Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine „Zwangsprivatisierung“ einer Restkaufpreisforderung aus Betriebsveräußerung im ganzen bei zurückbehaltenem sonstigen Betriebsvermögen

 

Leitsatz (NV)

Hat bei einer Betriebsveräußerung im ganzen der Veräußerer Vermögen zurückbehalten und bedarf dieses noch der Abwicklung, gehört die Restkaufpreisforderung aus der Betriebsveräußerung zumindest für die Dauer der Abwicklung noch solange zum Betriebsvermögen, wie sie nicht freiwillig ins Privatvermögen überführt wird.

 

Normenkette

BewG § 95 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (EFG 1997, 1007)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb einen …bau. Zum 1. April 1992 veräußerte er die wesentlichen Betriebsgrundlagen, nämlich das Anlagevermögen, die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie den Geschäftswert, zum Preis von 1 400 000 DM. Der Preis war in Höhe von je 500 000 DM am 1. April 1992 und 1993 sowie von 400 000 DM am 1. März 1994 zu zahlen. Die Kundenforderungen, die Verbindlichkeiten sowie die halbfertigen Arbeiten verblieben beim Kläger. Die halbfertigen Arbeiten stellte der Erwerber des Betriebes als Subunternehmer des Klägers fertig.

Die Vermögensaufstellung des Klägers zur Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 wies als Besitzposten Forderungen in Höhe von 1 304 147 DM einschließlich der Restkaufpreisforderung von 900 000 DM sowie Rückstellungen von 23 110 DM und Verbindlichkeiten in Höhe von 353 635 DM auf. Nach einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) mit Bescheid vom 13. Dezember 1994 den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 statt auf die vom Kläger errechneten 927 000 DM auf 27 000 DM fest, weil die restliche Kaufpreisforderung von 900 000 DM notwendiges Privatvermögen und daher für Zwecke der Vermögensteuer beim sonstigen Vermögen zu erfassen sei.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1007 veröffentlicht. Es war der Ansicht, der Kläger sei zwar am streitigen Stichtag nicht mehr werbend tätig gewesen; gleichwohl habe sein Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) so lange fortbestanden, wie noch zu verwertendes Betriebsvermögen vorhanden gewesen sei. Dazu habe ―abgezinst auf einen Betrag von 875 938 DM― auch die Restkaufpreisforderung gehört. Sie sei durch Veräußerung von Betriebsvermögen entstanden und nicht entnommen worden. Die Betriebsveräußerung gelte auch anders als noch zur Zeit des EStG 1958 und des § 46 Abs. 5 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1958 nicht mehr als Entnahme. Infolgedessen ende der betriebliche Zusammenhang erst mit der Erfüllung der Forderung.

Mit der Revision rügt das FA sinngemäß fehlerhafte Anwendung des § 95 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 (BewG a.F.). Die Forderung auf den Restkaufpreis sei nicht mehr Teil des Gewerbebetriebs. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gehe die sich aus einer Betriebsveräußerung ergebende Kaufpreisforderung automatisch in das Privatvermögen des Veräußerers über. An dieser Rechtsprechung habe die Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) nichts geändert. Die Tatsache, daß der Große Senat den späteren Ausfall der Forderung nicht als nachträglichen Verlust i.S. des § 24 Nr. 2 EStG, sondern als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gewertet habe, laufe vielmehr auf eine Bestätigung der Rechtsprechung hinaus.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet, sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Restkaufpreisforderung aus der Betriebsveräußerung im ganzen gehört zum Betriebsvermögen.

1. Der gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG a.F. festzustellende Einheitswert für einen inländischen Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 und 2 EStG) hat gemäß § 95 Abs. 1 BewG a.F. alle Teile zu erfassen, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Dabei ist nicht Voraussetzung, daß sich der Betrieb noch in der werbenden Phase befindet. Vielmehr ist ein Einheitswert des Betriebsvermögens über das Ende der werbenden Tätigkeit hinaus so lange festzustellen, wie an dem jeweiligen Stichtag noch positives oder negatives Betriebsvermögen vorhanden ist. Die dazu mit BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 II R 25/90 (BFHE 171, 311, BStBl II 1993, 584) noch zur Rechtslage vor 1993 entwickelten Grundsätze gelten weiter. Allerdings ist ab dem 1. Januar 1993 grundsätzlich auf den einkommensteuerrechtlichen Betriebsvermögensbegriff abzustellen.

Trotz des mittlerweile erfolgten Übergangs sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen auf den Erwerber und unabhängig von der Zugehörigkeit der Kaufpreisforderung aus der Betriebsveräußerung zum Betriebs- oder Privatvermögen des Veräußerers war im Streitfall am 1. Januar 1993 in Gestalt der halbfertigen Arbeiten sowie der sonstigen Forderungen in Höhe von 404 147 DM und der Verbindlichkeiten in Höhe von 353 635 DM noch Betriebsvermögen vorhanden. Die halbfertigen Arbeiten blieben bis zu ihrer Fertigstellung und Abnahme Betriebsvermögen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1986 VIII R 134/80, BFHE 147, 8, BStBl II 1986, 788). Auch die durch betriebliche Vorgänge begründeten Forderungen des Klägers haben ihre Eigenschaft, Betriebsvermögen zu sein, behalten, weil noch mit einer betrieblichen Verwertung durch Tilgung der verbleibenden betrieblichen Schulden zu rechnen war (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1972 VIII R 3/66, BFHE 106, 528, BStBl II 1972, 936). Ob die Forderungen in dieser Zeit auch ins Privatvermögen hätten überführt werden können und ob dies ―wenn überhaupt― nur für unbestrittene Forderungen in Betracht gekommen wäre, ist umstritten (vgl. dazu BFH- Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564 unter 2. a, sowie Dötsch, Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe, 1987, S. 73), kann aber vorliegend auf sich beruhen, weil der Kläger keine Überführung ins Privatvermögen vorgenommen und/oder geltend gemacht hat. Auch die betrieblich begründeten Schulden bleiben nach der Veräußerung des Betriebs grundsätzlich Betriebsvermögen (so BFH-Beschluß vom 26. März 1991 VIII R 315/84, BFHE 166, 7, BStBl II 1992, 472 unter B. I. 1.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sie durch Verwertung des zurückbehaltenen Aktivvermögens oder durch Einsatz des Veräußerungserlöses hätten erfüllt werden können, aber nicht erfüllt worden sind (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1980 I R 119/78, BFHE 133, 22, BStBl II 1981, 460, sowie vom 21. November 1989 IX R 10/84, BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213). Eine solche Ausnahme liegt im Streitfall nicht vor.

2. Dieses Restbetriebsvermögen bedurfte noch der Abwicklung. Zumindest für die Dauer der Abwicklung gehört gemäß § 95 Abs. 1 BewG a.F. auch die am Bewertungsstichtag noch bestehende Restkaufpreisforderung aus der Betriebsveräußerung zum Betriebsvermögen.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH soll die Kaufpreisforderung aus einer Betriebsveräußerung im ganzen, d.h. aus der Veräußerung sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen (so BFH-Urteil vom 12. Juni 1996 XI R 56, 57/95, BFHE 180, 436, BStBl II 1996, 527), mit dem Bewirken der geschuldeten Leistung durch den Veräußerer notwendig in dessen Privatvermögen übergehen (so BFH- Urteile vom 23. November 1967 IV R 173/67, BFHE 90, 378, BStBl II 1968, 93; vom 19. Januar 1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327, BStBl II 1978, 295, sowie vom 24. September 1976 I R 41/75, BFHE 120, 212, BStBl II 1977, 127, 129), weil mit der Veräußerung die betriebliche Tätigkeit ende und danach Betriebsvermögen begriffsnotwendig ausgeschlossen sei.

Wie die Begründung ergibt und eine Durchsicht der entschiedenen Fälle bestätigt, bezieht sich diese Rechtsprechung lediglich auf solche Sachverhalte, bei denen nicht nur sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen, sondern das gesamte Betriebsvermögen veräußert worden sind. Hat der Veräußerer jedoch Vermögen zurückbehalten und bedarf dieses wie im Streitfall noch der Abwicklung (Einziehung der Forderungen; Tilgung der Verbindlichkeiten; Abwicklung der halbfertigen Arbeiten), stellt diese Abwicklung noch eine gewerbliche Tätigkeit dar. Der einkommensteuerrechtliche Begriff des Gewerbebetriebs umfaßt nämlich ―anders als der des Gewerbesteuerrechts― auch die auf Abwicklung eines Unternehmens gerichtete Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1980 IV R 68/77, BFHE 131, 70, BStBl II 1980, 658). Dauert aber die gewerbliche Einkünfteerzielung ―wenn auch nicht mehr aus werbender Tätigkeit― an, besteht kein Zwang, die Kaufpreisforderung dem Privatvermögen zuzuordnen.

b) Nach § 16 Abs. 2 EStG ist bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns vom Veräußerungspreis auszugehen. Der Veräußerungsgewinn gehört gemäß Abs. 1 der Vorschrift sowie gemäß dem Prinzip, den Totalgewinn zu erfassen, zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Daraus ergibt sich, daß die Kaufpreisforderung aus einer Veräußerung sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen im Betriebsvermögen entsteht. Diese Eigenschaft behält sie, sofern sie nicht freiwillig ins Privatvermögen überführt wird, mindestens solange, wie noch zurückbehaltenes Betriebsvermögen abzuwickeln ist. Daß dem so sein muß, zeigt sich besonders dann, wenn zurückbehaltene betriebliche Verbindlichkeiten abhängig vom Forderungseingang abwechselnd aus Zahlungen auf die ebenfalls zurückbehaltenen Forderungen aus der früheren werbenden Tätigkeit und auf die in Raten zu begleichende Forderung aus der Betriebsveräußerung getilgt werden. Dabei wird deutlich, daß die Forderungen aus Betriebsveräußerungen hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen nicht anders behandelt werden können als zurückbehaltene Forderungen aus der beendeten werbenden Tätigkeit (so auch Vorlagebeschluß vom 26. März 1991 VIII R 55/86, BFHE 166, 21, BStBl II 1992, 479).

c) Der vom FA vertretene automatische Übergang ins Privatvermögen kann auch nicht mit dem nunmehrigen Satz 5 des § 16 Abs. 3 EStG begründet werden. Gemäß dieser Vorschrift sind die im Zuge einer Betriebsaufgabe nicht veräußerten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe des Gewerbebetriebs anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, daß die Wirtschaftsgüter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ins Privatvermögen überführt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 1998 X R 150/95, BFHE 186, 70, BStBl II 1998, 569).

 

Fundstellen

Haufe-Index 425033

BFH/NV 2000, 686

HFR 2000, 481

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