Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 1 KStG für Ausgaben, die eine Stiftung in Erfüllung ihres satzungsmäßigen Zwecks macht, gilt nur für solche Ausgaben, die nicht gleichzeitig Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG sind. Sind gleichzeitig die Voraussetzungen des § 12 Ziff. 1 KStG und des § 4 Abs. 4 EStG erfüllt, so geht § 4 Abs. 4 EStG vor.

Soweit eine Stiftung, die Mitunternehmerin einer Personengesellschaft ist und ihre Gewinnanteile an der Personengesellschaft nach der Stiftungssatzung in bestimmtem Umfang den Arbeitnehmern der Personengesellschaft zuwenden muß, ihre Gewinnanteile satzungsgemäß verwendet, greift das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 1 KStG nicht ein. Die Ausschüttungen sind vielmehr abzugsfähige Betriebsausgaben der Stiftung.

 

Normenkette

KStG § 12 Ziff. 1; AO § 215; EStG § 4 Abs. 4, § 15/2

 

Tatbestand

Die Bgin. eine staatlich genehmigte Stiftung, ist Kommanditistin der A. & Co. KG eines größeren Fabrikunternehmens (abgekürzt: KG). Komplementär der KG war in den Streitjahren II/1948 bis 1954 Frau B.; Kommanditistin war neben der Bgin. noch Fräulein C. Die Bgin. wurde im Jahre 1934 mit einem Stiftungskapital von 400.000 RM von der früheren Gesellschafterin der KG, Frau D., gegründet. Diese trat von ihrer Darlehnsforderung bzw. Beteiligung bei der KG einen Teilbetrag von 400.000 RM unwiderruflich an die Stiftung ab, die damit Gesellschafterin der KG mit einem Gewinnanteil von 40/63 wurde. Nutzungsberechtigte der Stiftung sind die Arbeitnehmer der KG; der der Bgin. zufließende Gewinn wird nach den vom Stiftungsvorstand aufgestellten Richtlinien an die Arbeitnehmer der KG verteilt; mindestens 15 v. H. müssen einem Pensionsfonds zugeführt werden; bei der Verteilung des Gewinns sind auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Familienstand der Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen. Die Bgin. schüttete an die Arbeitnehmer der KG von den ihr in den Streitjahren II/1948 bis 1954 zugeflossenen Gewinnen von rund 1.130.000 DM insgesamt 319.455 DM aus; die Zuwendungen an die einzelnen Arbeitnehmer betrugen 150 bis 350 DM. Die Bgin. wurde mit den festgestellten Gewinnanteilen an der KG zur Körperschaftsteuer herangezogen; die Ausschüttungen an die Arbeitnehmer der KG hat sie bisher nicht von den Gewinnanteilen gekürzt. Nunmehr verlangt sie, bei den auf Grund einer Betriebsprüfung vorgenommenen Berichtigungsfeststellungen die Ausschüttungen an die Arbeitnehmer der KG im Jahre der Ausschüttung als Betriebsausgaben von ihren Gewinnanteilen abzusetzen.

Die Zahlungen an die Arbeitnehmer waren früher nicht der Lohnsteuer unterworfen. Im September 1955 forderte das Finanzamt die Lohnsteuer von der KG nach. Es betrachtet die Zuwendungen der Bgin. an die Arbeitnehmer der KG als zusätzlichen Arbeitslohn, der den Arbeitnehmern auf Grund des Arbeitsverhältnisses zur KG zufließt. Der gegen die KG erlassene Lohnsteuerhaftungsbescheid ist nicht rechtskräftig; es schwebt das Berufungsverfahren.

Das Finanzamt lehnte den Antrag der Bgin., die Gewinnanteile um die an die Arbeitnehmer der KG ausgeschütteten Beträge zu kürzen, ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es führte im wesentlichen aus: Die Bgin. habe die Zuwendungen als Kommanditistin der KG gemacht. Zwischen der Bgin. und der KG bestehe ein enger Zusammenhang. Nach §§ 10 und 11 des Gesellschaftsvertrags vom 21. Dezember 1942 solle die Bgin. später auch die Anteile der beiden anderen Gesellschafterinnen bei deren Tod oder Ausscheiden gegen Abfindung übernehmen. Den Anteil der inzwischen ausgeschiedenen Komplementärin, Frau B., habe sie schon übernommen und verfüge dadurch bereits über 5/6 des Gesamtkapitals und der Erträge der KG. Nach der Stiftungssatzung seien nur Arbeitnehmer der KG begünstigt. Die Bgin. habe den Zweck, einen betriebsanhänglichen und tüchtigen Stamm von Werksangehörigen für die KG zu schaffen und zu erhalten. Die vom Finanzamt aus § 12 Ziff. 1 KStG erhobenen Bedenken seien nicht begründet. § 12 Ziff. 1 KStG habe nur im Rahmen des Körperschaftsteuer-Veranlagungsverfahrens Bedeutung; hier aber würden bereits die Gewinnanteile der Bgin. im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren durch die Betriebsausgaben gemindert.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Es ist dem Finanzamt zuzugeben, daß die Bgin. mit den Ausschüttungen an die Arbeitnehmer dem Zweck dient, zu dem sie von der Stifterin geschaffen wurde, nämlich aus sozialen Erwägungen die Arbeitnehmer in besonderer Weise an dem Betriebsergebnis der KG, das sie mitgeschaffen haben, teilnehmen zu lassen. Die Feststellung des Finanzgerichts, daß die Bgin. die Ausschüttungen in erster Linie als Kommanditistin der KG mache, um ihren eigenen Gewinnanteil zu erhöhen, ist überspitzt und mit dem klaren Inhalt der Akten nicht zu vereinbaren. Mit Recht beanstandet das Finanzamt auch die Ausführungen des Finanzgerichts, wonach § 12 Ziff. 1 KStG im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 215 AO nicht zu beachten sei. Steht fest, daß die Bgin. die Ausschüttungen nach § 12 Ziff. 1 KStG bei Ermittlung ihres körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens nicht absetzen darf, so können die Beträge auch nicht zuvor bei Ermittlung des Gewinnanteils der Bgin. an der KG abgesetzt werden.

Das Finanzamt berücksichtigt aber nicht ausreichend die wesentliche Besonderheit des Streitfalls, daß nämlich die Bgin. eine Doppelstellung hat: Sie ist eine Stiftung und erfüllt als solche ihren satzungsmäßigen Zweck, die Arbeitnehmer der KG am Gewinn zu beteiligen. Sie ist aber auch gleichzeitig Kommanditistin und damit Mitunternehmerin der KG (ß 15 Ziff. 2 EStG) und kann als solche die Ausgaben, die sie aus betrieblichen Gründen macht, als Betriebsausgaben (ß 4 Abs. 4 EStG) bei Ermittlung ihres Gewinnanteils an der KG absetzen. Die Ausschüttungen der Bgin. an die Arbeitnehmer der KG kann man entsprechend der Doppelstellung der Bgin. auch unter beiden rechtlichen Gesichtspunkten würdigen. Infolgedessen muß geprüft werden, welcher der beiden gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich der Vorrang gebührt. Der Senat ist der Auffassung, daß in Fällen der vorliegenden Art § 4 Abs. 4 EStG vorgehen muß, so daß nicht abzugsfähige Aufwendungen zur Erfüllung des Stiftungszwecks im Sinne des § 12 Ziff. 1 KStG bei einer Stiftung, die gleichzeitig Gewerbetreibende ist und daraus die Mittel zur Erfüllung ihres Stiftungszwecks gewinnt, nur solche Ausgaben sein können, die ihrer Natur nach nicht Betriebsausgaben sind. § 12 Ziff. 1 KStG will - ähnlich wie § 12 EStG - verhindern, daß Ausgaben, die ihrer Art nach eine Verwendung des erzielten Einkommens bedeuten, bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen werden Aufwendungen, die der Erzielung des Einkommens dienen, müssen aber nach allgemeinen Grundsätzen als einkommensmindernd berücksichtigt werden.

Für die Frage, ob eine Ausgabe beim Geber der Erzielung des Einkommens dient oder Verwendung des erzielten Einkommens ist, kann auch bedeutsam sein, wie sich die Sache für den Empfänger darstellt. Was an die Arbeitnehmer eines gewerblichen Betriebs als Arbeitslohn gezahlt wird, muß von dem Unternehmer des Betriebs grundsätzlich als Betriebsausgabe abgesetzt werden können; denn gezahlte Arbeitslöhne sind typische Betriebsausgaben. Der Gedanke, daß bestimmte Aufwendungen beim Geber und Empfänger gleich behandelt werden müssen, liegt auch der Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 172/59 U vom 27. November 1959 (BStBl 1960 III S. 65) zugrunde. Die Zuwendungen der Bgin. an die Arbeitnehmer der KG könnte man - von der Arbeitnehmerseite her betrachtet - entsprechend der Doppelstellung der Bgin. an sich auch verschieden würdigen: Entweder sind sie mildtätige Zuwendungen aus der Stiftung; dann brauchen die Arbeitnehmer die Zuwendungen nicht als Arbeitslohn zu versteuern und die Bgin. darf sie gemäß § 12 Ziff. 1 KStG nicht von ihrem Einkommen absetzen. Oder die Arbeitnehmer erhalten die Zuwendungen als zusätzlichen Arbeitslohn; dann muß die Bgin. sie als Kommanditistin bei Ermittlung ihres Gewinnanteils als Betriebsausgaben absetzen können. Im Streitfall hat das Finanzamt sich dafür entschieden, die Zuwendungen bei den Arbeitnehmern als zusätzlichen Arbeitslohn zu behandeln und die Lohnsteuer darauf zu erheben. Diese Auffassung ist mit dem weiten Begriff des Arbeitslohns in § 19 EStG (ß 2 LStDV) durchaus vereinbar und entspricht der Verkehrsauffassung. Die Arbeitnehmer würden es wahrscheinlich ablehnen, mit den Ausschüttungen der Bgin. mildtätige Zuwendungen von ihr entgegenzunehmen; sie sehen darin vielmehr besondere Vergütungen für ihre dem Betrieb geleisteten Dienste, also Arbeitslohn. Geht man aber davon aus, so müssen die Zuwendungen im Rahmen der KG Betriebsausgaben sein und sind bei der Ermittlung des Gewinnanteils der Bgin., die diese Ausgaben trägt, zu berücksichtigen.

Das Finanzamt faßt den Begriff Betriebsausgaben zu eng. Wenn etwa ein Einzelunternehmer, um aus sozialen Erwägungen dem Gedanken der Betriebsgemeinschaft von Unternehmer und Belegschaft in besonderer Weise zu dienen, sich entschließt, in Zukunft jährlich nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs die Hälfte des Gewinns an die Belegschaft als Gewinnbeteiligung zu verteilen, so liegt darin nicht eine nach § 12 EStG unbeachtliche Verwendung des erzielten Einkommens, sondern eine Betriebsausgabe im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG. Die Sache ist auch nicht anders, wenn ein Unternehmer den ganzen Gewinn an die Belegschaft verteilen würde. Der Streitfall liegt ähnlich. Die Bgin. verwendet einen Teil ihres Buchgewinns für die Belegschaft. Sie ist bereits überwiegend Trägerin des Betriebsvermögens der KG und wird es im Laufe der Zeit wahrscheinlich ganz werden. Es wäre unvertretbar, das, was sie als Gewinnanteile an die Arbeitnehmer ausschüttet, steuerlich außer Betracht zu lassen, weil sie die Rechtsform einer Stiftung hat. Dieses Ergebnis liegt nicht im Sinne des § 12 Ziff. 1 KStG. Das vom Finanzamt erstrebte Ergebnis, die Ausschüttungen gleichzeitig mit der Lohnsteuer und der Körperschaftsteuer zu belasten, ist unvertretbar. Was an Körperschaftsteuer erhoben wird, würde im übrigen der auch steuerlich förderungswürdigen sozialen Zwecksetzung der Stiftung entzogen.

Das Finanzamt führt mit Recht aus, die Bgin. könne gemäß § 12 Ziff. 1 KStG die Ausgaben zu gemeinnützigen Zwecken nicht vom Einkommen absetzen. Aber hier handelt es sich nicht um solche Ausgaben; die Ausschüttungen an die Arbeitnehmer sind, wie ausgeführt, Betriebsausgaben.

Das Finanzamt wendet ferner ein, die Bgin. würde, wenn man dem Finanzgericht folge, unter Umständen überhaupt kein Einkommen zu versteuern haben, sofern sie nämlich ihren ganzen Gewinn an die Arbeitnehmer verteile. Das ist in der Tat die Konsequenz der Auffassung des Finanzgerichts, die aber rechtlich nicht zu beanstanden ist. Das Finanzamt beachtet nicht ausreichend, daß niemand gehalten ist, im Interesse des Steuerfiskus das Einkommen, das er erzielen kann, auch zu erzielen, um es der Besteuerung unterwerfen zu können. Ein Unternehmer, der z. B. infolge besonders großzügiger Entlohnung seiner Belegschaft keinen Gewinn macht, bleibt steuerfrei. Das gilt auch für Stiftungen, die gleichzeitig Unternehmer sind (vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs I 5/59 U vom 22. September 1959, BStBl 1960 III S. 37; VI 64/57 U vom 2. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 36).

Da nach allem das Ergebnis des Finanzgerichts zu billigen ist, daß die Bgin. von dem buchmäßig für sie ausgewiesenen Gewinnanteil eines Wirtschaftsjahres die Ausschüttungen, die sie in diesem Wirtschaftsjahr an die Arbeitnehmer der KG gemacht hat, als Betriebsausgaben im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der KG absetzen lassen kann, mußte die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409700

BStBl III 1960, 335

BFHE 1961, 233

BFHE 71, 233

BB 1960, 1050

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