Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung vor dem FG abgegebener Prozeßerklärungen durch den BFH

 

Leitsatz (NV)

Das Revisionsgericht ist bei der Beurteilung von Prozeßerklärungen (hier: Klageabweisungsantrag des FA) nicht an die Auffassung der Tatsacheninstanz gebunden.

 

Normenkette

FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) -- Ehegatten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts -- vermieteten eine im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft errichtete Eigentumswohnung nach Fertigstellung ab 1. Juni 1984 an die T-GmbH (T), die die Wohnung an private Endmieter weitervermietete. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) endete das Zwischenmietverhältnis mit T nach einer fristlosen Kündigung durch die Kläger zum 9. Oktober 1984. Ab 1. März 1985 vermieteten die Kläger die Wohnung an die U-GmbH (U), die die Wohnung ebenfalls an private Endmieter weitervermietete.

Die Kläger verzichteten auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) stimmte den Steueranmeldungen für 1982 bis 1984 zu, in denen die Kläger Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... DM aus Rechnungen über die Herstellung der Wohnung als Vorsteuerbeträge abgezogen hatten.

Den Vorsteuerabzug berichtigte das FA 1990 in den (teilweise geänderten) Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1984 bis 1988 gemäß § 15 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) für den Zeitraum ab 10. Oktober 1984.

In den Bescheiden für 1985 bis 1988 setzte das FA darüber hinaus Umsatzsteuer wegen unberechtigt ausgewiesener Steuerbeträge (§ 14 Abs. 2 UStG 1980) fest.

Das FG setzte auf die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage die Umsatzsteuer für die Streitjahre 1985 bis 1988 antragsgemäß auf jeweils 0 DM fest und wies die Klage im übrigen (1984) ab. Zur Begründung führte es u. a. aus: Eine Vorsteuerkorrektur nach § 15 a UStG 1980 komme nicht in Betracht, weil im Streitfall keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift eingetreten sei. Daß ein Fall des § 14 Abs. 2 UStG 1980 nicht vorliege, sei zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Da die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung für 1984 auf einen negativen Betrag laute, sei die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen.

Mit der auf die Streitjahre 1985 bis 1988 beschränkten Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 15 a UStG 1980.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanz gerichtsordnung -- FGO --).

1. Das FG ist in der Vorentscheidung davon ausgegangen, soweit in den Steuerbescheiden 1985 bis 1988 Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 UStG 1980 festgesetzt worden sei, habe das FA daran im Klageverfahren nicht mehr festgehalten. Diese Auffassung über die zutreffende Deutung des prozessualen Begehrens des FA teilt der erkennende Senat nicht. Sie steht im Widerspruch zum Antrag des FA, die Klage -- in vollem Umfang -- abzuweisen. Der Antrag schließt die Steuerfestsetzung nach § 14 Abs. 2 UStG 1980 ein, so daß auch insoweit Streit zwischen den Beteiligten bestand, über den das FG zu befinden hatte. Bestätigt wird dies durch den Revisionsantrag des FA, der ebenfalls -- ohne Einschränkung -- auf Klageabweisung gerichtet ist.

Der Senat ist zur Auslegung des Klage abweisungsantrags befugt. Das Revisionsgericht ist bei der Beurteilung von Prozeßerklärungen nicht an die Auffassung der Tatsacheninstanz gebunden (vgl. Senats urteil vom 14. Mai 1992 V R 56/89, BFHE 168, 472, BStBl II 1992, 859, unter II.1. m. w. N.).

2. Ob die Steuerfestsetzung nach § 14 Abs. 2 UStG 1980 zu Recht erfolgt ist, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des FG über die Abrechnungen der Kläger nicht beurteilen. Die Sache muß deshalb zurückverwiesen werden.

Im Rahmen der Prüfung, ob das FA den Vorsteuerabzug berichtigen durfte, wird das FG bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung zu berücksichtigen haben, daß die Umsatzsteuerfestsetzungen 1982 bis 1984, in denen das FA den Vorsteuerabzug aus den Baurechnungen zugelassen hat, unanfechtbar und nicht mehr (z. B. nach § 164 Abs. 2, § 165 Abs. 2, § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) änderbar sind. In ihnen ist eine steuerpflichtige (nicht abzugsschädliche) Grundstücksvermietung als für den Vorsteuerabzug maßgebende Verwendung i. S. von § 15 a Abs. 1 UStG 1980 der Bauleistungen zur Herstellung der Wohnung zugrunde gelegt worden. Der Senat hält es nicht für ausgeschlossen -- ohne daß dies im Streitfall entscheidungserheblich wäre -- daß für die Vorsteuerberichtigung nach § 15 a Abs. 1 UStG 1980 die einer unanfechtbaren und nicht mehr änderbaren Steuerfestsetzung für das Erstjahr zugrundeliegende Beurteilung des Vorsteuerabzugs selbst dann maßgebend sein könnte, wenn sie unzutreffend gewesen sein sollte. Dann läge eine Änderung der Verhältnisse vor, wenn die rechtlich richtige Würdigung des Verwendungsumsatzes in einem Folgejahr -- gemessen an der "maßgebenden" Beurteilung für das Erstjahr -- zu einer anderen Beurteilung des Vorsteuerabzugs führte. Unter Umständen sind ferner Feststellungen dazu zu treffen, wie die Wohnung in der sogenannten In terimsphase nach Kündigung des ersten Mietvertrages bis zur zweiten Zwischenvermietung verwendet worden ist und ob die zweite Zwischenvermietung umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden kann.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 396

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