Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel eines hauptberuflich als Rechtsanwalt/Steuerberater tätigen Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (NV)

Erwirbt ein Rechtsanwalt eine größere Anzahl (hier 26) Eigentumswohnungen, von deren Verkauf er im Rahmen seiner Berufstätigkeit erfahren hat und finanziert er diesen Erwerb in vollem Umfang fremd, so erzielt er insoweit Einkünfte aus gewerblichem Grundstückshandel als er hiervon innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb drei Objekte und innerhalb weiterer neun Monate zusätzlich zwei Objekte veräußert.

Dies gilt auch, wenn beim Erwerb der Grundstücke der spätere durch den Verkauf zu deckende Finanzierungsbedarf noch nicht vorhersehbar war (hier: Wiedervereinigung Deutschlands).

 

Normenkette

EStG § 15

 

Verfahrensgang

FG Münster (EFG 1999, 829)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständig tätiger Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Er war in dieser Eigenschaft nach den Feststellungen des Finanzgerichts ―FG― gelegentlich mit Grundstücksangelegenheiten seiner Mandanten befasst. Ferner war er Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH, die im Rahmen eines sog. Ersterwerbermodells in Z an der Erstellung einer Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung mitwirkte, und zwar für ein 1969 (A-Objekt) und ein 1970 (B-Objekt) errichtete und später in Eigentumswohnungen umgewandelte Gebäude. Im Jahr 1987 gründete der Kläger als alleiniger Gesellschafter die X-GmbH, die am 14. Januar 1988 ein Grundstück kaufte. Der Vertrag wurde allerdings am 11. März 1988 wieder aufgehoben. Weitere Geschäfte tätigte die GmbH nicht.

Der Kläger erwarb ―über Treuhänder― am 3. Dezember 1984 11 Eigentumswohnungen des A-Objekts und am 12. März 1987 15 Eigentumswohnungen des B-Objekts. Die voll fremdfinanziert erworbenen Wohnungen waren und blieben unbefristet zu Wohnzwecken vermietet.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands beantragte der Kläger nach dem Vermögensgesetz die Rückgabe von zwei bebauten Grundstücken in D und E. Im Jahr 1993 wurden die ―sanierungsbedürftigen― Objekte an den Kläger zurück übereignet. Der Kläger ließ das Anwesen in D sanieren und vermietete die dort geschaffenen Wohnungen und Ladengeschäfte. Die nach Angaben des Klägers ca. 1,8 Mio. DM betragenden Sanierungskosten finanzierte der Kläger in Höhe von ca. 1 Mio. DM durch Veräußerung von drei Eigentumswohnungen des A-Objekts am 1. September 1991, 20. März 1992, 9. Juni 1992 und von fünf Wohnungen des B-Objekts am 31. Juli 1991, 1. November 1991, 1. Dezember 1991, 31. Oktober 1992 und 2. Januar 1993.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) behandelte die Einkünfte aus der Vermietung der später veräußerten Eigentumswohnungen des A-Objekts und des B-Objekts als gewerbliche, qualifizierte diese Wohnungen als Umlaufvermögen und versagte hierfür eine Absetzung für Abnutzung (AfA).

Die hiergegen vom Kläger für den Veranlagungszeitraum 1988 erhobene Klage hatte insoweit Erfolg, als das FG den Verkauf der drei Eigentumswohnungen des A-Objekts nicht als gewerblichen Grundstückshandel betrachtete. Es wies aber die Klage ab, soweit es um die fünf Eigentumswohnungen des B-Objekts ging. Zwar übe der Kläger keinen sog. branchennahen Beruf aus. Unter Berücksichtigung der zum gewerblichen Grundstückshandel ergangenen Rechtsprechung stelle sich die Tätigkeit des Klägers gleichwohl als gewerblich dar. An dieser Auffassung hielt es auch im angefochtenen Urteil, das die Streitjahre 1989 und 1990 betrifft, fest (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1999, 829).

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ―GG―) und des Art. 19 Abs. 4 GG, weil die vom FG praktizierte Beweislastverteilung praktisch zur Unwiderlegbarkeit der von der Rechtsprechung aufgestellten Vermutungen führe. Auch habe beim Kauf der Objekte die Wiedervereinigung Deutschlands, die letztlich zum Verkauf einzelner Objekte zum Zweck der Sanierung eines rückübereigneten Mietobjekts im Beitrittsgebiet geführt habe, nicht vorhergesehen werden können. Beim Kauf habe daher eine bedingte Veräußerungsabsicht gefehlt. Er habe auch später keine Eigentumswohnungen mehr veräußert.

Der Kläger beantragt, die Entscheidung des FG aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 1989 und 1990 dergestalt abzuändern, dass die Vermietungseinkünfte aus den fünf später veräußerten Eigentumswohnungen des B-Objekts als solche aus Vermietung und Verpachtung behandelt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das auf die Anerkennung der AfA (§ 7 EStG) der veräußerten Eigentumswohnungen des B-Objekts gerichtete Begehren kann keinen Erfolg haben, weil der Kläger diese Wohnungen nicht im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung nutzte. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Tätigkeit des Klägers als gewerblichen Grundstückshandel qualifiziert. Damit gehörten die veräußerten Eigentumswohnungen seit dem Kauf zum Umlaufvermögen dieses Gewerbebetriebes, was eine AfA ausschließt (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512; BFH-Beschluss vom 12. September 1995 X B 83/95, BFH/NV 1996, 206, m.w.N.).

1. Gemäß § 15 Abs. 2 EStG ist unter einem Gewerbebetrieb jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es darf sich dabei weder um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um die Ausübung eines freien Berufs oder einer anderen selbständigen Tätigkeit handeln. Die Betätigung muss über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgehen. Die Absicht, gewerbliche Gewinne zu erzielen, muss durch eine Tätigkeit verfolgt werden, die nach allgemeiner Auffassung als unternehmerisch gewertet wird. Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre sowie anderen Einkunftsarten andererseits ist auf das Gesamt bild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, m.w.N.).

Die gelegentliche Veräußerung und Umschichtung von Grundbesitz gehört grundsätzlich, ebenso wie der Vermögenserwerb noch zu dessen Verwaltung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Mai 1999 I R 118/97, BFHE 188, 561, BStBl II 2000, 28; vom 10. August 1986 IV R 200/83, BFH/NV 1988, 154). Die Vermögensumschichtung wird jedoch zur unternehmerischen Tätigkeit, wenn sie in erster Linie zur Ausnutzung substantieller Vermögenswerte erfolgt, um vorhandenes Vermögen durch Ausnutzung von Substanzwertsteigerungen zu vermehren (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617; z.B. auch BFH-Urteile vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82, BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244; vom 7. Dezember 1995 IV R 112/92, BFHE 180, 42, BStBl II 1996, 367; vom 29. November 1989 X R 100/88, BFH/NV 1990, 440). Dies gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch, wenn der Veräußerungsgewinn auf den vorteilhaften Kaufpreis der Immobilie zurückzuführen ist.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH tritt die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte in den Vordergrund, wenn mehr als drei Objekte innerhalb von fünf Jahren nach ihrem Erwerb wieder veräußert werden; denn dies zwingt nach der Lebenserfahrung mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte zu der Schlussfolgerung, dass bereits beim Kauf der Wohnungen eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht bestanden hat. Die Zahl der Objekte und der zeitliche Zusammenhang der maßgebenden Tätigkeiten haben indizielle Bedeutung. Diese Vermutung kann durch besondere Umstände des jeweiligen Einzelfalles widerlegt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. September 1995 X R 34-35/93, BFH/NV 1996, 302; vom 14. November 1995 VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466; vom 8. Februar 1996 IV R 28/95, BFH/NV 1996, 747; vom 29. Oktober 1998 XI R 58/97, BFH/NV 1999, 766). Der Gefahr, die Indizwirkung faktisch unwiderlegbar zu machen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; BFH-Urteil vom 18. Januar 2001 IV R 58/99, BStBl II 2001, 393, Finanz-Rundschau ―FR― 2001, 401), wird durch die von der Rechtsprechung verlangte Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles begegnet.

3. Danach ist die Vorentscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden. In Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger nicht mehr (nur) vermögensverwaltend tätig war:

a) Zwar hat der Kläger innerhalb des Fünfjahreszeitraums nur drei Eigentumswohnungen veräußert, die zwei weiteren erst sieben bzw. neun Monate später. Der Fünfjahreszeitraum stellt jedoch keine absolute Grenze dar. Die mit der zunehmenden Zeitdauer zwischen An- und Verkauf sich verringernde Indizwirkung kann durch zusätzliche Anhaltspunkte, die für einen gewerblichen Grundstückshandel sprechen, ausgeglichen werden (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 466, m.w.N.; vom 5. September 1990 X R 107-108/89, BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060; BFH-Beschluss vom 26. März 1999 X B 155/98, BFH/NV 1999, 1209). Diese sind im Streitfall gegeben.

Im Rahmen der Gesamtschau ist zu berücksichtigen, dass der Kläger 1987 insgesamt 15 Eigentumswohnungen aus dem B-Objekt erworben hat, nachdem er bereits 1984 11 Eigentumswohnungen des A-Objekts gekauft hatte. Der Erwerb der 26 Eigentumswohnungen war in vollem Umfang fremdfinanziert. Die Anzahl der erworbenen Objekte und die voll umfängliche Fremdfinanzierung sind gewichtige Indizien für eine bereits bei Erwerb vorliegende bedingte Verkaufsabsicht (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 747). Denn bei völliger Fremdfinanzierung ist nicht auszuschließen, dass Mittelbedarf eintritt und infolgedessen ein Teil der erworbenen Objekte veräußert werden muss. Dabei verbessert erfahrungsgemäß ein großer Bestand von Eigentumswohnungen die Möglichkeit, im Bedarfsfall einzelne schnell zu veräußern. Hinzu kommt, dass die Eigentumswohnungen nach den Feststellungen des FG "nur" auf unbestimmte Dauer, also nicht langfristig vermietet waren (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 23. April 1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170; BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1209).

b) Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die Rechtsprechung auch darauf abstellt, ob der Steuerpflichtige "branchennah", d.h. in der Bau- und/oder Immobilienbranche tätig war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. April 1998 X R 17/96, BFH/NV 1998, 1467; BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 466). Einen branchennahen Beruf in diesem Sinn hat der als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätige Kläger zwar nicht ausgeübt. Er hat jedoch aufgrund seiner beratenden Betreuung der Eigentümer des B-Objekts in vergleichbarer Weise Insiderwissen erlangt, das letztlich zum Erwerb der streitigen Eigentumswohnungen geführt hat.

Die Motive, die die Veräußerung veranlasst haben (hier der überraschende nach der Wiedervereinigung aufgetretene Finanzbedarf), sind nach ständiger Rechtsprechung für die Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung von dem gewerblichen Grundstückshandel ohne Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. Juni 1997 XI R 71/96, BFH/NV 1997, 839; BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 766; BFH-Beschluss vom 20. April 1994 X B 100/93, BFH/NV 1994, 853; BFH-Urteil vom 16. April 1991 VIII R 74/87, BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844). Die übrigen vom Kläger vorgebrachten Gründe, die gegen einen gewerblichen Grundstückshandel sprechen könnten, wie die letztwillige Verfügung über die Eigentumswohnungen und die Beendigung der Verkaufsaktion mit der Veräußerung vom 2. Januar 1983, vermögen die durch die Veräußerung der fünf Eigentumswohnungen innerhalb von fünf Jahren neun Monaten gegebene Indizwirkung nicht zu widerlegen. Das gilt auch für die Erwartung des Klägers, durch die Vermögensumschichtung künftig eine höhere Rendite seines Vermögens zu erzielen. Höhere Renditeerwartungen sind (auch) für einen gewerblichen Grundstückshandel typisch.

 

Fundstellen

Haufe-Index 641335

BFH/NV 2001, 1545

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