Leitsatz (amtlich)

Hat ein Arbeitgeber dem FA die Namen seiner Arbeitnehmer, für deren Steuerschulden er in Anspruch genommen worden ist, bis zum Erlaß der Einspruchsentscheidung vorenthalten, so kann er sich nicht darauf berufen, daß das FA in dem Lohnsteuerhaftungsbescheid den Haftungsbetrag nicht auf die einzelnen Arbeitnehmer aufgeteilt hat. Die Nennung der Namen der Arbeitnehmer in einem späteren Klageverfahren führt nicht dazu, daß der Haftungsbescheid nachträglich inhaltlich unbestimmt wird.

 

Orientierungssatz

Nach dem BFH-Urteil vom 18.7.1985 VI R 208/82 ist es für die hinreichende Bestimmtheit eines nach Ablauf des Kalenderjahrs ergehenden Lohnsteuerhaftungsbescheid nicht erforderlich, daß der Haftungsbetrag nach einzelnen Monaten aufgegliedert ist. Diese Entscheidung gilt nicht nur in Fällen monatlicher Lohnzahlungszeiträume, sondern ist allgemein in dem Sinn zu verstehen, daß eine Aufteilung der Haftsumme nach Lohnzahlungszeiträumen nicht erforderlich ist.

 

Normenkette

EStG § 42d; AO 1977 § 191; AO § 97 Abs. 2, § 211 Abs. 1; AO 1977 § 157 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in den Jahren 1972 und 1973 ein Elektromontageunternehmen. Er beschäftigte aushilfsweise eingesetzte Arbeitskräfte, deren Löhne er mit 10 v.H. pauschal besteuerte. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Voraussetzungen für eine pauschale Lohnversteuerung nach Abschn.52c Abs.1 Nr.2 der Lohnsteuer- Richtlinien (LStR) 1972 hätten nicht vorgelegen, da die Einstellung von benötigten Arbeitskräften frühzeitig einkalkulierbar gewesen sei; es habe sich also nicht um Arbeitskräfte gehandelt, deren Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt sofort erforderlich gewesen sei.

Das FA nahm den Kläger durch Haftungsbescheid vom 8.Juni 1976 in Höhe des Differenzbetrages zu einem Steuersatz von 23,4 v.H. auf Zahlung von 7 713,15 DM Lohnsteuer in Anspruch. In dem Haftungsbescheid sind die Lohnsteuerbeträge auf die Jahre 1972 und 1973 aufgeteilt. Die auf die einzelnen Lohnzahlungen entfallende Lohnsteuer ist aus dem Bescheid hingegen nicht ersichtlich.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage, mit der der Kläger Aufhebung des Haftungsbescheides begehrt, statt, da der Haftungsbescheid inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei. Zur Begründung seiner Auffassung führte es im wesentlichen aus: Aus dem Haftungsbescheid seien nicht die einzelnen Lohnsteuerschulden der verschiedenen Steuerschuldner erkennbar. Nach § 46 Abs.3 der Lohnsteuer- Durchführungsverordnung (LStDV) müsse ein schriftlicher Haftungsbescheid die Höhe der nachgeforderten Lohnsteuer enthalten. Dies ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 211 Abs.1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung --AO-- (jetzt § 157 Abs.1 Satz 2 der Abgabenordnung --AO 1977--). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheides erforderlich, daß sich aus diesem die Erstschuld nach Art, Betrag und Schuldner --bei einer Bündelung mehrerer Schulden getrennt für jede einzelne Schuld-- ergebe (Urteile vom 16.März 1962 VI 85/61 U, BFHE 75, 36, BStBl III 1962, 282; vom 30.Januar 1980 II R 90/75, BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316, und vom 23.Februar 1977 I R 243/74, BFHE 121, 307, BStBl II 1977, 366). Im Streitfall enthalte der Haftungsbescheid lediglich eine unaufgegliederte Zusammenfassung mehrerer Steuerschulden. Die einzelne Steuerschuld hätte nicht nur durch Bezeichnung des Arbeitnehmers, also des Steuerschuldners, sondern außerdem auch noch nach den Lohnzahlungszeiträumen abgegrenzt werden müssen; denn mit jeder Lohnzahlung entstehe eine selbständige Steuerschuld. Dies gelte auch in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Steuer für alle pauschal versteuerten Löhne mit einem einheitlichen Prozentsatz nacherhoben werde. Denn auch bei Anwendung eines einheitlichen Steuersatzes seien in den einzelnen Zuflußzeitpunkten jeweils selbständige Steuerschulden entstanden. Dies gelte ferner, wenn, wie das FA behaupte, eine über 10 v.H. Lohnsteuer hinausgehende Nettolohnvereinbarung vorgelegen haben sollte. Die Höhe der auf die jeweiligen Zahlungszeitpunkte entfallenden einzelnen Lohnsteuerschulden müssen sich auch dann aus dem Haftungsbescheid entnehmen lassen, wenn sie dem Haftenden bekannt sein sollte. Dies sei ein Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes. Von diesem dem Gebot der Rechtssicherheit entsprechenden Grundsatz könne nur in besonders liegenden Fällen eine Ausnahme zugelassen werden. Nach dem BFH-Urteil vom 20.Mai 1980 VI R 169/77 (BFHE 130, 461, BStBl II 1980, 669) sei ein Ausnahmefall bei objektiver Unmöglichkeit einer Aufgliederung sowie dann gegeben, wenn es um eine Vielzahl von Arbeitnehmern gehe, die Ansprüche gleichartig und die lohnsteuerrechtlichen Auswirkungen beim einzelnen Arbeitnehmer nur gering seien. Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend nicht gegeben, da der Kläger für die einzelnen Steuerschulden von 24 Arbeitnehmern in Anspruch genommen worden sei. Das FA hätte daher z.B. dem Bescheid eine Anlage beifügen können, in der jedem betroffenen Arbeitnehmer die bei jeder Lohnzahlung entstandene Lohnsteuer hätte zugeordnet werden müssen.

Mit seiner Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur Entscheidung der materiell-rechtlichen Streitfragen an das FG zurückzuverweisen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Das FG habe nicht hinreichend beachtet, daß es sich bei dem vorliegenden Haftungsbescheid um einen besonders gearteten Bescheid handele, der eine Aufteilung der einzelnen Steuerschulden nicht erfordere. Für sämtliche Arbeitnehmer hätten die Pauschalierungsvoraussetzungen nicht vorgelegen, so daß für die Summe aller Löhne eine Nachversteuerung in Höhe von 23,4 v.H. abzüglich 10 v.H. bereits gezahlter Lohnsteuern habe durchgeführt werden müssen. Auf die persönlichen Steuermerkmale der einzelnen Aushilfskräfte habe es daher gar nicht ankommen können. Es gehe auch nicht darum, ob ein steuerlicher Tatbestand in der jeweiligen Person der Aushilfskraft verwirklicht worden sei, sondern allein darum, welchem Steuersatz die Aushilfslöhne zu unterwerfen gewesen seien. Eine weitere Besonderheit des Streitfalles liege darin, daß zwischen dem Kläger und seinen Aushilfskräften der übereinstimmende Wille bestanden habe, die Löhne pauschal zu besteuern und die vereinbarten Stundenlöhne nicht durch Lohnsteuerabzug zu mindern. Der Arbeitgeber hätte daher ähnlich wie bei einer Nettolohnvereinbarung die Aushilfskräfte nicht für die nacherhobenen Lohnsteuern in Anspruch nehmen können. Daher habe keine rechtliche Notwendigkeit bestanden, im Haftungsbescheid die Steuerschuldner zu benennen und deren Steuerschuld nach Lohnzahlungszeiträumen aufzugliedern. Eine solche Aufteilung habe auch auf der Grundlage des Urteils in BFHE 130, 461, BStBl II 1980, 669 nach Recht und Billigkeit vom FA nicht erwartet werden können.

Der Kläger beantragt mit den Gründen der Vorentscheidung, die Revision abzuweisen. Ergänzend führt er aus: Es sei mit den Aushilfskräften nur vereinbart gewesen, daß er die übliche Pauschalsteuer von 10 v.H. übernehme. Es sei wohl ein Aushilfsarbeitsverhältnis, nicht dagegen ein Nettolohn vereinbart gewesen. Mehr als die Übernahme einer 10 %igen Lohnsteuer sei nicht abgesprochen gewesen, insbesondere nicht eine Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse VI. Sonst hätte man auf der Vorlage der Lohnsteuerkarten bestanden, weil dies mit Sicherheit günstiger gewesen wäre. Daher habe er, er Kläger, ein schützenswertes Interesse daran, zu erkennen, für welche Arbeitnehmer und für welche wann fällig gewordenen Lohnsteuerbeträge er in Anspruch genommen worden sei. Es dürfe nicht dem in Anspruch genommenen Haftungsschuldner überlassen werden herauszufinden, wie sich die Haftungsschuld aufgliedere.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Senat folgt dem FG nicht darin, daß der Haftungsbescheid die Lohnsteuerhaftungssumme nach den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen getrennt ausweisen muß. Er hat durch Urteil vom 18.Juli 1985 VI R 208/82 (BFHE 145, 29, BStBl II 1986, 152) entschieden, daß es für die hinreichende Bestimmtheit eines nach Ablauf des Kalenderjahres ergehenden Lohnsteuerhaftungsbescheides nicht erforderlich ist, daß der Haftungsbetrag nach einzelnen Monaten aufgegliedert ist. Diese Entscheidung, auf deren Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, gilt nicht nur in Fällen monatlicher Lohnzahlungszeiträume, sondern sie ist allgemein in dem Sinne zu verstehen, daß eine Aufteilung der Haftsumme nach Lohnzahlungszeiträumen nicht erforderlich ist.

2. Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsüberlegungen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG die folgenden Gesichtspunkte zu beachten haben.

a) Von der Frage der Aufteilung der Haftungssumme nach Lohnzahlungszeiträumen ist die weitere Frage zu unterscheiden, ob die auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Steuerschulden, für die der Arbeitgeber in Haftung genommen worden ist, im Haftungsbescheid getrennt ausgewiesen werden müssen. Hierzu hat der Senat im Urteil in BFHE 130, 461, BStBl II 1980, 669 entschieden, daß wegen der Akzessorietät der Haftungsschuld des Arbeitgebers grundsätzlich der einzelne Steuerschuldner und die einzelne nach Jahren getrennte Steuerschuld im Haftungsbescheid genannt werden müssen (siehe auch Urteil vom 7.Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164, unter 5. der Entscheidungsgründe).

Eine Ausnahme von dem Erfordernis der Aufschlüsselung der Lohnsteuerhaftungssumme auf die einzelnen Arbeitnehmer hat der Senat dann zugelassen, wenn eine Aufschlüsselung für das FA nicht möglich war. Ein solcher Fall ist z.B. dann gegeben, wenn dem FA die Namen der einzelnen Arbeitnehmer nicht bekannt sind, weil bei dem Arbeitgeber entsprechende Aufzeichnungen fehlen und der Arbeitgeber das FA auch nicht auf andere Weise von den Namen der Arbeitnehmer in Kenntnis gesetzt hat.

Eine weitere Ausnahme von dem Aufteilungsgebot hat der Senat dann zugelassen, wenn sich nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei vielen Arbeitnehmern meist kleine Nachforderungsbeträge aufgrund von im wesentlichen gleichliegenden Sachverhalten ergeben haben. Der Grund, der den Senat dazu bewogen hat, diese Ausnahme von dem Aufschlüsselungsgebot zuzulassen, war die Tatsache, daß der Arbeitgeber in derartigen Fällen regelmäßig von einem Rückgriff gegenüber seinen Arbeitnehmern absieht. Dann fehlt ein Bedürfnis für den Arbeitgeber, die Lohnsteuerschulden der einzelnen Arbeitnehmer kennenzulernen (siehe auch BFH-Urteil vom 7.Dezember 1984 VI R 72/82, BFHE 142, 494, BStBl II 1985, 170, unter 2. b) aa) der Entscheidungsgründe). Ein solches Interesse ist regelmäßig auch dann nicht gegeben, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber eine Nettolohnvereinbarung getroffen worden ist oder der Arbeitgeber sich später zur Übernahme der Lohnsteuer bereiterklärt hat; denn dann muß dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit geboten werden, die Arbeitnehmer in Regress zu nehmen.

b) Im Streitfall enthält der angefochtene Haftungsbescheid den Hinweis, Angaben über Namen und Anschriften der Arbeitnehmer des Klägers hätten gefehlt. Das FG hat hierzu keine tatrichterlichen Feststellungen getroffen. Sollte sich bei der erneuten Entscheidung ergeben, daß der Kläger das FA bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung über die Namen seiner Aushilfskräfte in Unkenntnis gelassen hatte, so erweist sich der Haftungsbescheid als inhaltlich hinreichend bestimmt und damit als formell ordnungsgemäß. Denn dann war es dem FA unmöglich, die Haftungssumme auf die einzelnen Arbeitnehmer aufzuteilen. Ein späteres Nachreichen der Namen der Arbeitnehmer durch den Kläger im Klageverfahren könnte an der formellen Ordnungsmäßigkeit des Haftungsbescheides nichts ändern.

Erweist sich der Haftungsbescheid aus den vorstehenden Gründen als formell ordnungsgemäß, so wird das FG die zwischen den Beteiligten strittige Frage zu entscheiden haben, ob die Voraussetzungen einer Lohnsteuerpauschalierung erfüllt waren.

c) Waren dem FA hingegen bis zum Erlaß der Einspruchsentscheidung die Namen der Aushilfskräfte des Klägers bekannt, so wird das FG weiter zu prüfen haben, ob sich die Aufteilung der Haftungssumme auf die einzelnen Aushilfskräfte als entbehrlich erweist. Dies ist dann der Fall, wenn --wie das FA im Klageverfahren behauptet hatte-- zwischen dem Kläger und seinen Aushilfskräften eine Nettolohnvereinbarung getroffen worden ist. Denn eine spätere Übernahme der Lohnsteuer durch den Kläger kommt hier nicht in Betracht. Der Kläger hat stets vorgetragen daß er bei einem Scheitern der Pauschalierung zur Übernahme der sich dann ergebenden höheren Lohnsteuer nicht bereit gewesen sei. Entgegen der Auffassung des FA läßt sich auch nicht allein aus der Vereinbarung eines Pauschalierungsarbeitsverhältnisses folgern, daß der Arbeitgeber auch dann gegenüber seinem Arbeitnehmer zur Übernahme der Lohnsteuer verpflichtet ist, wenn sich die Pauschalierungsvoraussetzungen als nicht gegeben erweisen.

Sollte eine ggf. erforderlich werdende Beweisaufnahme den Abschluß einer Nettolohnvereinbarung ergeben, so wäre der Haftungsbescheid ebenfalls formell ordnungsgemäß, so daß das FG die Frage der Rechtmäßigkeit der Pauschalierung durch den Kläger zu entscheiden hat.

d) Waren dem FA die Namen der Aushilfskräfte bekannt und war zwischen dem Kläger und seinen Aushilfskräften keine Nettolohnvereinbarung getroffen worden, so ist der angefochtene Haftungsbescheid als formell fehlerhaft aufzuheben. Denn das FA war in diesem Fall verpflichtet, die Haftungsschuld auf die einzelnen Aushilfskräfte aufzugliedern. Der Kläger wird für die Lohnsteuerschulden von nur 24 Arbeitnehmern in Anspruch genommen. Es wäre dem FA bei dieser Fallgestaltung möglich gewesen, die auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Lohnsteuerschulden in einer Anlage zum Haftungsbescheid festzuhalten. Dem Kläger kann auch nicht das Interesse an einer Aufschlüsselung der Steuerschulden im Haftungsbescheid abgesprochen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60909

BStBl II 1986, 274

BFHE 145, 363

BFHE 1986, 363

BB 1986, 1070-1070 (S)

HFR 1986, 248-249 (ST)

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