Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung von Abschnitt 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR.

"Werkeigene Wohnungen" sind nicht nur Wohnungen, die bürgerlich-rechtlich im Eigentum des Werks stehen. Es genügt, daß sie wirtschaftlich eng mit dem Werk verbunden sind. Das ist z. B. der Fall, wenn die Wohnungen nur an Werksangehörige vermietet werden, das Werk auf die Vermietung und den Wohnungsträger besonderen Einfluß besitzt, an der Finanzierung der Gebäude sich beteiligt hat usw.

Wenn ein Unternehmer eine Sachgesamtheit mietet, in der sich auch Wohnungen für Werksangehörige befinden, so können diese Wohnungen "werkeigen" im Sinne von Abschnitt 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR sein.

Mietet dagegen ein Unternehmer bestimmte Räume und vermietet sie an seine Arbeitnehmer weiter, so findet Abschnitt 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR in der Regel keine Anwendung.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 2; EStG §§ 8, 19/1; LStDV § 2/1, § 3; LStR Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4; LStR Abschn. 2/2/3

 

Tatbestand

Der Bf. hat als Unternehmer einige Garagen gemietet, die er gewerblich weitervermietet. Er hat darin eine Wohnung von 30 qm für einen Arbeitnehmer eingebaut. Das Finanzamt stellte für die Wohnung den angemessenen Mietzins auf 30 DM monatlich fest. Der Arbeitnehmer zahlte an den Bf. aber nur eine Miete von 15 DM monatlich. Die Mietverbilligung von 15 DM monatlich setzte das Finanzamt als Arbeitslohn an und nahm den Bf. als Arbeitgeber wegen der darauf entfallenden Lohnsteuer in Anspruch. Der Bf. beruft sich auf Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR, wonach eine Mietverbilligung nicht als Arbeitslohn behandelt wird, wenn sie unter 20 DM monatlich liegt.

Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht läßt dahingestellt, ob Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR eine Rechtsnorm oder nur eine die Steuergerichte nicht bindende Verwaltungsanweisung ist. Im Streitfall seien jedenfalls die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht erfüllt; denn die Vorschrift setze voraus, daß die Mietverbilligung für eine Wohnung in einem werkeigenen Gebäude (Werkwohnung, Dienstwohnung) gewährt werde. "Werkeigen" seien aber nur Gebäude, die im bürgerlich-rechtlichen Eigentum eines Werks (Arbeitgebers) stünden (Hartz-Over, ABC-Führer Lohnsteuer: Stichwort "Wohnung"). Der Bf. sei nur Mieter der Garagen. Er meine zwar, es genüge "wirtschaftliches Eigentum". Das Steuerrecht kenne aber keinen besonderen Eigentumsbegriff; mit dem Begriff "wirtschaftliches Eigentum" werde nur eine von dem rechtlichen Eigentum abweichende Vermögenszugehörigkeit bezeichnet; wirtschaftliches Eigentum sei eine aus § 11 Ziff. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) sich ergebende Form der Zurechnung (Urteil des Bundesfinanzhofs III 169/53 U vom 30. April 1954, BStBl 1954 III S. 194, Slg. Bd. 58 S. 736). Im übrigen sei der Bf. als Mieter nicht wirtschaftlicher Eigentümer, auch wenn der Mietvertrag langfristig sei (Urteil des Reichsfinanzhofs III 185/39 vom 2. September 1939, RStBl 1940 S. 322).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., mit der der Bf. unrichtige Anwendung von Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR in Verbindung mit § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG rügt, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR, dessen Auslegung streitig ist, ist eine rechtsnormähnliche, fortgeltende Bestimmung aus der autoritären Zeit, die auch die Steuergerichte bindet, wie der Senat im Urteil VI 31/61 U vom 8. September 1961 (BStBl 1961 III S. 487) ausgesprochen hat. Der Begriff "werkeigen", der in der Vorschrift verwendet wird, ist also von den Steuergerichten auszulegen.

Nach Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR ist bei Gewährung von freien oder verbilligten Wohnungen in werkeigenen Gebäuden (Werkwohnungen, Dienstwohnungen) nicht als Arbeitslohn anzusetzen der Unterschied zwischen dem Preis, zu dem die Wohnung überlassen wird, und dem ortsüblichen Preis, sofern der Unterschied 20 DM monatlich nicht übersteigt. Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist aus ihrem Inhalt allein nicht zu bestimmen. Die Vorschrift wurde durch den Gemeinsamen Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 20. September 1941 (RStBl 1941 S. 697) in das Lohnsteuerrecht eingefügt. Der Gemeinsame Erlaß wollte die einheitliche Behandlung der näher bezeichneten Lohnbezüge beim Steuerabzug vom Arbeitslohn und bei der Sozialversicherung fördern, diente also im Interesse aller Beteiligten der Vereinfachung. Der Vorschrift liegt offensichtlich die dem EStG entsprechende und zutreffende Vorstellung zugrunde, daß die unentgeltliche oder verbilligte überlassung einer Wohnung für den Arbeitnehmer grundsätzlich ein geldwerter Vorteil im Sinne von §§ 8 und 19 EStG (§§ 2 und 3 LStDV) ist. Dieser Vorteil soll auch steuerlich voll erfaßt werden, wenn die Mietersparnis 20 DM monatlich übersteigt. Wird diese Grenze überschritten, so ist nicht etwa nur der 20 DM übersteigende Teil, sondern die ganze Mietersparnis Arbeitslohn. Der Betrag von 20 DM ist also eine Freigrenze, kein Freibetrag.

Als Wert des Vorteils ist der Unterschied zwischen der ortsüblichen und der tatsächlich gezahlten Miete anzusetzen. Die ortsübliche Miete ist oft keine eindeutig feststehende Größe, sondern kann gewöhnlich nur durch Schätzung innerhalb eines bestimmten Rahmens ermittelt werden. Der Senat hat in der Entscheidung VI 31/61 U, a. a. O., ausgesprochen, daß bei der Schätzung der ortsüblichen Miete für eine Werkwohnung deren Eigenarten zu berücksichtigen sind. Individuelle Vorteile oder Nachteile einer Werkwohnung wirken sich also schon bei der Bemessung der ortsüblichen Miete aus. Aber auch wenn man davon ausgeht, ist trotzdem die ortsübliche Miete für eine Werkwohnung im allgemeinen nicht absolut eindeutig zu beziffern. Es bleibt meist noch innerhalb des Schätzungsrahmens ein Spielraum. Der Senat sieht den Zweck von Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR darin, kleinliche Auseinandersetzungen über die ortsübliche Miete für jede Werkwohnung dadurch zu vermeiden, daß eine mögliche Mietersparnis, die nicht die Grenze von 20 DM übersteigt, außer Ansatz bleiben soll.

Bestimmt man den Sinn und Zweck der streitigen Vorschrift in dieser Weise, so ist die enge Auslegung, die das Finanzgericht dem Begriff "werkeigen" gibt, nicht sachgerecht. Der Ausdruck "werkeigen" ist nicht eindeutig und wird, wie der Bf. mit Recht ausführt, im allgemeinen Sprachgebrauch nicht etwa nur mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum in Verbindung gesetzt. Man spricht z. B. gewöhnlich von einer "Werkkantine" oder werkeigener Kantine", gleichviel, ob das Werk oder die Belegschaft die Kantine in eigener Regie oder ob ein Pächter sie auf seine Rechnung führt. "Werkeigen" ist kein juristischer, sondern ein wirtschaftlicher Begriff, der zum Ausdruck bringen soll, daß eine besonders enge Beziehung eines Gegenstandes zu einem Werk besteht, der Gegenstand "betriebszugehörig" ist. Faßt man den Begriff so auf, so darf das formale bürgerlich-rechtliche Eigentum nicht überbetont werden. Werkwohnungen sind z. B. auch Wohnungen, die ausschließlich den Angehörigen eines Werks zur Verfügung stehen, aber bürgerlich-rechtlich im Eigentum einer Konzerngesellschaft stehen, die formal als Wohnungsträgerin aufgetreten ist, um für das Werk und oft auch mit Mitteln des Werks Wohnungen für Werksangehörige zu bauen und sie nach den Weisungen des Werks zu vermieten. Die erwähnten Schätzungsschwierigkeiten bei der ortsüblichen Miete treten hier ebenso auf wie bei Wohnungen, die bürgerlich-rechtlich im Eigentum des Werks stehen. Es liegt darum nicht im Sinn von Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR, hier Unterschiede zu machen.

Im Streitfall hat der Bf. die Garagen nur gemietet. Die ausgebaute Wohnung kann aber trotzdem als "werkeigen" angesehen werden. Mietet der Arbeitgeber eine bestimmte Wohnung von einem Dritten und überläßt er diese Wohnung unentgeltlich oder verbilligt seinem Arbeitnehmer, so ist in der Regel die ortsübliche Miete die vom Arbeitgeber selbst bezahlte Miete. Hier bedarf es gewöhnlich keiner Schätzung, um die ortsübliche Miete zu ermitteln. Fordert der Arbeitgeber in solchen Fällen vom Arbeitnehmer eine geringere Miete als er selbst bezahlt, so liegt in dem Unterschied ein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer, der voll zu erfassen ist. Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR gilt für diese Fälle grundsätzlich nicht.

Der Bf. hat aber nicht eine bestimmte Wohnung gemietet und an seinen Arbeitnehmer weitervermietet. Er zahlt vielmehr die Miete für die Garagen mit Gelände insgesamt, also für eine Sachgesamtheit. Welcher Teil der Gesamtmiete die ortsübliche Miete für die von ihm ausgebaute Kleinwohnung des Arbeitnehmers ist, kann nicht errechnet, sondern muß geschätzt werden. Dann aber muß nach Sinn und Zweck die Vorschrift des Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR Anwendung finden.

Da das Finanzgericht von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, muß seine Entscheidung aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das die Haftungssumme entsprechend herabzusetzen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410382

BStBl III 1962, 165

BFHE 1962, 441

BFHE 74, 441

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