Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine natürliche Person Komplementär bei mehreren KG, die ihrerseits Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen, so kann die Tätigkeit als Komplementär nicht als selbständiger Gewerbebetrieb i.S. des § 1 GewStDV beurteilt werden, wenn sie ausschließlich aus dem Handeln als Organ der KG besteht.

2. Erläßt ein FA sowohl den Gewerbesteuermeßbescheid als auch den Gewerbesteuerbescheid, so muß der Steuerpflichtige den Gewerbesteuermeßbescheid anfechten, wenn er Einwendungen zur Höhe des Gewerbeertrags geltend machen will.

 

Orientierungssatz

1. Aus § 9 Nr. 2 GewStG folgt im Umkehrschluß, daß die Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG es nicht ausschließt, die Gewinnanteile und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Personengesellschaft erhalten hat, auch noch einem anderen gewerblichen Unternehmen zuzuordnen. Eine entsprechende Zuordnung setzt allerdings voraus, daß entweder die Beteiligung an der Personengesellschaft im Vermögen des anderen gewerblichen Unternehmens gehalten wird oder daß die im Dienste der Gesellschaft ausgeübte Tätigkeit Teil eines anderen gewerblichen Unternehmens ist. Ist die Personengesellschaft allerdings selbst Gewerbebetrieb, so schließt § 9 Nr. 2 GewStG den Ansatz von Gewinnanteilen und Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG im Gewerbeertrag des anderen gewerblichen Unternehmens aus.

2. Hat das FA einen Gewerbesteuermeßbescheid geändert und beantragt der Kläger die Aufhebung des Gewerbesteuermeßbescheids, weil er keinen Gewerbebetrieb betreibe, so muß das FG, wenn es der Klage stattgibt, den Änderungsbescheid und den ursprünglichen Bescheid aufheben.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 9 Nr. 2, § 14; GewStDV § 1 Abs. 1; AO 1977 § 182 Abs. 1, § 184 Abs. 1 S. 4; FGO § 100 Abs. 1 S. 1; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1977 Komplementär an insgesamt sechs vermögensverwaltenden KG, die ihrerseits Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten. Die Tätigkeiten der KG beschränkten sich auf die Bebauung und Verwaltung eigenen Grundvermögens. Die Gesellschaften waren in der Zeit zwischen Oktober 1971 und November 1972 gegründet worden. Gründungsgesellschafter waren jeweils der Kläger einerseits und der Kaufmann M bzw. der Kaufmann S andererseits. Der Kläger beteiligte sich an drei der sechs KG auch kapitalmäßig. Im Streitjahr waren an den KG mehr als 2 000 Kommanditisten beteiligt.

Nach § 15 Nr.3 a der im wesentlichen gleichlautenden Gesellschaftsverträge erhielt der Kläger als Komplementär für die Übernahme der persönlichen Haftung und für seine regelmäßige geschäftsführende Tätigkeit als Gewinnvorab 5 v.H. des nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu ermittelnden Gewinns, jedoch mindestens 24 000 DM jährlich. Im Januar 1976 schloß der Kläger im Namen der KG Geschäftsbesorgungsverträge mit der U-KG ab, auf Grund deren die U-KG die treuhänderische Verwaltung des jeweiligen Gesellschaftsvermögens der KG übernahm. Die U-KG sollte auch die Geschäftsführungsaufgaben des Komplementärs übernehmen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, der Kläger habe als Komplementär der KG eine gewerbliche Tätigkeit als Einzelunternehmer ausgeübt. Entsprechend zog das FA den Kläger für alle Erhebungszeiträume ab 1972 zur Gewerbesteuer heran. Der das Streitjahr betreffende Gewerbesteuermeßbescheid datierte ursprünglich vom 10.April 1979. Er wurde am 4.Februar 1982 noch einmal geändert. Beiden Bescheiden liegen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Summe der jeweils einheitlich und gesondert festgestellten Gewinnanteile des Klägers an den sechs KG abzüglich einer Gewerbesteuerrückstellung sowie ein Gewerbekapital von unter 6 000 DM zugrunde. Der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag 1977 wurde mit 6 575 DM festgesetzt.

Der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage hin hob das Finanzgericht (FG) den Gewerbesteuerbescheid 1977 auf.

Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb mit der Maßgabe zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), daß der Tenor der Vorentscheidung berichtigt wird und an Stelle des Gewerbesteuerbescheides 1977 die Gewerbesteuermeßbescheide 1977 vom 4.Februar 1982 und vom 10.April 1979 aufgehoben werden.

1. Nach § 2 Abs.1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist Steuergegenstand der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Nach § 2 Abs.1 Satz 2 GewStG ist Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG). § 1 Abs.1 GewStDV ergänzt den § 2 Abs.1 GewStG dahin, daß Gewerbebetrieb eine unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen ausgeübte Tätigkeit ist. § 2 Abs.2 Nr.1 GewStG stellt schließlich klar, daß die Tätigkeit u.a. einer KG stets und in vollem Umfang Gewerbebetrieb ist, wenn die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind. Aus dem Gesagten folgt, daß es für die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage nicht darauf ankommt, ob --wie es das FA in seiner Revisionsbegründung formuliert-- dem Kläger seine Vergütungen außerhalb oder innerhalb seiner Vermögensbeteiligung an den sechs KG zugeflossen sind. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit im Sinne von § 1 GewStDV als Tätigkeit der KG oder aber als Tätigkeit des Klägers zu qualifizieren ist. Im ersteren Falle könnte die Tätigkeit jeder einzelnen KG wegen § 2 Abs.2 Nr.1 GewStG nur insgesamt und in vollem Umfang Gewerbebetrieb sein. Die Beurteilung auf der Ebene der KG wäre auch für die steuerrechtliche Einordnung der Vergütungen des Klägers unter die sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs.1 EStG) maßgebend. Im letzteren Fall wäre zu prüfen, ob die Tätigkeit des Klägers die Voraussetzungen des § 1 GewStDV erfüllt.

2. Nach § 15 Abs.1 Nr.2 EStG gehören zu den Einkünften aus einem gewerblichen Unternehmen sowohl die Gewinnanteile des Gesellschafters u.a. einer KG als auch die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Jedoch folgt aus § 9 Nr.2 GewStG im Umkehrschluß, daß die Regelung des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG es nicht ausschließt, die Gewinnanteile und Vergütungen gleichzeitig auch noch einem anderen gewerblichen Unternehmen zuzuordnen. Eine entsprechende Zuordnung setzt allerdings voraus, daß entweder die Beteiligung an der Personengesellschaft im Vermögen des anderen gewerblichen Unternehmens gehalten wird oder daß die im Dienste der Gesellschaft ausgeübte Tätigkeit Teil eines anderen gewerblichen Unternehmens ist. Ist die Personengesellschaft allerdings selbst Gewerbebetrieb, so schließt § 9 Nr.2 GewStG den Ansatz von Gewinnanteilen und Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG im Gewerbeertrag des anderen gewerblichen Unternehmens aus.

3. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die nicht mit Revisionsrügen angefochten wurden und deshalb den erkennenden Senat binden (§ 118 Abs.2 FGO), waren die KG, an denen der Kläger als Komplementär beteiligt war, nicht gewerblich tätig. Sie erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Damit scheidet die Anwendung des § 9 Nr.2 GewStG aus. Bezüglich der Frage, ob die Tätigkeit eines Gesellschafters im Dienste der nicht gewerblich tätigen Personengesellschaft im Sinne von § 1 GewStDV der Gesellschaft oder dem Gesellschafter zuzuordnen ist, ist wie folgt zu unterscheiden. Führt der Gesellschafter nur die Geschäfte der Personengesellschaft nach der Art eines leitenden Angestellten, so wird er auf Rechnung und Gefahr der Personengesellschaft tätig. Diese trägt das unmittelbare Erfolgsrisiko der Tätigkeit, auch wenn der Gesellschafter über seinen Gewinnanteil am Erfolg oder Mißerfolg der Gesellschaft teilnehmen sollte. Die Tätigkeit des Gesellschafters ist in diesem Fall eine unselbständige, die für sich genommen nicht unter § 1 GewStDV fällt. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Gesellschafter gleichzeitig die Geschäfte mehrerer Gesellschaften führt. Erbringt dagegen der Gesellschafter Leistungen an die Personengesellschaft nach Art eines selbständigen gewerblichen Unternehmers, so ist insoweit er und nicht die Personengesellschaft i.S. des § 1 GewStDV gewerblich tätig. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist, ob dem Gesellschafter jede einzelne Leistung marktgerecht vergütet wird oder ob er nur eine allgemeine Tätigkeitsvergütung nach Art eines Gehalts bzw. seinen Gewinnanteil als "Vergütung" erhält.

4. Nach den insoweit den Senat wiederum bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 FGO) erschöpften sich die Tätigkeiten des Klägers in der Übernahme der persönlichen Haftung und in der Geschäftsführung für die KG. Die Übernahme der persönlichen Haftung ist ein typischer Gesellschafterbeitrag,der für sich genommen keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit des Gesellschafters gibt. Die bloße Geschäftsführung der KG ist regelmäßig eine nichtselbständige Arbeit und erlaubt ebenfalls keinen Rückschluß auf die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit des Gesellschafters. Die Tatsache, daß der Kläger als Gewinnvorab 5 v.H. des Gewinns bzw. mindestens 24 000 DM pro Jahr erhielt, spricht ebenfalls für eine Tätigkeit des Klägers nur als Organ der KG. Zwar wurde die Verwaltung der Gesellschaftsvermögen im Januar 1976 treuhänderisch auf die U-KG übertragen. Dies hat jedoch auf die hier zu beurteilende Frage keinen Einfluß, weil die Verträge nicht im Namen des Klägers, sondern im Namen der KG abgeschlossen wurden. Damit sprechen alle Anhaltspunkte gegen die Annahme eines gewerblichen Unternehmens des Klägers. Dann aber war der Erlaß eines Gewerbesteuermeßbescheides 1977 gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Die dennoch erlassenen Gewerbesteuermeßbescheide 1977 waren gemäß § 100 Abs.1 Satz 1 FGO aufzuheben.

5. Allerdings ist das angefochtene Urteil insoweit fehlerhaft, als das FG den Gewerbesteuerbescheid 1977 an Stelle der Gewerbesteuermeßbescheide 1977 aufgehoben hat. Gemäß § 11 Abs.1 GewStG geht die Ermittlung des Gewerbeertrags in den Steuermeßbetrag ein. Nach § 14 Abs.1 GewStG ist ein einheitlicher Steuermeßbetrag durch Zusammenrechnung der Steuermeßbeträge nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital zu bilden. Nach § 14 Abs.2 GewStG ist dieser einheitliche Meßbetrag festzusetzen. Auf den Festsetzungsbescheid findet § 182 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) sinngemäße Anwendung (§ 184 Abs.1 Satz 4 AO 1977). Danach ist über die Höhe des Gewerbeertrags nur im Gewerbesteuermeßbescheid zu befinden. Die dortige Entscheidung geht in die Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags ein und ist für die Festsetzung der Gewerbesteuer bindend. Die im Gewerbesteuermeßbescheid getroffenen Entscheidungen können nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht aber durch Anfechtung des Gewerbesteuerbescheides angegriffen werden.

Da bei sinngemäßer Auslegung sowohl des Klagebegehrens in der 1. Instanz als auch des Revisionsbegehrens des FA davon ausgegangen werden muß, daß der Gewerbesteuermeßbescheid 1977 Streitgegenstand des Klage- und Revisionsverfahrens sein sollte und war, und da die entsprechende Richtigstellung auch nicht gegen § 96 Abs.1 Satz 2 FGO verstößt, ist der erkennende Senat auf Grund der Revision des FA und der sich daraus ergebenden Prüfungskompetenz (§ 118 Abs.3 Satz 2 FGO) befugt, die Vorentscheidung entsprechend zu ändern. Dies gilt auch insoweit, als das FG es unterlassen hat, den Gewerbesteuermeßbescheid 1977 vom 10.April 1979 ebenfalls aufzuheben. Die entsprechende Aufhebung ist erforderlich, weil die bloße Aufhebung des Bescheides vom 4.Februar 1982 den Bescheid vom 10.April 1979 wiederaufleben läßt, weshalb über das Klagebegehren nur dann vollständig entschieden ist, wenn auch letzterer Bescheid aufgehoben wird. Es ist die Sache des FA, als Folge der getroffenen Entscheidung auch den Gewerbesteuerbescheid 1977 gemäß § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977 aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61976

BStBl II 1987, 816

BFHE 150, 441

BFHE 1987, 441

BB 1987, 2358

BB 1987, 2358-2360 (ST)

DB 1987, 2232-2234 (ST)

DStR 1987, 766-767 (ST)

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