Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Entschädigungen, die ein Hauseigentümer auf Grund des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 (BGBl 1955 I S. 734) als Ersatz für Schäden erhält, die an seinem von einer Besatzungsmacht beschlagnahmten Haus während der Beschlagnahme entstanden sind, gehören nicht zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, sondern unterliegen als Ersatz eines Vermögensschadens nicht der Einkommensteuer. Soweit der Hauseigentümer die Entschädigung zur Beseitigung dieser Schäden verwendet, sind die Aufwendungen nicht als Werbungskosten abzugsfähig.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 1, § 21/1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Eigentümerin eines Mietwohnhauses, das von 1945 bis 1954 von der Besatzungsmacht beschlagnahmt war. Das Amt für Verteidigungslasten stellte nach Aufhebung der Beschlagnahme für die während dieser Zeit entstandenen Schäden an dem Haus nach dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 (BGBl. 1955 I S. 734) auf Grund umfangreicher Feststellungen der einzelnen Schäden eine Entschädigung von 23.080,78 DM fest. Die Stpfl. erhielt hierauf im Jahre 1955 eine Abschlagszahlung von 18.000 DM und den Rest von 5.080 DM im Jahre 1956. Sie wandte 1955 für die Instandsetzung des Hauses 11.756 DM und 1957 weiter 3.462 DM auf. Das Finanzamt zog den restlichen Entschädigungsbetrag von 7.862 DM als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuer heran, und zwar 2.782 DM für 1955 und 5.080 DM für 1956.

Das Finanzgericht stellte die Stpfl. auf ihre Sprungberufung von der Einkommensteuer für die nicht verbrauchten Entschädigungszahlungen von 7.862 DM frei. Es nahm an, die der Stpfl. zugeflossenen Schadenersatzleistungen gehörten nicht zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie seien auch keiner anderen Einkunftsart im Sinne des EStG zuzurechnen. Es handle sich dabei vielmehr um echte Ersatzleistungen für die durch die Besatzungsmacht verursachten außergewöhnlichen Schäden an der Substanz des Hauses. Als echte Schadensersatzleistung unterliege diese Einnahme nicht de Einkommensteuer.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb., das Finanzgericht habe den Begriff der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und ebenso den der Werbungskosten bei dieser Einkunftsart verkannt. Die Aufwendungen der Hauseigentümer von privaten Mietwohnhäusern für die Behebung von Schäden durch normale Abnutzung oder durch außerordentliche Ereignisse seien steuerlich Werbungskosten. Umgekehrt gehörten Entschädigungsleistungen zur Abgeltung eines an einem Mietwohnhaus entstandenen Schadens zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Diese Grundsätze kämen auch zur Anwendung bei Besatzungsschäden und Entschädigungsleistungen an die Eigentümer der von der Besatzungsmacht beschlagnahmten Wohnhäuser. Da die der Stpfl. ausgezahlte Entschädigung höher sei als ihre Aufwendungen, sei der überschießende Betrag im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung steuerlich zu erfassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. gegen das Urteil des Finanzgerichts, das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1961 S. 446 (Nr. 509) veröffentlicht ist, ist nicht begründet.

Nach § 21 Abs. 1 Ziff. 1 EStG unterliegt bei der Vermietung eines zum Privatvermögen gehörenden Hauses bei dem Vermieter grundsätzlich alles der Einkommensteuer, was er für die überlassung des Hauses von dem Mieter erhält. Dazu gehören auch die Nutzungsentschädigungen für die Beschlagnahme eines Hauses durch die Besatzungsmacht, da die Beschlagnahme im wirtschaftlichen Ergebnis einer Vermietung gleichzustellen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 105/52 U vom 18. September 1952, BStBl 1952 III S. 307, Slg. Bd. 56 S. 800). Die Beträge, die die Stpfl. von dem Amt für Verteidigungslasten erhalten hat, sind jedoch keine Nutzungsentschädigungen in diesem Sinn, sondern zusätzliche Zahlungen, welche die während der Dauer der Beschlagnahme an dem Haus eingetretenen Schäden abgelten sollten. In dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 105/52 U (a. a. O.) wurde die Entschädigung für die Wertminderungen bei einem von der Besatzungsmacht beschlagnahmten, zu einem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörenden Grundstück zwar als Betriebseinnahme behandelt, bei der nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Ermittlung der landwirtschaftlichen Einkünfte jedoch wegen der eingetretenen Wertminderung (Abtragen des Kulturbodens, Aufschütten von Kies usw.) ein schätzungsweise ermittelter Abschlag vorgenommen. In einer Hilfserwägung wurde außerdem ausgeführt, daß das Ergebnis nicht anders sein könnte, wenn Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorlägen, da dann eine Absetzung wegen außerordentlicher Abnutzung gerechtfertigt wäre.

Gegen diese hilfsweise gemachten Ausführungen hat der Senat Bedenken. Als Einnahmen sind bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung nur Beträge zu behandeln, die dem Vermieter als Gegenleistung für die bestimmungsgemäße Benutzung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zugeflossen sind, Schadensersatzleistungen, die ein Dritter für die am Haus entstandenen Schäden bezahlt, gehören steuerlich nicht dazu. Entschädigungen, die z. B. der Hauseigentümer eines zu einem Privatvermögen gehörenden Wohnhauses von einer Feuerversicherung wegen Brandschäden an dem Haus erhält, stehen nicht mit der Vermietung des Hauses im Zusammenhang. Sie sind deshalb keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (so z. B. Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Auflage, S. 143). Als Ersatz für die an dem Haus eingetretenen Schäden sind sie dem Vermögensbereich des Hauseigentümers zuzurechnen. Auch Ersatzleistungen eines Mieters können derartige Entschädigungen sein, die bei der Einkommensbesteuerung außer Betracht zu lassen sind (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs IV 263/38 vom 19. Januar 1939, RStBl 1939 S. 310, Slg. Bd. 46 S. 79). Das ist der Fall, wenn sie nicht auf dem Mietvertrag, sondern auf einem anderen Rechtsgrund beruhen, z. B. auf unerlaubter Handlung. Nicht anders sind Schadensersatzleistungen zu behandeln, die auf Grund einer zwangsweise durch Beschlagnahme erfolgten Nutzung geleistet werden. Die der Stpfl. gezahlten Entschädigung von 23.080,78 DM ist keine Gegenleistung für die Benutzung des beschlagnahmten Hauses, sondern - wie das der Entschädigungsfestsetzung zugrunde liegende Gutachten des Oberkreisdirektors zeigt - eine echte Schadensersatzleistung. Bei der Feststellung des Entschädigungsbetrags wurde der durch die gewöhnliche Benutzung des Hauses eingetretene Verschleiß von den zur Wiederherstellung des ordnungsmäßigen Zustandes erforderlichen Beträgen ausgeschieden. Die der Stpfl. zugeflossenen Entschädigungszahlungen sollten der Wiederherstellung des Gebäudes dienen. Die Stpfl. war jedoch nicht verpflichtet, die erhaltene Entschädigung zu diesem Zweck zu verwenden. Soweit das nicht geschehe, ist die Entschädigung eine Abgeltung der Wertminderung, die während der Beschlagnahme durch Schäden an der Substanz des Hauses eingetreten ist, die bei einer etwaigen Veräußerung des Hauses im allgemeinen eine entsprechende Ermäßigung des Verkaufspreises zur Folge hat. Das Finanzgericht hat daher zutreffend die der Stpfl. zugeflossene Entschädigung nicht als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung behandelt, sondern als einen das Einkommen nicht berührenden Vorgang des Vermögens.

Soweit die Stpfl. das erhaltene Geld zur Schadensbeseitigung verwendet hat, liegt dieser Vorgang ebenso wie der Empfang des Schadensersatzes auf dem Gebiet des Vermögens; er ist als Rückgängigmachung eines eingetretenen Vermögensschadens ohne Auswirkungen auf die Einkommensbesteuerung. Die Aufwendungen gehören daher nicht zu den Werbungskosten. Nur soweit der Hauseigentümer Aufwendungen für die Schadensbeseitigung macht, die durch den erhaltenen Schadensersatz nicht gedeckt sind, könnten Werbungskosten vorliegen (so auch Niedersächsisches Finanzgericht Hannover, Urteil vom 23. September 1957, EFG 1958 Nr. 162 S. 125). Es kann zwar unter Umständen schwierig sein, festzustellen, wieweit die Aufwendungen des Hauseigentümers der Beseitigung der durch die Besatzungsmacht verursachten Schäden gedient haben und in welchem Umfang sie durch den allgemeinen Verschleiß des Hauses veranlaßt wurden. Diese Schwierigkeiten können jedoch auf die rechtliche Beurteilung keinen Einfluß haben. Die Entscheidung dieser Frage ist nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, erforderlichenfalls im Wege der Schätzung (ß 217 AO) möglich. Für den Streitfall hat diese Frage keine Bedeutung; denn nach dem Akteninhalt haben sämtliche Aufwendungen im Veranlagungszeitraum 1955 der Beseitigung der Besatzungsschäden gedient. Da diese Aufwendungen niedriger waren als die in diesem Veranlagungszeitraum erhaltene Entschädigung, kommt - wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat - ein Abzug dieser Aufwendungen als Werbungskosten nicht in Betracht. Da die Vorentscheidung demnach im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, muß die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410410

BStBl III 1962, 219

BFHE 1962, 591

BFHE 74, 591

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