Leitsatz (amtlich)

Der Streitgegenstand ist bei Anfechtung eines Feststellungsbescheids in der Klage ausreichend bezeichnet, wenn sich aus der Klageschrift die Art der gesonderten Feststellung (z. B. Einheitswertfeststellung) und der Zeitpunkt ergibt, auf den die Feststellung getroffen worden ist.

 

Normenkette

FGO § 65 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger sind Miteigentümer eines Grundstücks; der Kläger zu 2) hat seinen Anteil 1964 erworben. Sie errichteten in den Jahren 1963 und 1964 auf dem Grundstück ein Wohn- und Geschäftshaus. Trotz mehrmaliger Mahnung des FA (Beklagter und Revisionskläger) haben sie eine Grundstücksbeschreibung nicht eingereicht. Das FA führte deshalb auf dem Weg der Schätzung eine Zurechnungs-, Art- und Wertfortschreibung des Einheitswerts für das Grundstück der Kläger durch. Es stellte den Einheitswert zum 1. Januar 1965 auf 29 100 DM fest; den Grundsteuermeßbetrag setzte es ohne die Grundsteuervergünstigung nach dem II. WoBauG auf 232,80 DM fest.

Mit dem Einspruch legten die Kläger eine Bescheinigung des Kreisbauamts für die Grundsteuervergünstigung der Wohnung im ersten Obergeschoß vor; im übrigen haben sie den Einspruch nicht begründet.

Der Einspruch gegen den Feststellungsbescheid über den Einheitswert war erfolglos. Dagegen ermäßigte das FA den Grundsteuermeßbetrag auf Grund der vorgelegten Bescheinigung über die Anerkennung einer steuerbegünstigten Wohnung auf 171,54 DM.

In ihrer Klageschrift führten die Kläger lediglich folgendes aus: "Angefochten wird die Einspruchsentscheidung in der Einheitswert- und Grundsteuer-Meßbetragssache Az....... vom 24. November 1966. Ich beantrage Akteneinsicht in meiner Kanzlei. Ablichtung des angefochtenen Bescheids anbei."

Der Berichterstatter des FG wies die Kläger darauf hin, daß die Klage weder den Streitgegenstand bezeichne, noch einen bestimmten Antrag enthalte und setzte zur Ergänzung eine Frist bis zum 15. Januar 1967. Die Kläger erwiderten, der Streitgegenstand ergebe sich aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung; den Antrag würden sie nach Akteneinsicht in der mündlichen Verhandlung stellen. Daraufhin setzte der Vorsitzende des zur Entscheidung berufenen Senats des FG eine weitere Frist von drei Wochen, mit dem Bemerken, daß es nicht genüge, zur Bezeichnung des Streitgegenstands auf die Einspruchsentscheidung Bezug zu nehmen. Es sei vielmehr der Sachverhalt zu schildern, aus dem sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung ergebe. Bisher sei nicht zu erkennen, worin das Fehlverhalten des FA zu erblicken sein solle. Nach fruchtlosem Ablauf der weiteren Frist hätten die Kläger damit zu rechnen, daß ihre Klage als unzulässig abgewiesen werde.

Nach Ablauf der erneuten Frist erwiderten die Kläger, der Streitgegenstand in der Einheitswertsache sei die Höhe des Einheitswerts; in der Grundsteuersache sei Streitgegenstand die Höhe des Grundsteuermeßbetrags.

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG überreichten die Kläger einen Schriftsatz, in dem sie beantragten, den Einheitswert auf 22 600 DM festzustellen und den Grundsteuermeßbetrag auf 131,38 DM festzusetzen. Zur Begründung trugen sie vor, das FA sei bei der Bewertung ihres Grundstücks von einer zu hohen Jahresrohmiete ausgegangen. Dementsprechend ergebe sich für die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags ein niedrigerer Wertanteil der nicht begünstigten Räume.

Das FG wies die Klage, soweit sie die Einheitswertsache betraf, als unzulässig ab, und soweit mit ihr die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags angegriffen wurde, als unbegründet zurück. Es hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Revision der Kläger rügt, das FG habe § 65 FGO unrichtig angewendet. Streitgegenstand im Sinne dieser Vorschrift sei der Gegenstand des Verfahrens. Er sei in den Gründen der Einspruchsentscheidung, die der Klageschrift beigegeben wurde, ausreichend bezeichnet. Die Anforderung, die das FG an den Streitgegenstand stelle, nämlich das Fehlverhalten des FA darzulegen, werde durch das Gesetz nicht gedeckt.

Zur Fristsetzung durch das FG vertreten die Kläger die Auffassung, daß die richterliche Frist des § 65 Abs. 2 FGO keine Ausschlußfrist sei. Denn eine Klage, die nicht sämtliche notwendigen Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 FGO erfülle, sei mit Ablauf der Anfechtungsfrist des § 47 Abs. 1 FGO unheilbar unzulässig. Innerhalb der vom Gericht gesetzten Ergänzungsfrist nach § 65 Abs. 2 FGO könnten nur Mängel geheilt werden, die sich aus der Verletzung von Sollvorschriften ergäben, wie z. B. das Fehlen eines bestimmten Antrags. Die Versäumung einer Frist für die Ergänzung von Sollerfordernissen könne aber nicht zur Unzulässigkeit einer Klage führen.

Die Revisionskläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision sowohl in der Einheitswertsache als auch in der Grundsteuermeßbetragssache als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.

Nach § 65 Abs. 1 FGO ist zwingendes Erfordernis einer Klage, daß die Klageschrift u. a. den Streitgegenstand bezeichnet. Der Senat ist der Auffassung, daß die Kläger diese Mußvorschrift nicht verletzt haben. Im Schrifttum besteht zwar keine einhellige Meinung darüber, was unter der Bezeichnung des Streitgegenstandes im Sinne des § 65 Abs. 1 FGO zu verstehen ist (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Anm. 16). Der Große Senat des BFH hat aber mit Beschluß Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967 (BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344) entschieden, der Streitgegenstand einer Anfechtungsklage im steuergerichtlichen Verfahren sei nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides im ganzen, begrenzt einerseits durch den Antrag des Klägers und andererseits durch die Festsetzung in dem angefochtenen Bescheid. Das bedeutet, daß das Gericht die Steuer nicht weiter herabsetzen darf, als es der Kläger beantragt, daß es aber die Steuer auch nicht über den in dem angefochtenen Verwaltungsakt festgesetzten Betrag erhöhen darf. Im Vordergrund des Rechtsstreits steht jedoch die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts im ganzen. Sie wird im Rahmen der Anträge in vollem Umfange nachgeprüft. Das Gericht wird nicht dadurch in seiner Nachprüfung beschränkt, daß der Kläger aus dem gesamten Sachverhalt, der dem Steuerbescheid zugrunde liegt, nur einen Ausschnitt vorträgt (BFH-Beschluß Gr. S. 1/66, a. a. O., mit Literaturhinweisen).

Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsauffassung. Daraus ergibt sich als notwendiger Inhalt einer Klage, daß der Vortrag eines Sachverhaltsausschnitts, aus dem der Kläger die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts herleitet, für die Bezeichnung des Streitgegenstands nicht erforderlich sein kann. Denn wenn § 65 Abs. 1 FGO verlangt, daß die Klage den Streitgegenstand bezeichnen muß, so kann es sich hierbei nach Auffassung des Senats nur um den Streitgegenstand des steuergerichtlichen Verfahrens handeln, wie er in dem BFH-Beschluß Gr. S. 1/66 (a. a. O.) bestimmt wurde. Zwar meinen Ziemer-Birkholz (Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1970, § 65 Anm. 4), im Rahmen des § 65 FGO sei der Ausdruck Streitgegenstand im untechnischen Sinn des Sachverhalts zu verstehen, der dem Gericht zur Entscheidung unterbreitet werden soll. Sie folgern hieraus (a. a. O. Anm. 5a), daß sich schon aus der Klageschrift ergeben müsse, in welchen Punkten der Kläger den meist komplexen Verwaltungsakt für unrichtig hält. Diese Unterscheidung zwischen dem Streitgegenstand im technischen und im untechnischen Sinn läßt sich jedoch nach Auffassung des Senats aus der FGO nicht begründen. Auch würde es an Normen fehlen, die den Umfang des Streitgegenstands im untechnischen Sinn erkennen lassen. Der Umstand, daß die Klage neben der Bezeichnung des Streitgegenstands auch den angefochtenen Verwaltungsakt angeben muß, spricht nicht dafür, der Streitgegenstandsbegriff in § 65 Abs. 1 FGO sei ein anderer als z. B. in den §§ 98 und 110 FGO. Denn der Verwaltungsakt ist mit der Angabe des Datums und des Aktenzeichens hinreichend bestimmt. Die Bezeichnung des Streitgegenstands erfordert dagegen die Angabe des Steuersachverhalts, d. h. der Steuerart oder der Feststellungsart, die Gegenstand des Verfahrens sein soll.

Der Senat kommt damit zu dem Ergebnis, daß der Streitgegenstand hinreichend bezeichnet ist, wenn sich aus der Klage ergibt, durch welche Steuerforderung (gesonderte Feststellung) sich der Kläger in seinen Rechten verletzt fühlt. Daneben muß bei Anfechtungsklagen noch der angefochtene Verwaltungsakt bezeichnet werden. Damit würde eine Klage nicht alle notwendigen Erfordernisse aufweisen, wenn sich aus ihr z. B. nur ergäbe, daß sich der Kläger durch die Einkommensteuerforderung für ein bestimmtes Jahr in seinen Rechten verletzt fühlt. Damit wäre zwar der Streitgegenstand bezeichnet, es fehlte jedoch die Angabe des angefochtenen Verwaltungsakts. Andererseits wird mit der Angabe des angefochtenen Verwaltungsakts meistens auch der Streitgegenstand hinreichend bezeichnet, weil sich aus dieser Angabe der angegriffene Steuersachverhalt regelmäßig eindeutig ergibt.

Im vorliegenden Fall haben die Kläger mit der Angabe, es handele sich um eine Einheitswert- und Grundsteuermeßbetragssache unter Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts den Streitgegenstand hinreichend bezeichnet. Denn die fehlende ausdrückliche Angabe, auf welchem Feststellungszeitpunkt sich die angefochtene Einheitswertfeststellung und auf welchen Veranlagungszeitpunkt sich die Grundsteuer-Meßbetragsveranlagung bezieht, wird durch die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts ersetzt, der der Klage beigegeben war, und aus dem für das Gericht dieser Zeitpunkt zu entnehmen war.

Der Senat stimmt dem FA nicht darin zu, bei der Feststellung eines Einheitswerts sei die Beurteilung des Streitgegenstands deshalb abweichend von anderen Steuerbescheiden vorzunehmen, weil die drei verschiedenen Arten der Feststellung selbständig anfechtbar seien. Es trifft zwar zu, daß ein Feststellungsbescheid über den Einheitswert für ein bebautes Grundstück Feststellungen über den Wert, die Art und die Zurechnung dieser wirtschaftlichen Einheit enthält (§§ 214, 216 AO). Diese verschiedenen Arten der Feststellung sind jedoch nur Komponenten eines einheitlichen Bescheides, auf den die für Steuerbescheide geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden sind (§ 218 Abs. 1 AO). Deshalb ist auch bei einem Feststellungsbescheid der Streitgegenstand nicht die Werthöhe, die Art oder die Zurechnung, sondern die Rechtmäßigkeit der Feststellung im ganzen mit allen ihren Komponenten. Der Vortrag des Klägers, er wende sich gegen den Feststellungsbescheid, weil er sich durch die Höhe des Einheitswerts oder durch die Artfeststellung oder durch die Zurechnung in seinen Rechten verletzt fühle, wäre bereits eine Individualisierung der Klage durch Angabe eines Sachverhaltsausschnitts, aus dem sich nach Auffassung des Klägers die Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides ergibt. Diese Individualisierung könnte das Gericht nach dem BFH-Beschluß Gr. S. 1/66 (a. a. O.) nicht in der rechtlichen Überprüfung des Feststellungsbescheides im ganzen beschränken. Damit ist aber bei der Klage gegen einen Feststellungsbescheid der Streitgegenstand hinreichend bezeichnet, wenn sich aus der Klage ergibt, um welche Feststellung es sich handelt und welchen Zeitpunkt oder Zeitraum sie betrifft. Das ist bei der Klage, über die das FG zu entscheiden hatte, der Fall.

Damit kommt es nicht darauf an, welche Wirkung einer richterlichen Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 FGO beizumessen ist.

Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413005

BStBl II 1972, 59

BFHE 1972, 400

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