Leitsatz (amtlich)

Wird anläßlich einer Betriebsaufspaltung das Warenvorratsvermögen von der Besitzpersonengesellschaft auf die neu gegründete Betriebs-GmbH mit der Abrede übertragen, daß die GmbH das Warenlager in gleicher Größe und gleich guter Menge bei Ablauf des Pachtvertrages an die Besitzgesellschaft zurückgeben muß, so ist diese Verpflichtung eine Darlehnsschuld, die bei der Feststellung des Einheitswerts der GmbH als Schuld abgezogen werden kann. An der gegenteiligen Auffassung im Urteil III 114/57 U vom 15. Juli 1960 (BFH 71, 403, BStBl III 1960, 400) hält der Senat nicht mehr fest.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Klägerin und Steuerpflichtige, im folgenden GmbH genannt) wurde durch notariellen Vertrag als Folge einer Betriebsaufspaltung von den Gesellschaftern der T-OHG mit einem Stammkapital von ..... DM, das sofort voll einbezahlt wurde, gegründet. Die OHG wurde in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) umgewandelt. Die Gesellschafter der GbR und der GmbH sind identisch. Auch die Beteiligungsverhältnisse sind an beiden Gesellschaften gleich. Durch Pachtvertrag übernahm die GmbH von der Besitzfirma den Geschäftsbetrieb der früheren OHG mit allen hierfür erforderlichen Vermögenswerten, insbesondere dem Anlagevermögen und den Warenvorräten. Hinsichtlich der Warenvorräte war in § 2 Nr. 3 des Pachtvertrages folgendes vereinbart:

"Alle vorhandenen Warenvorräte werden der GmbH mit der Maßgabe überlassen, daß letztere bei Auflösung des Pachtverhältnisses eine gleich große und gleich gute Menge Vorräte an die OHG wieder zurückzugeben hat."

Der Pachtzins setzte sich aus der Abschreibung und Verzinsung für das gepachtete Anlagevermögen, der Verzinsung des Wertes der übernommenen Warenvorräte und aus 1 % des Umsatzes zusammen.

Die GmbH aktivierte in ihrer Eröffnungsbilanz die Warenvorräte mit ..... DM und stellte in den Passiven zum Ausgleich einen gleich hohen Schuldposten "Sachkapitalschuld" ein. Entsprechend verfuhr die GmbH in der Folgezeit.

Das FA - Revisionskläger und Beklagter - behandelte den Schuldposten, den es als Rückgabeverpflichtung bezeichnete, ertragsteuerlich als Betriebsschuld, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens jedoch als verdecktes Stammkapital. Die Einsprüche gegen die Einheitswertnachfeststellung zum 1. Januar 1950 und die Wertfortschreibung zum 1. Januar 1952 und gegen die Hauptfeststellung zum 1. Januar 1953 blieben erfolglos. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BFH III 114/57 U vom 15. Juli 1960 (BFH 71, 403, BStBl III 1960, 400) sah das FA in den Gesellschafterdarlehen eine verdeckte Stammeinlage.

Die Berufung (Klage, mit welcher die GmbH den Abzug von Betriebsschulden als "Sachkapitalschuld" begehrte, hatte Erfolg.

Das FG ging davon aus, daß die Überlassung der Warenvorräte mit der Verpflichtung, bei Beendigung des Pachtverhältnisses Waren in gleicher Größe und Menge zurückzugeben, rechtlich als Darlehen zu behandeln sei. Im Vordergrund stehe nicht die Gebrauchsüberlassung mit Rückgabeverpflichtung des überlassenen Gegenstandes, sondern das Recht des Verbrauchs vertretbarer Sachen gegen Rückgabe von Sachen gleicher Art, Güte und Menge. Die Waren seien entgegen dem Sachvortrag der GmbH als Sachwertdarlehen in ihr Eigentum übergegangen.

Das Darlehen sei auch als Gesellschafterdarlehen zu behandeln. Zwar sei der Darlehnsvertrag im Rahmen des Pachtvertrages nicht von den GmbH-Gesellschaftern selbst, sondern von der OHG abgeschlossen worden. Wirtschaftlich gesehen seien jedoch Darlehnsgeber und Gesellschafter der GmbH identisch.

Hinsichtlich der steuerlichen Auswirkung schloß sich die Vorinstanz der Rechtsprechung der Ertragsteuersenate (BFH-Entscheidungen I 44/57 U vom 13. Januar 1959, BFH 68, 515, BStBl III 1959, 197, und IV 218/65 vom 18. März 1966, BFH 84, 539, BStBl III 1966, 197) an. Bürgerlichrechtlich wirksame und mit der tatsächlichen Gestaltung wirtschaftlich übereinstimmende Verträge müßten auch steuerlich gebührend berücksichtigt werden. Es sei einem Gesellschafter nicht verwehrt, seiner Gesellschaft eigene Mittel entweder in der Form als Darlehen oder in der Form von Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Dabei könne er auch die Darlehnsbedingungen günstiger gestalten, als sie einem Fremdgläubiger eingeräumt würden. Der gegenteiligen Auffassung des Bewertungssenats des BFH (Entscheidung III 114/57 U vom 15. Juli 1960, a. a. O.) könne nicht zugestimmt werden, da keine beachtenswerten Gründe für eine abweichende Beurteilung nach dem BewG beständen.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das sich im wesentlichen auf die Ausführungen in der Entscheidung III 114/57 U (a. a. O.) bezieht. Der III. Senat habe seine Auffassung in der Entscheidung III 230/64 vom 6. Oktober 1967 (BFH 90, 302, BStBl II 1968, 74) aufrechterhalten. Das FA beantragt daher Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Die GmbH hat kostenpflichtige Zurückweisung der Revision beantragt. Sie hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat die Verpflichtung der GmbH auf Rückgewähr der bei Abschluß des Pachtvertrages übernommenen Warenvorräte zutreffend als Darlehnsverbindlichkeit angesehen. Das Darlehen wurde zwar nicht von den Gesellschaftern der GmbH, sondern von der Besitz-OHG abgeschlossen. Trotzdem bestehen keine Bedenken, mit dem FG davon auszugehen, daß Darlehnsgeber und Gesellschafter der GmbH wirtschaftlich gesehen identisch sind, da völlige Identität hinsichtlich der Personen der Gesellschafter und ihrer Beteiligung an der Besitz-Gesellschaft und der GmbH besteht. Diese Darlehnsvereinbarung ist in bürgerlich-rechtlich zulässiger Weise begründet worden und stimmt mit der tatsächlichen Gestaltung überein. Im Gegensatz zur ertragsteuerlichen Behandlung derartiger Gesellschafterdarlehen im Urteil I 44/57 U vom 13. Januar 1959 (a. a. O.) hat der erkennende Senat im Urteil III 114/57 U vom 15. Juli 1960 (a. a. O.) die Darlehen als verdecktes Stammkapital behandelt. Er hat damals die Auffassung vertreten, daß ein außenstehender Dritter Darlehnsbeträge in dieser Höhe (damals rd. 1 000 000 DM bei einer Kapitalgrundlage von nur 22 500 DM) zu diesen Bedingungen nicht gewährt hätte. Die Aufnahme der Darlehen bei dem Gesellschafter sei daher objektive notwendig gewesen, weil das erforderliche Kapital im Wege der Aufnahme von fremden Krediten nach den Umständen nicht hätte beschafft werden können. Der erkennende Senat hält an dieser Auffassung nicht mehr fest. Er tritt vielmehr der steuerlichen Behandlung der Gesellschafterdarlehen durch die Ertragsteuersenate bei (BFH-Entscheidungen I 44/57 U vom 13. Januar 1959, a. a. O.; IV 218/65 vom 18. März 1966, a. a. O.).

Die "Darlehnsverpflichtung" der GmbH ist im Zuge der Betriebsaufspaltung der früheren OHG in eine Besitzfirma und in eine Be- und Vertriebsfirma, letztere als selbständige juristische Person, entstanden. Es liegt ein Fall der "echten" Betriebsaufspaltung vor, die auch vom erkennenden Senat für das Gebiet des Bewertungsrechts anerkannt worden ist (s. BFH-Entscheidung III 218/65 vom 14. November 1969, BFH 98, 189, BStBl II 1970, 302). Nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit im bürgerlichen Recht konnte hierbei die Besitzfirma ihre Warenvorräte auf die GmbH übertragen und diese die Verpflichtung übernehmen, bei Beendigung des Pachtverhältnisses Waren in gleicher Menge und Qualität zurückzuerstatten. Wie der I. Senat in der Entscheidung I 198/62 U vom 28. Oktober 1964 (BFH 81, 329, BStBl III 1965, 119) ausgeführt hat, kann ein Gesellschafter im Verhältnis zu seiner GmbH gesellschaftsrechtliche und schuldrechtliche Beziehungen haben. Die nach bürgerlichem Recht zulässige Gestaltungsmöglichkeit ist, was der erkennende Senat auch in anderen Fällen wiederholt schon ausgesprochen hat, auch steuerlich zu beachten. Sie wäre nur dann unbeachtlich, wenn es sich um eine ungewöhnliche Vertragsgestaltung handeln würde, die als Gestaltungsmißbrauch im Sinne des § 6 StAnpG angesehen werden müßte. Allein die Tatsache, daß eine Betriebsaufspaltung vorliegt, reicht hierfür jedoch noch nicht aus. Es kommt hinzu, daß der erkennende Senat schon früher ausgesprochen hat, bei der Beurteilung eines Gesellschafterdarlehens als abzugsfähige Schuld sei auf das Verhältnis des Eigenkapitals zu den Fremdmitteln und zur Höhe des Anlagevermögens im Rahmen des gesamten Betriebes abzustellen. Er hat es in der Entscheidung III R 18/68 vom 21. März 1969 (BFH 95, 402, BStBl II 1969, 430) für ausreichend erachtet, wenn die Eigenmittel rd. 46 v. H. und die Fremdmittel rd. 54 v. H. des Anlagevermögens ausmachten und hierzu ausgeführt, daß diese Werte zueinander noch in einem vertretbaren Verhältnis ständen. Der Senat hat ferner in der unveröffentlichten Entscheidung III R 105/68 vom 17. Dezember 1971 ausgeführt, daß keinesfalls verlangt werden könnte, daß darüber hinaus auch das Umlaufvermögen in vollem Umfang durch Eigenkapital gedeckt sein müßte. Im Streitfall handelt es sich aber gerade um die Kreditierung des Umlaufvermögens in der Form, daß das bei der Betriebsaufspaltung auf die Betriebsgesellschaft übertragene Vorratsvermögen bei Beendigung des Pachtverhältnisses auf die Besitzgesellschaft in gleicher Menge und Güte zurückübertragen werden muß. Hiernach ist die Rückgabeverpflichtung der GmbH bei der Einheitswertfeststellung ihres Betriebsvermögens als abzugsfähige Schuld zu behandeln.

Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425938

BStBl II 1972, 518

BFHE 1972, 160

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