Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Rückgängigmachung des Grundstückskaufvertrags durch dessen nur "wirtschaftliche" Aufhebung

 

Leitsatz (NV)

Eine nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 wirksame Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags setzt in jedem Fall voraus, daß der Anspruch des Erwerbers auf Verschaffung des Eigentums an dem Grundstück durch (zivil-)rechtliche Aufhebung des Grundstückskaufvertrags beseitigt wird; dessen nur "wirtschaftliche" Aufhebung genügt wegen der grunderwerbsteuerrechtlichen Anknüpfung an Vorgänge des Rechtsverkehrs insoweit nicht.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom ... Juni 1989 kaufte der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ein bebautes Grundstück.

Mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 10. Oktober 1989 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) -- ausgehend von dem als Gegenleistung vereinbarten Kaufpreis -- Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest.

Da der Kläger den Grundstückskaufpreis nicht aufbringen konnte, kam es -- noch vor Umschreibung des Grundbuches -- am ... November 1989 zum Abschluß eines weiteren notariell beurkundeten Vertrages, an dem neben dem Kläger dessen als "Käufer" bezeichneter Bruder und die (Noch-) Eigentümer des oben genannten Grundstücks als dessen "Verkäufer" beteiligt waren. Hierin kamen die Vertragsbeteiligten überein, den Kaufvertrag (vom ... Juni 1989) dahingehend zu ändern, daß anstelle des Klägers nunmehr dessen Bruder das Grundstück erwerben sollte.

Der Kläger trat hierin sämtliche Rechte -- einschließlich des Anspruchs auf Eigentumsübertragung -- aus dem Kaufvertrag vom ... Juni 1989 an seinen Bruder ab. Dieser übernahm sämtliche Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag zur vollständigen Entlastung des Klägers. Die Vertragsübernahme erfolgte im Einverständnis mit dem Verkäufer. Darüber hinaus verpflichtete sich der Bruder des Klägers, die vereinbarten Verzugszinsen zu zahlen.

Der Kläger beantragte, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 10. Oktober 1989 wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 (GrEStG 1983) aufzuheben. Das FA vertrat die Auffassung, die in dem Vertrag vom ... November 1989 vereinbarte Abtretung des Übereignungsanspruchs an den Bruder des Klägers habe nicht zu einer Rückgängigmachung des Grundstückskaufvertrags vom ... Juni 1989 geführt. Durch Bescheid vom 13. Dezember 1989 lehnte es deshalb den Antrag des Klägers ab.

Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den Ablehnungsbescheid vom 13. Dezember 1989 sowie die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1990 auf und verpflichtete das FA, die Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 10. Oktober 1989 aufzuheben.

Mit seiner von der Vorinstanz wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 16 GrEStG 1983.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Der Senat vermag der Auffassung des FG nicht zu folgen, der Grundstückskaufvertrag vom ... Juni 1989 sei i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 wirksam rückgängig gemacht worden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) -- insbesondere auch nach dem vom FG in bezug genommenen BFH-Urteil vom 4. Dezember 1985 II R 171/84 (BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271) -- ist Voraussetzung für eine wirksame Rückgängigmachung, daß die Vertragspartner aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, insbesondere die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 6. Oktober 1976 II R 131/74, BFHE 120, 557, BStBl II 1977, 253, und vom 8. August 1990 II R 184/87, BFH/NV 1991, 267). Der Grundstückskaufvertrag ist soweit rückabzuwickeln bzw. sind dessen Folgen soweit zu beseitigen, daß Bindungen von grunderwerbsteuerrechtlicher Bedeutung nicht mehr bestehen bleiben (vgl. BFH in BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271).

Hierzu bedarf es -- was das FG verkannt hat -- in jedem Falle rechtlicher Hinsicht der Beseitigung des Anspruchs des Erwerbers gegen den Veräußerer auf Verschaffung des Eigentums an dem Grundstück durch Aufhebung des Grundstückskaufvertrags (vgl. BFH in BFH/NV 1991, 267; Sack in Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 16 Rdnr. 25). Denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Eigentumsverschaffung an einem Grundstück der Grunderwerbsteuer. Wird dieser Anspruch rechtlich nicht beseitigt, bleiben Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragschließenden von grunderwerbsteuerlicher Relevanz bestehen. Der Veräußerer bleibt in diesem Fall weiterhin zur Übereignung an den Erwerber verpflichtet und hat seine ursprüngliche Rechtsstellung nicht wiedererlangt.

Entgegen der Auffassung des FG reicht eine "wirtschaftliche" Aufhebung des Grundstückskaufvertrags nicht aus. Denn die Grunderwerbsteuer knüpft nicht an wirtschaftliche Gegebenheiten, sondern an Vorgänge des Rechtsverkehrs an. So wie § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 den rechtsgeschäftlich wirksamen Erwerb eines Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück voraussetzt, verlangt umgekehrt § 16 GrEStG 1983 als "Korrekturvorschrift" zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 die (zivil-)rechtlich wirksame Beseitigung des an sich besteuerungswürdigen Rechtsvorgangs.

2. Die Sache ist spruchreif.

Das FA hat ohne Rechtsverstoß den Antrag des Klägers auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 10. Oktober 1989 abgelehnt. Der Erwerbsvorgang vom 27. Juni 1989 wurde i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 nicht wirksam rückgängig gemacht, weil der Kaufvertrag nicht aufgehoben wurde; der Kläger hat vielmehr seinen Eigentumsverschaffungsanspruch gegen den Verkäufer behalten und über ihn durch Abtretung an seinen Bruder verfügt. Daß die Verkäufer des Grundstücks diesem Vorgehen zugestimmt haben, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts (vgl. Senatsentscheidungen vom 31. Mai 1972 II B 30/71, BFHE 105, 287, BStBl II 1972, 636, und vom 24. Oktober 1990 II B 78/90, BFH/NV 1991, 625).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421091

BFH/NV 1996, 577

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