Entscheidungsstichwort (Thema)

(Finanzgerichtliche Überprüfung einer Vorbehaltsfestsetzung - AfaA für bei einem Umbau entfernte Gebäudeteile: Voraussetzungen, Wert der Gebäudeteile, bewußte Beseitigung - Erwerb eines Gebäudes in Umbauabsicht)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das FG hat auch eine Steuerfestsetzung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (§ 164 AO 1977), in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen.

2. Wird ein Gebäude im Anschluß an den Erwerb umgebaut, so kommt für entfernte Gebäudeteile eine AfaA nur in Betracht, wenn der Erwerber im Zeitpunkt der Anschaffung keine Umbauabsicht hatte, die entfernten Gebäudeteile einen abgrenzbaren Niederschlag in den Anschaffungskosten gefunden haben und ihr Wert nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist.

 

Orientierungssatz

1. Der Wert eines entfernten Gebäudeteils bei der AfaA entspricht dem auf ihn entfallenden Anteil an der AfA-Bemessungsgrundlage.

2. Dem Abzug von AfaA steht nicht entgegen, daß Gebäudeteile im Zuge einer Baumaßnahme bewußt beseitigt werden (vgl. BFH- Urteil vom 20.04.1993 IX R 122/88).

3. Wird ein Gebäude in der Absicht erworben, es teilweise abzubrechen und anschließend grundlegend umzubauen, gehört der anteilige Restwert der entfernten Gebäudeteile zu den Herstellungskosten des neu gestalteten (umgebauten) Gebäudes. Dabei spricht bei einer Umgestaltung des Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dessen Anschaffung der Beweis des ersten Anscheins für eine Umbauabsicht (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG 1981 § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 7, §§ 21, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7; AO 1977 § 164

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahre 1982 (Streitjahr) zum Kaufpreis von 650 000 DM ein Mietwohngrundstück, das mit einem im Jahre 1910 errichteten Mehrfamilienhaus bebaut ist. Im Anschluß an den Erwerb ließ er das Gebäude umgestalten. Die hierfür entstandenen Aufwendungen führten zu nachträglichen Herstellungskosten. In der Einkommensteuererklärung 1982 machten der Kläger und seine mit ihm zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehefrau Absetzungen für außergewöhnliche technische/wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) in Höhe von 32 308 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Betrag entfällt nach dem Vortrag des Klägers auf Gebäudeteile, die technisch noch nicht verbraucht waren und im Zuge des Umbaus entfernt werden mußten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Aufwendungen nicht als sofort abziehbare Werbungskosten und erließ einen dementsprechenden, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977--) stehenden Einkommensteuerbescheid.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Zur Begründung führte es u.a. aus, daß AfaA zwar nicht vorgenommen werden könnten, wenn ein Gebäude in der Absicht erworben werde, es nach der Anschaffung umzugestalten. Wegen des im angefochtenen Steuerbescheid enthaltenen Vorbehalts der Nachprüfung sei der Senat jedoch daran gehindert, Feststellungen zu einer etwaigen Umbauabsicht des Klägers und zum Wert der entfernten Gebäudeteile zu treffen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7 Abs.1 letzter Satz des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG enthält keine ausreichenden Feststellungen, um den Abzug der geltend gemachten AfaA als Werbungskosten zu rechtfertigen. Es beruht damit auf einer fehlerhaften Anwendung materiellen Rechts (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31). Die Ansicht des FG, es sei aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung gehindert gewesen, diese Feststellungen zu treffen, entspricht nicht der geltenden Rechtslage.

1. Nach § 7 Abs.1 Satz 4 i.V.m. Abs.4 Satz 3 EStG in der Fassung für das Streitjahr können bei Gebäuden AfaA vorgenommen und gemäß § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden. Derartige Absetzungen kommen auch im Hinblick auf Gebäudeteile in Betracht, die anläßlich eines Umbaus entfernt werden, sofern die Teile einen abgrenzbaren Niederschlag in den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gefunden haben. Wird ein älteres Gebäude nach dem Erwerb umgestaltet, spricht dies entsprechend den Grundsätzen zur steuerlichen Behandlung des sog. anschaffungsnahen Aufwands dafür, daß der Kaufpreis des Gebäudes im Hinblick auf dessen Alter und Verschleiß gemindert worden ist (Senatsurteil vom 30. Juli 1991 IX R 123/90, BFHE 165, 253, BStBl II 1992, 30), und daß dementsprechend die entfernten Teile, zumindest nicht mit einem abgrenzbaren Betrag, in den Anschaffungskosten enthalten sind. Weiterhin darf die AfaA nicht von ganz untergeordneter Bedeutung sein (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1962 VI 270/61 S, BFHE 76, 247, BStBl III 1963, 89). Dabei entspricht der Wert eines entfernten Gebäudeteils dem auf ihn entfallenden Anteil an der AfA-Bemessungsgrundlage. Dem Abzug von AfaA steht --bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen-- nicht entgegen, daß Gebäudeteile im Zuge einer Baumaßnahme bewußt beseitigt werden (vgl. Senatsurteil vom 20. April 1993 IX R 122/88, BFHE 171, 234, BStBl II 1993, 504).

Wird ein Gebäude hingegen in der Absicht erworben, es teilweise abzubrechen und anschließend grundlegend umzubauen, gehört der anteilige Restwert der entfernten Gebäudeteile zu den Herstellungskosten des neu gestalteten (umgebauten) Gebäudes (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; Senatsurteil in BFHE 171, 234, BStBl II 1993, 504). Bei einer Umgestaltung des Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dessen Anschaffung spricht gemäß den Grundsätzen des Beschlusses in BFHE 125, 516 BStBl II 1978, 620 ein Beweis des ersten Anscheins für eine Umbauabsicht.

2. Im Streitfall hat das FG im Hinblick auf den im angefochtenen Einkommensteuerbescheid enthaltenen Vorbehaltsvermerk keine Feststellungen zur Höhe der AfaA getroffen. Auch hat es offengelassen, ob der Kläger das Gebäude in Umbauabsicht erworben hatte. Hierdurch hat es seine gerichtliche Überprüfungspflicht verletzt, die auch bei Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung besteht (BFH-Urteile vom 21. Mai 1992 IV R 107/90, BFH/NV 1993, 296; vom 7. Februar 1990 I R 145/87, BFHE 161, 387, BStBl II 1990, 1032).

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Dieses wird zu prüfen haben, ob der Kläger bei Erwerb des Gebäudes die Absicht hatte, es umzugestalten. Sollte der Kläger den für einen Erwerb in Umbauabsicht sprechenden Beweis des ersten Anscheins entkräften können (vgl. BFH in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620), so wird das FG der Frage nachzugehen haben, ob die entfernten Teile mit einem abgrenzbaren Betrag in den Anschaffungskosten enthalten sind und ihr Wert nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Sind die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, so kann das FG bei der weiteren rechtlichen Beurteilung davon ausgehen, daß das weitere Erfordernis für den Abzug einer AfaA, das außergewöhnliche Ereignis, vorliegt; es ist im Entfernen der strittigen Gebäudeteile zu erblicken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65113

BFH/NV 1994, 86

BStBl II 1994, 902

BFHE 175, 55

BFHE 1995, 55

BB 1994, 1990 (L)

DB 1994, 2116 (LT)

HFR 1994, 707-708 (LT)

StE 1994, 600 (K)

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