Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung; Mehrfachrevision

 

Leitsatz (NV)

1. Die unterlassene notwendige Beiladung eines Dritten zum Verfahren fällt nicht unter § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO.

2. Ausgeschiedene Gesellschafter sind in einem Gewinnfeststellungsverfahren immer beizuladen, und zwar auch dann, wenn es um Fragen geht, für die an sich nur der geschäftsführende Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klageberechtigt ist.

3. In einem Klageverfahren, dem ein gesonderter Gewinnfeststellungsbescheid zugrundeliegt, haben Ausscheiden und Eintreten von Gesellschaftern auf den Fortbestand der Personengesellschaft als Verfahrensbeteiligte keinen Einfluß. Bei Veränderungen im Gesellschafterbestand besteht die bisherige Gesellschaft fort.

4. Ist gegen dasselbe Urteil mehrfach Revision eingelegt worden, so handelt es sich um das nämliche Rechtsmittel, über das das Revisionsgericht einheitlich zu entscheiden hat.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, §§ 120, 48 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 133

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren seit 1975 persönlich haftende Gesellschafter der X KG. Ihr Anteil betrug jeweils 33 v. H. Als Kommanditisten waren ihre Mutter A. X. mit einem Anteil von 25,5 v. H. und B. X. mit einem Anteil von 8,5 v. H. beteiligt.

Die KG geriet ab 1977 wegen der Verluste eines verbundenen Unternehmens in zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Am 8. Oktober 1980 kam es zu einer Vereinbarung mit den drei Hauptlieferanten. Darin verpflichtete sich die KG, bis zum 31. Oktober 1980 39 v. H. der Forderungen und weitere 15 v. H. in den Jahren 1981 bis 1983 zu begleichen. Die Hauptlieferanten verzichteten auf die Restforderungen in Höhe von . . . DM. Im Zusammenhang mit dem Verzicht wurden Lieferungsverträge mit den Lieferanten abgeschlossen.

Im Frühjahr 1981 begannen Verhandlungen über den Verkauf des Unternehmens, die mit einem Übernahmevertrag am 22. Juni 1981 abgeschlossen wurden. Die Gesellschafter X schieden gegen eine Abfindung von . . . DM aus und übertrugen ihre Anteile an eine GmbH. Die Gesellschafter T. und W. X. blieben zunächst als Geschäftsführer der GmbH weiter tätig. Seit dieser Zeit firmiert die Gesellschaft als X-GmbH & Co. KG.

In der Erklärung zur einheitlichen Feststellung der Einkünfte wurde der Betrag von . . . DM als steuerfreier Sanierungsgewinn behandelt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ zunächst einen entsprechenden Feststellungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Außenprüfung wurde der Feststellungsbescheid geändert. Darin wurde der streitige Betrag nicht als steuerfreier Sanierungsgewinn, sondern als steuerpflichtiger Gewinn ausgewiesen.

Gegen den Änderungsbescheid legte die ,,X-KG" am 28. Oktober 1985 Einspruch ein, der durch Entscheidung vom 1. Dezember 1986 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Einspruchsentscheidung war an die ,,X-KG i. L." gerichtet.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es hält sie für zulässig, aber nicht für begründet. Der Feststellungsbescheid sei rechtmäßig erlassen worden. Bei dem streitigen Betrag in Höhe von . . . DM handele es sich nicht um einen steuerfreien Sanierungsgewinn i. S. v. § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Mit der Revision wird gerügt, daß die Gesellschafter A. X. und B. X. nicht beigeladen worden sind. Diese Gesellschafter seien im Klageverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Dies bedeute einen wesentlichen Mangel des Verfahrens i. S. v. § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn seien gegeben.

Das FA hielt die Revision zunächst für unzulässig, da kein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO gegeben sei. Eine Beiladung der Gesellschafter A. und B. X. sei nicht notwendig. Die Kläger hätten in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer gehandelt. Die Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn seien nicht gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Die Revision ist zulässig.

a) Die Zulässigkeit folgt allerdings nicht, wie die Kläger meinen, aus § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Nach dieser Vorschrift bedarf es zur Einlegung der Revision keiner Zulassung, wenn als wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird, daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. Die unterlassene notwendige Beiladung eines Dritten zum Verfahren fällt nicht unter § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 23. Februar 1977 VII CB 74/75, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1977, 512; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Rz. 20).

b) Die Revision ist durch den Beschluß des Senats vom 5. Juni 1991 zugelassen worden. Die Kläger haben danach erneut Revision eingelegt.

2. Die Revision ist begründet. Die Gesellschafter A. und B. X. waren notwendig zum Verfahren vor dem FG beizuladen.

Ausgeschiedene Gesellschafter sind in einem Gewinnfeststellungsverfahren immer beizuladen, und zwar auch dann, wenn es um Fragen geht, für die an sich nur der geschäftsführende Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klageberechtigt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesellschafter vor Zustellung des angefochtenen Feststellungsbescheids, während des außergerichtlichen Vorverfahrens oder erst während des finanzgerichtlichen Verfahrens ausgeschieden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Dezember 1990 VIII R 134/86, BFHE 163, 438, m. w. N.).

Die Kommanditisten A. und B. X. sind ebenso wie die Gesellschafter T. und W. X. im Jahre 1981 aus der Gesellschaft ausgeschieden.

3. Im zweiten Rechtsgang wird das FG beachten müssen, daß in einem Klageverfahren, dem ein gesonderter Gewinnfeststellungsbescheid zugrunde liegt, Ausscheiden und Eintreten von Gesellschaftern auf den Fortbestand der Personengesellschaft als Verfahrensbeteiligte keinen Einfluß haben. Bei Veränderungen im Gesellschafterbestand besteht die bisherige Gesellschaft fort (BFH-Urteil vom 7. Juni 1978 II R 112/71, BFHE 125, 395, BStBl II 1978, 605; BFH-Beschluß vom 13. Dezember 1979 IV B 79/79, BFHE 130, 5, BStBl II 1980, 329; BFH-Urteile vom 21. Juli 1987 VIII R 302/82, BFH/NV 1989, 304; in BFHE 163, 438, vgl. auch BFH-Beschluß vom 26. September 1990 II B 24/90, BFHE 162, 149, BStBl II 1990, 1035). Es kann nicht die Aufeinanderfolge mehrerer Personengesellschaften angenommen werden. Die Gesellschaft bleibt klagebefugt. Auch die Übernahme der unbeschränkten Haftung durch eine Kapitalgesellschaft anstelle einer oder mehrerer natürlicher Personen hat hierauf keinen Einfluß.

Die Personengesellschaft wird durch ihre jeweils vertretungsberechtigten Gesellschafter vertreten, selbst wenn diese im strittigen Zeitraum noch nicht Gesellschafter waren (BFH-Beschluß in BFHE 130, 5, BStBl II 1980, 329; BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 304).

Auch Prozeßerklärungen sind auslegungsfähig. Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (vgl. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -; BFH-Urteile vom 15. Dezember 1981 VIII R 116/79, BFHE 135, 267, BStBl II 1982, 385, m. w. N.; vom 18. Dezember 1990 VIII R 52/84, NV).

Das FG wird prüfen und die notwendigen Feststellungen treffen müssen, ob die Kläger die Klage im eigenen Namen oder im Namen der KG eingereicht haben und ob sie im Zeitpunkt der Klageerhebung hierzu befugt waren.

4. Ist gegen dasselbe Urteil mehrfach Revision eingelegt worden, so handelt es sich um das nämliche Rechtsmittel, über das das Revisionsgericht einheitlich zu entscheiden hat (BFH-Beschluß vom 19. Juli 1984 IX R 16/81, BFHE 141, 467, BStBl II 1984, 833; Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 1966 IV ZR 86/65, BGHZ 45, 380; vom 2. Oktober 1967 III ZB 24/67, Neue Juristische Wochenschrift 1968, 49; vom 23. Oktober 1984 VI ZB 11/84, Versicherungsrecht 1985, 59; Gräber / Ruban, a. a. O., § 120 Rz. 16 m. w. N.). Steht fest, daß die Revisionsinstanz durch eine der beiden Einlegungen ordnungsgemäß eröffnet ist, kommt es auf die Zulässigkeit der anderen nicht mehr an. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von dem, den der III. Senat mit Urteil vom 12. April 1991 III R 181/90 (BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638) entschieden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418042

BFH/NV 1992, 323

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge