Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfteerzielungsabsicht bei befristeter Vermietung

 

Leitsatz (NV)

  1. Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist grundsätzlich ohne weitere Prüfung von einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen (z.B. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt.
  2. Hat der Steuerpflichtige den Entschluss, auf Dauer zu vermieten, endgültig gefasst, gelten die Grundsätze des Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 für die Dauer seiner Vermietungstätigkeit auch dann, wenn er das bebaute Grundstück später aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert.
  3. Ein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz liegt vor, wenn der Steuerpflichtige ein bebautes Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs ‐ von in der Regel bis zu fünf Jahren ‐ seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert.
 

Normenkette

EStG §§ 2, 21; FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger erwarb im September 1993 ein Grundstück und ließ darauf (nach einem im Juni 1994 gestellten Bauantrag und einer im August 1994 erteilten Baugenehmigung) ein Doppelhaus (Fertigstellung am 31. Mai 1995) errichten. Der Kläger beauftragte einen Immobilienmakler, das Doppelhaus zu vermieten. Im August 1994 schloss der Kläger mit den Eheleuten X und im Oktober 1994 mit den Eheleuten Y jeweils einen (vom Makler vorbereiteten) Mietvertrag ab, der als Mietbeginn den 31. Mai 1995 und als Mietende den 31. Dezember 1997 vorsah. Beide Mietverträge enthielten außerdem den Hinweis, dass der Vermieter die Mieträume nach Beendigung des Mietverhältnisses wie folgt zu verwenden beabsichtige: "Bestehender Eigenbedarf durch Nutzung für erwachsene Tochter."

Zur Finanzierung des Bauvorhabens nahmen die Kläger im Oktober 1994 ein Darlehen mit einem (bis zum 30. August 1997 unveränderlichen) Festzins von 7,1 v.H. auf, das ―innerhalb bestimmter Fristen― zum Ablauf der jeweiligen Festzinsvereinbarung kündbar war.

Im April 1996 beantragte der Kläger für das Grundstück eine Teilungsgenehmigung, die er im Juni 1996 erhielt. Durch notariell beurkundete Kaufverträge vom 15. Juli und 27. August 1996 veräußerte der Kläger die Doppelhaushälften an die seinerzeitigen Mieter.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (1993 bis 1996) machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Werbungskostenüberschüsse von 400 DM (1993), 81 148 DM (1994), 35 590 DM (1995) und 41 229 DM (1996) geltend; darin enthalten waren Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 50 v.H. der im jeweiligen Jahr angefallenen Herstellungskosten des Doppelhauses. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ließ diese Werbungskostenüberschüsse nicht zum Abzug zu. Die Veräußerung der Doppelhaushälften kurze Zeit nach der Inanspruchnahme der Steuervorteile spreche gegen eine Anschaffung mit der Absicht, durch die Vermietung Überschüsse zu erzielen.

Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die Kläger geltend machten, der Verkauf der Doppelhaushälften sei aus erst nach dem Erwerb eingetretenen Gründen notwendig geworden, wies das Finanzgericht (FG) ab. Dem Kläger habe die Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt. Nach den aus den Mietverträgen ersichtlichen Umständen und dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Kläger sich zu Beginn der Vermietungstätigkeit die Möglichkeit offen gehalten habe, die Doppelhaushälften innerhalb eines Zeitraums, in dem ein Totalüberschuss nicht zu erzielen sei, wieder zu veräußern. Ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Sonderabschreibung nach § 4 FördG und der steuerfrei bleibenden Veräußerungsgewinne habe der Kläger als Gesamtergebnis seiner Vermietungstätigkeit einen Werbungskostenüberschuss von 7 958 DM erzielt.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Steuer auf null DM festzusetzen. Sie beantragen ferner, die Zuziehung eines Steuerberaters für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger in den Streitjahren die Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt hat.

1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. Oktober 2000 IX R 52/97, BFH/NV 2001, 587, m.w.N.).

a) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, das der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften; die Einkünfteerzielungsabsicht kann insoweit nur in Ausnahmefällen verneint werden (BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt.

b) Hat der Steuerpflichtige den Entschluss, auf Dauer zu vermieten, endgültig gefasst, gelten die Grundsätze des Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 auch dann, wenn der Steuerpflichtige nach dem Beginn seiner Vermietungstätigkeit das Grundstück aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert. Bei der Beurteilung, ob er mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, ist auch in diesem Fall von einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit auszugehen. Dass die tatsächliche Nutzungsdauer aufgrund neuer, gegebenenfalls von seinem Willen unabhängiger Umstände kürzer wurde, darf dem Steuerpflichtigen nicht zum Nachteil gereichen; nach seinen Vorstellungen bei deren Beginn sollte die Vermietungstätigkeit längerfristig sein.

c) Dagegen kann sich ein Beweisanzeichen für das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht daraus ergeben, dass der Steuerpflichtige in der Zeit seiner nicht auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit kein positives Gesamtergebnis erreichen kann (BFH-Urteil vom 14. September 1994 IX R 71/93, BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116 - betr. die Beteiligung an einem Bauherrenmodell mit Rückkaufsangebot oder Verkaufsgarantie). Es kommt dann nicht darauf an, aus welchen Gründen (z.B. der Lebensführung i.S. von § 12 EStG) er den Werbungskostenüberschuss hinnimmt.

d) Der Senat hat in Fortführung dieser Rechtsprechung durch Urteil vom heutigen Tage IX R 47/99 entschieden, dass ein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz auch dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige das bebaute Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs ―von in der Regel bis zu fünf Jahren― seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert und innerhalb dieser Zeit insgesamt nur einen Werbungskostenüberschuss erzielt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe des Urteils IX R 47/99 Bezug.

e) Der Steuerpflichtige kann das gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechende Beweisanzeichen erschüttern, indem er Umstände darlegt und nachweist, die dafür sprechen, dass er den Entschluss zur Veräußerung erst nachträglich gefasst hat; denn es ist unschädlich, wenn er sich die Veräußerung des erworbenen Grundstücks allgemein für den Fall vorbehält, dass die Änderung äußerer Umstände und Bedingungen ihn dazu zwingen (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2001 IX R 70/98, BFH/NV 2002, 635, m.w.N.).

f) Ob im Einzelfall Indizien gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, die dem FG obliegt (z.B. Urteil in BFH/NV 2002, 635, m.w.N.). Das FG hat alle feststehenden Indizien in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO); diese ist nach § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend, wenn sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Die Gesamtwürdigung durch das FG hat schon dann revisionsrechtlich Bestand, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich ist (Urteil in BFH/NV 2002, 635, m.w.N.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der an die Eheleute Y vermieteten und veräußerten Doppelhaushälfte ist nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) wegen des auf 31 Monate befristeten Mietvertrages und des schuldrechtlich vereinbarten Vorkaufsrechts davon auszugehen, dass der Kläger von vornherein nach Ablauf der Mietzeit die Doppelhaushälfte an die Eheleute Y veräußern wollte.

Bei der an die Eheleute X vermieteten Doppelhaushälfte ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger beim Abschluss des Mietvertrages noch nicht endgültig zu einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit entschlossen war, sondern auch einen kurzfristigen Verkauf ernsthaft in Betracht gezogen hatte. Hierfür spricht u.a. der auf 31 Monate befristete Mietvertrag, der nach den Feststellungen des FG die Mietersuche erheblich erschwerte. Die im Mietvertrag ausgewiesene Nutzung durch Eigenbedarf nach dem Ende der Mietzeit hat das FG als keine feste Planung angesehen, weil es angesichts der Wohnsituation der Familie des Klägers nahe liegender gewesen wäre, der ältesten Tochter sofort eine Doppelhaushälfte zur Nutzung zu überlassen. Dass dies ―wie vom Kläger angegeben― aus finanziellen Gründen (Liquiditätsschwierigkeiten der A-GmbH) unterblieben sei, hat das FG als nicht überzeugend angesehen; denn solche Gründe seien zumindest in der Zeit bis zur ersten Hälfte des Streitjahres 1995 (und damit im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages mit den Eheleuten X) nicht gegeben gewesen. Diese verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommene und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusste Würdigung des FG ist zumindest möglich und bindet damit ebenfalls den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ein solcher Antrag im Revisionsverfahren unzulässig ist. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; dafür ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig (z.B. BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 99/97, BFH/NV 2001, 14, unter II. 4.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 840437

BFH/NV 2002, 1565

DStR 2002, 1899

DStRE 2002, 1353

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