Leitsatz (amtlich)

Haben in einem Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorgelegen, so rechtfertigt die Weigerung eines Ehegatten, die von dem anderen Ehegatten abgegebene gemeinsame Steuererklärung zu unterzeichnen, nicht die getrennte Veranlagung nach § 26a EStG.

 

Normenkette

EStG 1967 §§ 25-26, 26a, 26b, 32a Abs. 1-2; EStDV 1967 §§ 56, 57a, 60 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebt nach seinen Angaben in der Einkommensteuerklärung für 1967 seit dem 1. September 1967 von seiner Ehefrau getrennt. Die Einkommensteuererklärung für 1967 wurde lediglich vom Kläger, nicht auch von seiner Ehefrau unterschrieben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) veranlagte den Kläger nach § 26a EStG und versagte ihm den Splitting-Tarif.

Die hiergegen erhobene Klage hatte in diesem Punkt keinen Erfolg.

Das FG führte in seinem Urteil aus, dem Kläger stehe der Splitting-Tarif für die Einkommensteuer 1967 nicht zu, da gemäß §§ 26 Abs. 2, 26a EStG die getrennte Veranlagung durchzuführen gewesen sei. Es könne dahinstehen, ob die Ablehnung der Zusammenveranlagung für dauernd getrennt lebende Ehegatten sachlich gerechtfertigt sei. Im vorliegenden Fall scheitere die Zusammenveranlagung bereits daran, daß die gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 EStG erforderliche Erklärung der Ehefrau fehle. Nach § 26 Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 57a EStDV sei für die Zusammenveranlagung grundsätzlich eine gemeinsame Erklärung der Ehegatten erforderlich. Hieraus folge zwar nicht, daß beim Fehlen dieser gemeinsamen Erklärung immer die getrennte Veranlagung durchzuführen sei, weil § 26 Abs. 3 EStG unterstelle, daß Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. Es handele sich hierbei aber nur um eine Vermutung, die im Streitfall nicht aufrechterhalten werden könne. Die Ehefrau des Klägers sei für den Veranlagungszeitraum 1966 bereits nur nach Einsicht in die Steuerakten bereit gewesen, die zur Zusammenveranlagung erforderliche Erklärung abzugeben. Nach der Trennung der Eheleute im Jahre 1967 sei daher das Einverständnis der Ehefrau zur Zusammenveranlagung und damit auch zur gesamtschuldnerischen Haftung nicht mehr zu unterstellen gewesen. Der Kläger habe auch selbst erklärt, er könne die Zustimmung seiner Ehefrau zur Zusammenveranlagung nicht erreichen. Damit sei die Vermutung des § 26 Abs. 3 EStG widerlegt.

Mit der Revision beantragt der Kläger, das Urteil des FG abzuändern und die Einkommensteuer auf 6 164 DM festzusetzen. Er rügt, das FG habe nicht berücksichtigt, daß er schon im Einspruchsverfahren die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG gerügt habe. Er habe dies damit begründet, daß die eine Einkommensteuererklärung gemeinsam unterzeichnenden Eheleute im Splitting-Verfahren einem niedrigeren Steuersatz unterworfen würden, auch wenn nur einer der Ehegatten über Einkünfte verfüge, andererseits jedoch getrennt lebende Ehegatten, bei denen die gleichen tatsächlichen Voraussetzungen gegeben seien, nicht begünstigt würden. Die fehlende Unterschrift des Ehegatten berechtige nicht die unterschiedliche Handhabung, denn in beiden Fällen müsse der alleinverdienende Ehegatte seinen und seiner Familie Unterhalt bestreiten. Den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zeige auch das Merkblatt für Lohnsteuerzahler für 1972, nach dem die Steuerklasse III (Splitting-Tarif) bei Arbeitnehmern einzutragen sei, die am 1. Januar 1972 verwitwet waren, wenn sie und der verstorbene Ehegatte im Zeitpunkt des Todes unbeschränkt steuerpflichtig gewesen seien und in diesem Zeitpunkt nicht dauernd getrennt gelebt hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.

Soweit der Kläger sich mit seiner Revision darauf berufen hat, es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, daß Ehegatten bei einer Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer durch die Gewährung des Splitting-Tarifs des § 32a Abs. 2 EStG begünstigt würden, während getrennt lebende Ehegatten, bei denen ebenfalls nur einer allein verdiene, von der Begünstigung ausgeschlossen seien, geht seine Revisionsrüge fehl. Der erkennende Senat hat insbesondere im Urteil vom 17. Juli 1970 VI 337/64 (BFHE 99, 537, BStBl II 1970, 739) dargelegt, daß die unterschiedliche steuerliche Behandlung nicht im Widerspruch mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Grundgesetzes steht. Der Senat ist dabei davon ausgegangen, daß die getrennte Veranlagung, also die Anknüpfung der Steuerpflicht an die Einzelperson, auch bei Ehegatten der Grundsatzregelung entspricht, wie sie sich aus § 25 Abs. 1 EStG ergibt. Nach Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, konnte der Gesetzgeber durch die Gewährung der Zusammenveranlagung und des begünstigenden Splitting-Tarifs bestimmte sozialpolitische Ziele verfolgen. Dabei sind die Ehegatten völlig frei in ihrer Entscheidung, ob sie zusammen oder getrennt leben wollen. Der Senat sieht keine Veranlassung zu einer Änderung seiner im Urteil VI 337/64 dargelegten Rechtsauffassung. Gegen dieses Urteil war seinerzeit fristgerecht Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Das BVerfG hat diese durch Beschluß vom 12. Januar 1971 1 BvR 703/70 nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

War für den Streitfall somit davon auszugehen, daß die Vorschriften der §§ 26 ff., 32a EStG über die Veranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer verfassungskonform sind, so ist für die Entscheidung wesentlich, daß der Kläger und seine Ehefrau die häusliche Trennung erst am 1. September des Streitjahres vollzogen haben. Damit hat insbesondere die Voraussetzung des § 26 Abs. 1 EStG für die Wahl der Zusammenveranlagung, daß die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, im Streitjahr mehr als vier Monate vorgelegen. Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden Ehegatten dann getrennt veranlagt, wenn einer von ihnen die getrennte Veranlagung wählt. Satz 2 dieser Vorschrift lautet zwar dahin, daß Ehegatten zusammenveranlagt werden, wenn beide die Zusammenveranlagung wählen. Nach Satz 2 sind die zur Ausübung der Wahl erforderlichen Erklärungen beim FA schriftlich oder zu Protokoll abzugeben. § 26 Abs. 3 EStG läßt es aber genügen, daß die nach Abs. 2 erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben werden, und schreibt für diesen Fall ausdrücklich vor, es werde dann unterstellt, daß die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. Das FG irrt, wenn es in seinem Urteil ausgesprochen hat, es handele sich hierbei lediglich um eine Vermutung, die im Streitfall nicht aufrechterhalten werden könne, weil nach dem Verhalten der Ehefrau ihr Einverständnis zur Zusammenveranlagung und damit auch zu einer gesamtschuldnerischen Haftung nicht unterstellt werden könne. Eine durch eine gesetzliche Vorschrift ausdrücklich vorgenommene Unterstellung und eine Vermutung stellen unterschiedliche Begriffe dar. Wenn in der Einkommensteuererklärung von Eheleuten, die die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG in einem Veranlagungszeitraum erfüllen, nicht beide den Wunsch nach Zusammenveranlagung ausdrücklich erklären, sollen sie nach § 26 Abs. 3 EStG so behandelt werden, als hätten sie die nach § 26 Abs. 2 Satz 2 EStG erforderliche Erklärung abgegeben. Diese Unterstellung dient nicht nur der Vereinfachung, sondern liegt in der Regel auch im Interesse der Steuerpflichtigen, da dadurch im allgemeinen die für sie günstigste Besteuerung erreicht wird. Die vom FG vorgenommene Umdeutung der Fiktion eines übereinstimmenden Antrags der Eheleute in § 26 Abs. 3 EStG in eine widerlegbare Vermutung entspricht nicht diesem Zweck der gesetzlichen Regelung. Eine ausdrückliche Wahl ist nur für den Antrag auf getrennte Veranlagung vorgeschrieben. Wird er von einem der Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG für eine Wahl vorgelegen haben, gestellt, so kommt eine Zusammenveranlagung grundsätzlich nicht mehr in Betracht; der andere Ehegatte kann dieser Wahl in aller Regel nicht widersprechen. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen ein Wahlrecht auf Zusammenveranlagung oder auf getrennte Veranlagung nicht in Betracht kommt, weil die Ehegatten nicht mindestens vier Monate "zusammen" - nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 1 EStG "nicht dauernd getrennt" - gelebt hatten; hier kommt nicht eine "getrennte" Veranlagung, sondern nur die Einzelveranlagung der Eheleute in Betracht.

Aus der Verpflichtung des § 56 EStDV zur Abgabe einer Steuererklärung und der des § 57a EStDV zur Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung durch beide Ehegatten folgt nicht, wie das FG unzutreffend angenommen hat, daß dann eine getrennte Veranlagung nach § 26a EStG durchzuführen ist, wenn die Ehegatten keine gemeinsame Steuererklärung abgeben, sondern nur die Steuererklärung des einen Ehegatten vorliegt. Auch aus § 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV, der für Fälle des § 57a EStDV, in denen keiner der Ehegatten die getrennte Veranlagung gewählt hatte, die eigenhändige Unterschrift der "gemeinsamen Erklärung" von den Ehegatten fordert, kann aus dem Fehlen der Erklärung nicht hergeleitet werden, daß deshalb die Ehegatten nach § 26a EStG zu veranlagen sind. Einzige gesetzliche Voraussetzung für eine solche Veranlagung ist der ausdrücklich gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG gestellte Antrag eines Ehegatten auf Durchführung der getrennten Veranlagung.

Das Urteil des FG steht in Widerspruch zu dieser rechtlichen Beurteilung. Es war deshalb wegen Rechtsirrtums gemäß §§ 118 Abs. 1, 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Da, wie vorstehend dargelegt, das Einkommensteuergesetz unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG, die nach den bisherigen Feststellungen offenbar vorliegen, eine getrennte Veranlagung nur zuläßt, wenn einer der Ehegatten diese ausdrücklich beantragt, bedarf die Streitsache der weiteren Sachaufklärung. Der Kläger hat geltend gemacht, daß seine Ehefrau keine Einkünfte im Streitjahr gehabt habe. Da sie keine Steuererklärung abgegeben hat, kann an dieser Frage nicht vorbeigegangen werden. Das FA hätte nach §§ 57 a, 60 Abs. 1 EStDV die Abgabe einer Steuererklärung durch die Ehefrau des Klägers fordern und eventuell auch erzwingen können, wenn auch nur im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens. In diesem Rahmen könnte das FA im Weigerungsfalle auch auf die Abgabe der Erklärung verzichten, wenn es sich mit der Erklärung des Klägers begnügen will, seine Ehefrau habe keine Einkünfte im Streitjahr gehabt. Da der Kläger die Zusammenveranlagung beantragt hat und er nur auf diesem Wege den begehrten Splitting-Tarif des § 32a Abs. 2 EStG erlangen kann, werden die rechtlichen Interessen der Ehefrau im Sinne des § 60 Abs. 1 FGO durch die zu treffende Entscheidung berührt. Es erscheint dem Senat deshalb im Streitfall geboten, die Ehefrau von Amts wegen beizuladen und zur Sache zu hören. Sollte sich dabei ergeben, daß sie eigene Einkünfte gehabt hat und nunmehr erklärt, sie wähle die getrennte Veranlagung für die Einkommensteuer des Streitjahres, so könnte dies eine Abweisung der Klage rechtfertigen, weil beachtliche Interessengegensätze unter den Ehegatten bestehen. Hinsichtlich der Frage möglicher Interessengegensätze verweist der Senat auf sein Urteil vom 18. August 1972 VI R 125/71 (BFHE 107, 277, BStBl II 1973, 49).

Ergibt die weitere Sachaufklärung, daß die Ehefrau des Klägers nunmehr der Zusammenveranlagung nicht durch einen Antrag auf getrennte Veranlagung widerspricht, so kann das FG durch Urteil aussprechen, daß das FA verpflichtet ist, die Zusammenveranlagung nach § 26b EStG durchzuführen (s. hierzu Urteil des Senats vom 9. März 1973 VI R 396/70, BStBl II 1973, S. 487).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70452

BStBl II 1973, 557

BFHE 1973, 181

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