverfügung vom 22. Juli 1958 Bezug und erklärte, daß sie sich mit der Entscheidung, soweit der Antrag auf Erlaß abgelehnt worden sei, nicht zufrieden gebe. Im übrigen wiederholte sie im wesentlichen ihr früheres Vorbringen.

In dem Verfahren vor der Oberfinanzdirektion hat die Bfin. um Nachsicht wegen der verspätet eingelegten Beschwerde gebeten. Die früheren Bevollmächtigten der Bfin. seien so überlastet gewesen, daß sie innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung genannten Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht imstande gewesen seien. Im übrigen habe deren Büro offensichtlich einen Fehler begangen, für den sie nicht aufkommen könnte. Der Sachbearbeiter habe sich offenbar in einem Rechtsirrtum befunden, daß nur Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Oberfinanzdirektion selbst zulässig seien, weshalb er beim Finanzamt zunächst um eine formelle Entscheidung der Oberfinanzdirektion nachgesucht habe. Die Oberfinanzdirektion hat den fernmündlichen Anruf des Gesellschafter-Geschäftsführers am 4. August 1958 als Einlegung eines Rechtsmittels angesehen, die Beschwerde jedoch als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, daß die Beschwerde gegen den Erlaßbescheid des Finanzamts als unzulässig verworfen werde. Anlaß des fernmündlichen Anrufs am 4. August 1958 sei der Umstand gewesen, daß der Bfin. aufgegeben gewesen sei, am 5. August 1958 einen Tilgungsplan vorzulegen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bfin. habe deshalb auch nur um eine Fristverlängerung zur Einräumung des Tilgungsplanes bis zum 25. August 1958 gebeten. Das spreche gerade dafür, daß die Bfin. sich mit dem ablehnenden Erlaßbescheid des Finanzamts zufriedengeben und in angemessenen Abständen Zahlungen leisten wollte. Die Gewährung von Nachsicht gemäß § 86 AO komme nicht in Betracht. Wenn der Sachbearbeiter der früheren Vertreter der Bfin. sich in dem Irrtum befunden haben sollte, daß ein Rechtsmittel nicht gegen den Bescheid des Finanzamts, sondern nur gegen eine Entscheidung der Oberfinanzdirektion zulässig sei, so stelle dies keinen Nachsichtsgrund dar. Die früheren Bevollmächtigten der Bfin. und deren Sachbearbeiter seien verpflichtet gewesen, dem Inhalt des teilweise ablehnenden Erlaßbescheides des Finanzamts einschließlich der Rechtsmittelbelehrung die erforderliche Aufmerksamkeit und Beachtung zu schenken. Dies sei offensichtlich nicht geschehen. Die Berufungsbegründung habe auch nicht als neuer Antrag auf Erlaß von KGA angesehen werden können, da die Frage des Erlasses der Vierteljahrsbeträge für die Kalenderjahre 1952 bis 1955 bereits seit dem 23. Juli 1956 bei der Finanzverwaltung anhängig sei. Es müsse deswegen in diesem Verfahren über den Antrag entschieden werden. In sachlicher Hinsicht stellte sich das Finanzgericht auf den Standpunkt, daß die Verwaltungsbehörden die den Erlaß der KGA betreffenden Verwaltungsanordnungen zutreffend angewendet hätten. Ein Ermessensverstoß sei nicht erkennbar. Da in den Jahren 1953 und 1955 Gewinne erzielt worden seien, sei im Zeitpunkt der Zahlung der Vierteljahrsbeträge in diesem Jahre die Regelung nicht unbillig gewesen. Hinsichtlich der Höhe des Erlasses hat es das Finanzgericht gebilligt, daß in die Beurteilung auch die Verhältnisse in den Jahren 1956 bis 1958 einbezogen wurden. Da die Bfin. in den Jahren 1956, 1957 und 1958 mit Gewinn gearbeitet und sich das Betriebsvermögen in diesen Jahren wieder aufwärts entwickelt habe, sei in der Beschränkung des Erlasses auf die Hälfte der in den Kalenderjahren 1952 und 1954 fällig gewordenen Vierteljahrsbeträge kein Ermessensverstoß zu sehen.

Mit der Rb. begehrt die Bfin., die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeeinlegung festzustellen, notfalls Nachsicht wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und dem bisher gestellten Antrag zu entsprechen. Zur Begründung trägt die Bfin. vor, eine fernmündliche Einlegung von Rechtsmitteln sei zulässig. Es genüge, wenn der aufnehmende Beamte darüber ein Protokoll errichte. Wenn der Beamte, der die fernmündliche Erklärung am 4. August 1958 entgegengenommen habe, eine Niederschrift zu den Akten nicht aufgenommen habe, so bitte sie insoweit um Gewährung von Nachsicht, da der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht habe annehmen können, daß der Beamte die fernmündliche Erklärung nicht in der Form zu den Akten bringen würde, daß sie als rechtswirksame Rechtsmitteleinlegung angesehen werden könne. Wenn die Einlegung eines Rechtsmittels durch Telegramm, das nicht rechtzeitig eingehe, dessen Inhalt aber durch Fernsprecher innerhalb der Rechtsmittelfrist zugesprochen wird, als zulässig angesehen werde, so müsse dasselbe auch für die fernmündliche Erklärung ohne nachfolgendes Telegramm gelten. Durch den Anruf beim Finanzamt am 4. August 1958 habe die Bfin. das zulässige Rechtsmittel einlegen wollen. In sachlicher Hinsicht macht die Bfin. geltend, daß im Erlaßverfahren nicht einzelne Jahre, sondern bestimmte Zeiträume der Prüfung zugrunde gelegt werden müßten. Bei der Vermögensabgabe sei dies ein Zeitraum von drei Jahren. Die grundsätzlichen Erwägungen, die zu dieser Bestimmung geführt hätten, müßten in gleicher Weise für die KGA gelten, wenn auch eine ausdrückliche Bestimmung hierüber fehle. Unmöglich könne man den Abgabepflichtigen, der Vierteljahrsbeträge pünktlich bezahlt habe und dann einen Verlust feststelle, schlechter stellen als den Abgabepflichtigen, der seine Vierteljahrsbeträge nicht bezahlt habe und dann das Geschäftsjahr trotzdem mit Verlust abschließe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. -

Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 AO können die Rechtsmittel schriftlich eingelegt oder zu Protokoll erklärt werden. Einlegung durch Telegramm ist zulässig (ß 249 Abs. 1 Satz 3 AO). Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 256/53 U vom 3. Dezember 1953 (BStBl 1954 III S. 27, Slg. Bd. 58 S. 298) ist ein Rechtsmittel auch dann rechtzeitig eingelegt, wenn bei Einlegung durch Telegramm dessen Inhalt durch Fernsprecher innerhalb der Rechtsmittelfrist zugesprochen wird und ein dazu bereiter und befugter Angehöriger der zuständigen Finanzbehörde eine Niederschrift über den Telegramminhalt fertigt. Das Finanzgericht Düsseldorf hat darüber hinaus in einem unanfechtbar gewordenen Urteil entschieden, daß Rechtsmittel fernmündlich zu Protokoll erklärt werden können (Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf III 50/55 Verk vom 3. Oktober 1956 - Entscheidungen der Finanzgerichte 1957 S. 59). Das Finanzgericht beruft sich auf eine Stellungnahme von Dahs zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) 1952 S. 276/277. Diese Auffassung hat auch unter der Voraussetzung, daß sich die Behörde dazu versteht, auf Grund des Ferngesprächs eine entsprechende Niederschrift aufzunehmen, Becker vertreten (Becker, Die Reichsabgabenordnung, 7. Auflage, § 234 AO alter Fassung Anm. 1). Ebenfalls für die Zulässigkeit spricht sich Schuwardt in Finanz-Rundschau 1962 S. 417 aus. Auf dem Gebiet der Zivilprozeßordnung, Strafprozeßordnung und des Gesetzes über die Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird vereinzelt die gleiche Auffassung vertreten (Schönke, Juristenzeitung 1953 S. 180; Schultzenstein, Zeitschrift für Zivilprozeß Bd. 27 S. 550, 569; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Auflage, § 159 bei N 8; weiter auch Oberlandesgericht Hamburg, Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1951 S. 179, für den Fall, daß das Protokoll während des Ferngesprächs aufgenommen wird).

Demgegenüber hielt bereits der Reichsfinanzhof die Einlegung durch Fernsprecher aus formellen und sachlichen Gründen nicht für zulässig (Urteil VI 527/38 vom 24. August 1938, RStBl 1938 S. 897). Der Reichsfinanzhof begründet seine Auffassung damit, es sei bei fernmündlicher Durchsage nicht festzustellen, wer am Fernsprecher sei, ob der Anrufende zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt sei, daß Täuschungsmöglichkeiten bestünden und eine Mehrbelastung der Behörde dadurch eintrete. Dieser Entscheidung ist der Bundesfinanzhof in seinem bereits angeführten Urteil vom 3. Dezember 1953 ohne besondere Begründung beigetreten. Die gleiche Auffassung wird geteilt von Berger (Der Steuerprozeß, § 249 Anm. 1), Tipke-Kruse (Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 249 Anm. 1), Riewald (Kommentar zur Reichsabgabenordnung II, § 249 Anm. 5 S. 489) und Kühn (Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 7. Auflage, § 249 Anm. 1). Dagegen glaubt Hübschmann-Hepp-Spitaler (Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 249 Anm. 2), man könne insbesondere unter Beachtung der Begründung des obengenannten Urteils des Bundesfinanzhofs vom 3. Dezember 1953 (Entwicklung der Verhältnisse) der Ansicht von Becker beitreten.

Das Reichsgericht hat in einem auf dem Gebiet der Strafprozeßordnung ergangenen Urteil aus dem Jahre 1905 die Zulässigkeit der Einlegung durch Fernsprecher abgelehnt (Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 38 S. 282). Dieser höchstrichterlichen Entscheidung ist in der Folgezeit die Rechtsprechung und das Schrifttum fast ausnahmslos gefolgt (vgl. u. a. Schwarz, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 13. Auflage, Vorbemerkung zum 3. Buch, 1. Abschnitt, Note 2; Löwe-Rosenberg, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 19. Auflage, § 341 Anm. 2 a; Baumbach-Lauterbach, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Auflage, § 129 Anm. 1 C; Entscheidungen des Landgerichts Verden, NJW 1949 S. 798, des Landgerichts Tübingen, NJW 1947/1948 S. 535, des Oberlandesgerichts Hamm, NJW 1952 S. 276, des Oberlandesgerichts Frankfurt, NJW 1953 S. 1118). Zu § 336 Abs. 3 LAG, wonach eine Beschwerde gegen einen Bescheid betreffend Hauptentschädigung, Kriegsschadenrente oder Hausratsentschädigung schriftlich oder zur Niederschrift angebracht werden kann, hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil IV C 76.63 vom 22. November 1963 (Wertpapier-Mitteilungen 1964 S. 288) in eingehender Begründung die Zulässigkeit der Einlegung eines Rechtsmittels durch Fernsprecher abgelehnt.

II. - Auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit wie des Verwaltungs- und Steuerrechts stimmen die Vorschriften über die Rechtsmitteleinlegung bezüglich des Erfordernisses der Schriftlichkeit und der Erklärung zu Protokoll im wesentlichen überein, so daß Rechtsprechung und Schrifttum zur Rechtsmitteleinlegung in gleicher Weise verwendbar sind.

Die Rechtsmittel auf dem Gebiet des Steuerrechts haben nicht den Sinn, daß grundsätzlich alle Entscheidungen der Finanzbehörden ohne Rücksicht darauf, ob ein Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt wird oder nicht, nachzuprüfen sind. Wäre dies der Fall, käme es auf die Form der Rechtsmitteleinlegung nicht mehr an. Vielmehr sollen nur diejenigen Entscheidungen nachgeprüft werden, die mit einem wirksam erhobenen Rechtsmittel angefochten werden. Die Nachprüfung einer Entscheidung soll grundsätzlich erst dann erfolgen, wenn ein ernsthafter Wille des Betreffenden vorliegt. Damit dies in etwa gewährleistet ist, sind gewisse Förmlichkeiten erforderlich. Im übrigen ist dies auch zu Beweiszwecken notwendig, woran die Finanzbehörden und Gerichte wie derjenige, der von dem Verfahren betroffen wird, gleichermaßen interessiert sind.

Die Regelung der Einlegung von Rechtsmitteln in Steuersachen ist nach der AO weithin von engen und kleinlichen Formvorschriften frei. Aus § 249 Abs. 1, 2 und 4 AO ist zu entnehmen, daß zur rechtswirksamen Rechtsmitteleinlegung in formeller Hinsicht nur ein Mindestmaß von Erfordernissen eingehalten zu werden braucht. Entscheidungen zur Sache sollen so wenig wie nur möglich an fehlenden formellen Voraussetzungen scheitern. Da aber andererseits auf ein gewisses Mindestmaß nicht verzichtet werden kann, müssen im Interesse der Rechtssicherheit und der prozessualen Klarheit Erklärungen verlangt werden, die so eindeutig sind, daß Mißverständnisse und Schwierigkeiten in der Auslegung vermieden werden (Urteil des Bundesfinanzhofs III 342/57 U vom 10. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 119, Slg. Bd. 66 S. 310). Die Mindesterfordernisse müssen sich in erster Linie darauf erstrecken, ob ein Rechtsmittel eingelegt, von wem es eingelegt und ob es rechtzeitig eingelegt worden ist.

III. - Ein Rechtsmittel ist schriftlich eingereicht, wenn sich der Inhalt des Rechtsmittels aus einem vom Rechtsmittelführer herrührenden Schriftstück ergibt. Die Tatsache, daß der Beamte über das Ferngespräch einen Aktenvermerk macht, ist für das Erfordernis der Schriftlichkeit nicht ausreichend. Dieses Erfordernis ist nur dann erfüllt, wenn eine Urkunde der Behörde oder ihrem Beamten überreicht wird, aus der unmittelbar ohne Zuhilfenahme anderer Beweismittel die Absicht hervorgeht, ein Rechtsmittel einzulegen, und die Person des Erklärenden erkennbar ist. In der telefonischen Einlegung eines Rechtsmittels kann demnach auch dann keine schriftliche Erklärung gesehen werden, wenn darüber ein Aktenvermerk gefertigt wird.

IV. -

Während nach § 248 Abs. 2 AO der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels mündlich erklärt werden kann, genügt dies nach § 249 Abs. 1 AO für die Einlegung eines Rechtsmittels nicht. Es ist, wenn ein Rechtsmittel mündlich eingelegt werden soll, die Einlegung zu Protokoll zu erklären. Würde man die mündliche Einlegung ohne Protokollaufnahme genügen lassen, dann wäre keine Gewähr für eine reibungslose Rechtsmittelbearbeitung gegeben. Es entstünden ständig Zweifel darüber, ob ein Rechtsmittel tatsächlich eingelegt werden sollte und ob dies rechtzeitig geschehen ist. Der Steuerpflichtige muß deshalb gegebenenfalls auf Protokollaufnahme bestehen.

Die im Gesetz zugelassene Rechtsmitteleinlegung durch Erklärung zur Niederschrift ist eine Unterform der Schriftlichkeit. Das Protokoll soll in solchen Fällen bezeugen, daß der Erklärende die Erklärung, die er auch schriftlich hätte abgeben können, einem Beamten gegenüber mündlich abgegeben hat. Wird deshalb dem dafür zuständigen Beamten gegenüber die Einlegung eines Rechtsmittels mündlich erklärt, wird die Erklärung rechtswirksam, wenn der Beamte eine Niederschrift darüber aufnimmt, wobei zu entscheiden sein wird, ob die mündliche Erklärung, die eine körperliche Anwesenheit voraussetzt, der fernmündlichen Erklärung, der eine körperliche Abwesenheit eigen ist, gleichgesetzt werden kann.

Es wird wohl kaum bezweifelt werden können, daß als eine Erklärung zu Protokoll auch die telefonische Einlegung eines Rechtsmittels bei weiter Auslegung des Gesetzes angesehen werden könnte. Der Erklärende bedient sich des Telefonamts als eines übermittlungsboten, was das Charakteristische der mündlichen Erklärung nicht beeinträchtigt. Es wird aber eingewendet, daß dann, wenn die fernmündliche Durchsage für zulässig erklärt würde, in jedem Fall auch eine Pflicht zur Entgegennahme der Erklärung bestehen müsse, da sonst die Abgabepflichtigen ungleichmäßig behandelt würden. Die Zustellung eines Telegramms durch Ferngespräch geschieht nur im Einverständnis mit dem Empfänger oder einem zur Empfangnahme Berechtigten. Auch hier besteht demnach keine Pflicht zur Entgegennahme eines Telegramms im Wege der fernmündlichen Durchsage. Trotzdem wird die Durchsage, wenn eine Bereitschaft zur Entgegennahme erklärt wird, nach der Rechtsprechung als ausreichend anerkannt. Gleiches müßte dann auch für die fernmündliche Rechtsmitteleinlegung gelten. Es wird weiter geltend gemacht, daß die Fertigung eines Vermerks bei telefonischer Rechtsmitteleinlegung, wenn die Entgegennahme zur Pflicht gemacht würde, nicht zumutbar sei. Auch dieser Einwand ist für sich allein nicht berechtigt; denn auch bei körperlicher Anwesenheit des Erklärenden oder bei einer Telegrammdurchsage muß eine Niederschrift gefertigt werden, so daß der Anfertigungszwang bei telefonischer Rechtsmitteleinlegung keine Besonderheit darstellen würde. Nicht das Erfordernis, einen Vermerk zu fertigen, könnte deshalb in Frage gestellt werden, sondern, wenn es überhaupt darauf ankäme, nur der Zeitpunkt, bis wann die Niederschrift erfolgen muß, wenn sie nicht gleichzeitig oder unmittelbar nach dem Ferngespräch vorgenommen wird, Von entscheidender Bedeutung ist dagegen die Frage, ob derjenige, der ein Rechtsmittel mündlich zu Protokoll einlegen will, dabei körperlich anwesend sein muß. Es wird zwar geltend gemacht, daß eine körperliche Anwesenheit nirgendwo vorgeschrieben sei und daß sich der Beamte, worauf es letztlich ankomme, auch am Fernsprecher von der Sachkunde des Erklärenden und damit auch von dessen Befugnis zur Einlegung des Rechtsmittels überzeugen könne.

Eine Niederschrift in dem althergebrachten Sinne erfordert eine vorausgehende - jedenfalls gleichzeitige - Verhandlung. Zumindest verlangt die Niederschrift einen mündlichen Gedankenaustausch zwischen demjenigen, der das Rechtsmittel einlegen will und dem die Erklärung entgegennehmenden Beamten darüber, was Gegenstand der Niederschrift sein soll. Aber darüber kann kein Zweifel bestehen, daß ein solcher Gedankenaustausch auch fernmündlich geschehen kann. Es ist aber zu berücksichtigen, daß die Vorschrift über die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels durch Erklärung zu Protokoll nicht eine besondere Eigentümlichkeit des relativ noch jungen Steuerverfahrensrecht ist, sondern von der sehr viel älteren zivilen Gerichtsbarkeit übernommen wurde. Die gleichlautenden Vorschriften auf dem Gebiet der zivilen Gerichtsbarkeit sind in einer Zeit geschaffen worden, als der fernmündliche Verkehr noch unbekannt war oder noch keine Rolle spielen konnte. Seit dieser Zeit gehört es zur feststehenden Auslegung dieser Vorschriften, daß eine mündliche Erklärung ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit nicht denkbar, aber auch nicht zulässig ist. Diese Auslegung ist bei Schaffung der AO übernommen worden. Im Ausschußbericht über den Entwurf einer AO wird zu § 234 ausgeführt, eine telefonische Einlegung von Rechtsmitteln genüge nicht (vgl. Bericht des 11. Ausschusses, Nr. 759 der Drucksache Nr. 1460, S. 34). Der Wille des Gesetzgebers geht demnach dahin, daß eine körperliche Anwesenheit bei mündlicher Einlegung eines Rechtsmittels erforderlich ist. Dieses Erfordernis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Durch die persönliche Anwesenheit soll es dem die Erklärung entgegennehmenden Beamten, der darüber eine Niederschrift fertigen muß, ermöglicht werden, auf die einfachste und beweiskräftigste Weise festzustellen, wer das Rechtsmittel einlegt und ob er dazu berechtigt ist. Dadurch wird gleichzeitig erreicht, daß nicht rechtzeitig eingelegte oder aus einem sonstigen Grund unzulässige Rechtsmittel durch entsprechende Unterrichtung vermieden werden können, und verhütet wird, daß mit der Einlegung des Rechtsmittels irgendein Täuschungsversuch über die Person des einlegenden Rechtsmittelführers vorgenommen wird. Es war deshalb auch zur Vermeidung jeden Mißverständnisses üblich geworden, daß dem Erklärenden die Niederschrift vorgelesen wurde und er sie zu genehmigen und zu unterschreiben hatte. Dies alles konnte nur in Gegenwart desjenigen geschehen, der das Rechtsmittel einlegte. Es wird zwar dagegen vorgebracht, daß es nach herrschender Meinung für die Formgültigkeit des Protokolls weder der Unterschrift dessen, der das Rechtsmittel eingelegt hat, noch eines Genehmigungsvermerks bedürfe und daß die mit der fernmündlichen Einlegung eines Rechtsmittels verbundenen Gefahren (Täuschung über die Person des Erklärenden und Mißverständnisse) nicht größer seien als bei einer schriftlich eingereichten Erklärung oder einer Niederschrift zu Protokoll bei persönlicher Anwesenheit des Erklärenden. Ersteres trifft zu, doch sind die Gefahren bei dem heutigen Stand der Fernsprechtechnik nicht kleiner, sondern eher noch größer, ganz abgesehen von Hörfehlern, die eine neue Gefahrenquelle darstellen und bei persönlicher Anwesenheit des Erklärenden als nahezu ausgeschlossen angesehen werden können. Die fernmündliche Einlegung eines Rechtsmittels im Wege der Erklärung zur Niederschrift dürfte deshalb in der Regel nicht nur unzweckmäßig sein, sondern ist auch als rechtlich unzulässig anzusehen.

V. - Da die Einlegung durch Telegramm zulässig ist, hat der Reichsfinanzhof a. a. O. daraus geschlossen, daß die Einlegung durch Fernsprecher unzulässig sei; sonst hätte der Gesetzgeber auch den Fernsprecher erwähnt. Demgegenüber wird eingewandt, daß hinsichtlich der technischen Vervollkommnung der Telefonverkehr dem Telegrammverkehr ebenbürtig zur Seite stehe, wenn nicht sogar diesem überlegen sei. Es stehe deswegen der Einbeziehung des Fernsprechverkehrs in die gesetzliche Regelung im Wege der Auslegung nichts im Wege. Diese Auffassung hält einer näheren Prüfung nicht stand. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Telegrafenordnung - TelO - vom 30. Juni 1926 in der Fassung vom 22. Dezember 1938 (Amtsblatt des Reichspostministeriums S. 849) kann ein Telegramm bei den Telegrafendienststellen und bei den zur Annahme ermächtigten Postdienststellen am Schalter (auch brieflich) oder nach Nr. 2 a. a. O. durch Fernsprecher bei der dafür vorgesehenen Dienststelle oder durch Nebentelegrafen aufgegeben werden. Im letzteren Fall wird von der dafür besonders vorgesehenen Dienststelle - der Telegrammannahmestelle - maschinenschriftlich der Telegramminhalt aufgenommen. Dadurch entsteht eine amtliche Urkunde über die Aufgabe eines Telegramms ganz bestimmten Inhalts, deren Besonderheit darin besteht, daß durch die mechanische übertragung Hörfehler weitgehend ausgeschaltet werden. Dieses so aufgegebene Telegramm kann gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 TelO dem Empfänger verschlossen zugestellt werden. Es kann aber nach Satz 3 a. a. O. auch durch Fernsprecher übermittelt werden. Diese Art der übermittlung gilt als Zustellung, wenn der Empfänger oder der zur Empfangnahme Berechtigte damit einverstanden ist. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 TelO wird die Ausfertigung der durch Fernsprecher oder Nebentelegrafen zugestellten Telegramme dem Empfänger mit der Post als gewöhnlicher Brief übersandt (vgl. auch Ziff. 13 der Ausführungsbestimmungen zu § 26 Abs. 1 TelO). Die Zwischenschaltung des Telegrafenamts hat danach nicht nur rein technischen Charakter, sondern erhält zusätzlich amtlichen Charakter hinsichtlich der schriftlichen Angaben und Vermerke, so daß die telegrafische Rechtsmitteleinlegung sich der schriftlich erklärten Rechtsmitteleinlegung sehr erheblich nähert. Dieser schriftliche Charakter wird noch dadurch verstärkt, daß nach § 26 TelO der Empfänger des Telegramms berechtigt ist, die Urschrift des Telegramms einzusehen oder sich davon beglaubigte Abschriften oder Lichtbilder geben zu lassen. Damit dürfte zur Genüge erwiesen sein, daß die fernmündliche Einlegung eines Rechtsmittels der Einlegung durch Telegramm nicht gleichgesetzt werden kann und daß eine dahin gehende Auslegung nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen würde.

VI. -

Nach § 1 StAnpG sind bei der Auslegung der Steuergesetze ihre wirtschaftliche Bedeutung und die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Es soll nicht bestritten werden, daß es die technische Fortentwicklung des Fernsprechwesens eines Tages ermöglichen kann, daß die Nachteile, die heute noch bei der fernmündlichen Erklärung gegenüber einer mündlichen Erklärung bei körperlicher Gegenwart der Beteiligten bestehen, beseitigt werden. Bei dem jetzigen Stand der Technik ist dies aber noch nicht der Fall. Die Tatsache, daß heute eine Erklärung, die früher, wenn sie mündlich abgegeben werden sollte, nur in Gegenwart der Beteiligten abgegeben werden konnte, auch fernmündlich ohne körperliche Gegenwart abgegeben werden kann, reicht noch nicht aus, um nach § 1 StAnpG allgemein die fernmündliche Durchsage im Rechtsverkehr, wenn eine verbindliche Erklärung abgegeben werden soll, der mündlichen oder schriftlichen Abgabe der Erklärung ohne jede Einschränkung gleichgesetzt werden kann. Der jetzige Stand der technischen Entwicklung im Fernsprechwesen spricht im Gegenteil gegen eine allgemeine Zulassung der Rechtsmitteleinlegung durch Fernsprecher. Dies gilt vor allem bei der Einlegung von Rechtsmitteln bei den Finanzbehörden. Während bei den Gerichten ein besonderer Urkundsbeamter der Geschäftsstelle für die Annahme von Niederschriften zuständig ist, gilt dies für die Finanzbehörden nicht. Bei diesen muß das Rechtsmittel, wenn es mündlich zu Protokoll gegeben wird, bei demjenigen Beamten eingelegt werden, der für die Bearbeitung des Falles zuständig ist. Würde die fernmündliche Einlegung von Rechtsmitteln mit der zwangsläufigen Verpflichtung zur Vornahme eines Vermerks zugelassen werden, so würde die durch die fernmündliche Einlegung naturgemäß erleichterte Möglichkeit für denjenigen, der das Rechtsmittel einlegt, zwar eine große Entlastung bedeuten, da er weder ein Schreiben aufsetzen noch sich persönlich zur Behörde begeben müßte. Für die empfangende Behörde aber würde eine gesteigerte Belastung eintreten. Berücksichtigt man insbesondere den gerade bei der Finanzverwaltung häufigen Stoßverkehr, der nach Versendung der Steuerbescheide eintritt, so würde während dieser Zeit, die sich oft über Monate erstrecken kann, die Belastung durch fernmündlich eingelegte Rechtsmittel den reibungslosen Geschäftsgang bei den Finanzämtern nachteilig beeinflussen. Da aber auch der persönliche Verkehr mit denjenigen Steuerpflichtigen, die ihr Rechtsmittel mündlich zu Protokoll abgeben wollen, wegen des Ablaufs der Rechtsmittelfrist nicht abgestoppt werden kann, würde auch ein geregelter Publikumsverkehr in Mitleidenschaft gezogen werden. Dazu käme, daß auch den steuerberatenden Berufen die Möglichkeit eingeräumt werden müßte, ihre Rechtsmittel unter Umständen in einer Vielzahl von Nummern fernmündlich, u. U. am letzten Tag der Rechtsmittelfrist, einzulegen. Der Entlastung auf seiten der Steuerpflichtigen steht auf seiten der Finanzbehörden und Gerichte eine überbelastung gegenüber. Daraus ergibt sich, daß gerade der technische Fortschritt bei seinem heutigen Stand es verbietet, im Wege der Auslegung die fernmündliche Rechtsmitteleinlegung zuzulassen. Es besteht dazu auch bei der Regelung über die Rechtsmittelfristen und im Hinblick auf die Möglichkeiten, wie die Rechtsmittel eingelegt werden können, kein Bedürfnis. Bei einer Rechtsmittelfrist, die in der Regel einen Monat beträgt, ist für jeden Abgabepflichtigen Zeit genug gegeben, um die Frist einzuhalten. Die mündliche Form zur Niederschrift macht es auch dem ungewandten Steuerpflichtigen möglich, zu seinem Recht zu kommen, und zwar in besserer Weise als durch fernmündliche Einlegung des Rechtsmittels. Es ist jedenfalls keine überforderung, wenn dem Abgabepflichtigen aus diesem Anlaß zugemutet wird, persönlich bei der Behörde zu erscheinen.

Aus den dargelegten Gründen ergibt sich zusammengefaßt, daß die fernmündliche Einlegung eines Rechtsmittels nach der derzeitigen Rechtslage ohne Rechtswirkung ist. Sie ist es auch dann, wenn über die fernmündliche Einlegung eine Niederschrift zu den Akten genommen wird. Der Anruf des Gesellschafter-Geschäftsführers der Bfin. im vorliegenden Streitfall am 4. August 1958 kann deshalb nicht als Rechtsmitteleinlegung angesehen werden, selbst wenn der über das Ferngespräch aufgenommene Vermerk unvollständig sein sollte.

VII. - Das Finanzgericht hat die Gewährung von Nachsicht gemäß § 86 AO abgelehnt. Seine Ausführungen gegenüber den von der Bfin. vorgebrachten Nachsichtsgründen lassen keinen Rechtsirrtum erkennen und sind deshalb nicht zu beanstanden. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß am 4. August 1958, am Tag des Telefonanrufs, nicht nur die Rechtsmittelfrist noch lief, sondern der Gesellschafter-Geschäftsführer für den 25. August 1958, im Zeitpunkt, in dem die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen war, eine Stellungnahme zu dem Tilgungsplan in Aussicht gestellt hat. Es ist nicht einzusehen, warum die Bfin. zu dieser Stellungnahme in der Lage war, nicht aber zu gleichzeitiger Einlegung des Rechtsmittels.

Ein Nachsichtsgrund kann aber aus einem anderen Grunde gegeben sein. Die Entscheidung der Oberfinanzdirektion geht davon aus, daß die fernmündliche Einlegung eines Rechtsmittels zulässig sei. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch der Gesellschafter-Geschäftsführer dieser Auffassung gewesen ist. Da er am 4. August 1958 innerhalb der Rechtsmittelfrist angerufen hat, konnte er des Glaubens sein, fernmündlich ein Rechtsmittel form- und fristgerecht einlegen zu können. Hat er dies in einer für den das Ferngespräch entgegennehmenden Beamten erkennbaren Weise getan und hat ihn dieser auf die Unzulässigkeit dieser Form der Einlegung eines Rechtsmittels nicht aufmerksam gemacht, so ist es nicht ausgeschlossen, daß er der Auffassung war, alles zur Einlegung eines Rechtsmittels Erforderliche getan zu haben. Wenn er dann den ihm noch zur Verfügung stehenden Rest der Rechtsmittelfrist ungenützt hat verstreichen lassen, so wird ihn kein Verschulden treffen, es sei denn, daß er entgegen der vorstehend unterstellten Annahme gewußt hat, daß er fernmündlich kein Rechtsmittel einlegen kann. Liegt letzteres nicht vor, so ist ein Nachsichtsgrund anzuerkennen.

Das Finanzgericht hat sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt. Seine Feststellungen, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer nur wegen des Tilgungsplans angerufen habe, reichen nicht aus, um die Möglichkeit, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer auch während des Ferngesprächs in erkennbarer Weise ein Rechtsmittel eingelegt hat, unzweifelhaft zu entkräften. Da die Oberfinanzdirektion aus dem Verhalten des Gesellschafter-Geschäftsführers, ohne den Sachverhalt im einzelnen zu untersuchen, geschlossen hat, daß sich die Bfin. durch die Entscheidung des Finanzamts beschwert gefühlt habe und Nachprüfung begehre, mußte das Finanzgericht dieser Frage nachgehen. Da es dies nicht getan hat, liegt ein Mangel der Sachaufklärung vor, der von der Bfin. der Sache nach gerügt worden ist. Die Entscheidung war daher aufzuheben und an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Dieses wird durch Einvernahme der Beteiligten die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen haben.

VIII. - In sachlicher Hinsicht ist, falls Nachsicht zu gewähren ist, zu berücksichtigen, daß die Zulässigkeit eines Erlasses von KGA aus Billigkeitsgründen nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu beurteilen ist. Maßgebend sind demnach die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion, die am 15. Januar 1960 ergangen ist. Dem Finanzgericht ist beizutreten, daß in die Beurteilung des Erlaßantrags auch die Verhältnisse in den Jahren 1956 bis 1958 einzubeziehen sind. Dies muß auch für das Jahr 1959 gelten, wenn in diesem Jahr die Vermögensverhältnisse oder die Leistungsfähigkeit des abgabepflichtigen Betriebs einen Rückschlag erhalten haben sollte. Es ist nach dem Sinn und Zweck der ergangenen Verwaltungsanordnungen des Bundesministers der Finanzen nicht auf ein einzelnes Jahr oder auf einen bestimmten gleichbleibenden Erlaßzeitraum abzustellen. Im Ergebnis kommt es demnach auf eine Gesamtbeurteilung der Vermögensentwicklung und der Leistungsfähigkeit des der Abgabe unterliegenden Betriebs bis zum Zeitpunkt der Erlaßentscheidung der Oberfinanzdirektion an. Wenn im vorliegenden Streitfall Nachsicht zu gewähren ist, so ist demnach zu prüfen, ob dieser Grundsatz folgerichtig bei der Erlaßentscheidung angewendet wurde und deshalb ein Ermessensfehlgebrauch nicht vorliegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411303

BStBl III 1964, 590

BFHE 1965, 325

BFHE 80, 325

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