Leitsatz (amtlich)

Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß ein Augenarzt-Ehepaar eine 17 1/2 Tage dauernde, mit häufigem Ortswechsel verbundene Reise in die USA ganz überwiegend aus beruflichen Gründen unternimmt, wenn nur - allenfalls - sechs Tage davon der beruflichen Fortbildung gewidmet sind.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Die revisionsbeklagten Eheleute (Steuerpflichtigen) sind Augenärzte. Sie wurden im Streitjahr 1964 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei wurden die Kosten einer Studienreise in die USA nicht als Betriebsausgaben anerkannt.

Die Steuerpflichtigen nahmen vom 16. September bis zum 2. Oktober 1964 an einer 17tägigen Studienreise für Augenärzte und praktische Ärzte in die USA teil. Veranstalter dieser Reise waren die Berufsverbände der Augenärzte e. V. und der praktischen Ärzte e. V. Technisch organisierte die Reise ein Reisebüro in Verbindung mit einer Fluggesellschaft. Die Programme der Augenärzte und der praktischen Ärzte waren verschieden. Die Reise verlief wie folgt: Am Mittwoch, dem 16. September 1964, Flug von Frankfurt nach New York. Am 17. September und 18. September ganztägige Besichtigungen und Demonstrationen in New Yorker Kliniken. Am 19. und 20. September (Sonnabend/Sonntag) Besichtigung New Yorks und der Weltausstellung. Am 21. September Fahrt nach Philadelphia, dort Klinikbesichtigung und Vorführung von Operationsfilmen; am Abend Weiterfahrt nach Washington. Dort am 22. September Demonstrationen, die am 23. September vormittags fortgesetzt wurden; am Nachmittag des 23. September Besichtigung der Stadt Washington. Am 24. September ganztägige Fahrt nach Rochester; dort am 25. September Besichtigung optischer Fabriken. Am Sonnabend, dem 26. September, Besuch der Niagara-Fälle. Am Sonntag, dem 27. September, ganztägige Fahrt nach Boston mit anschließender Stadtbesichtigung. Am 28. September in Bosten ganztägige Klinikbesichtigungen mit Vorträgen und Diskussionen. Am 29. September Fahrt nach Chicago; dort nachmittags Stadtbesichtigung. Am 30. September ganztägiges Fachprogramm (Kontaktschalen) in Chicago; am 1. Oktober und 2. Oktober Rückflug von Chicago über London nach Deutschland.

Der Revisionskläger (FA) sah die Kosten der Reise in vollem Umfang als Aufwendungen für die private Lebensführung der Steuerpflichtigen an.

Der Einspruch der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg.

Mit ihrer Klage trugen die Steuerpflichtigen unter Angabe von Einzelheiten vor, die entstandenen Reisekosten seien durch weitaus überwiegendes berufliches Interesse veranlaßt worden.

Das FG gab der Klage statt. Es führte aus, nach den von der Rechtsprechung (u. a. Urteil des BFH IV 36/64 U vom 18. Februar 1965, BFH 82, 88, BStBl III 1965, 279) entwickelten Grundsätzen könnten die Kosten einer Studienreise nur dann als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) angesehen werden, wenn die Reise durch berufliche Erwägungen veranlaßt worden sei. Das sei hier der Fall. Der Ablauf der Reise in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Sicht kennzeichne die Veranstaltung als einen an den Verhältnissen gemessen straff organisierten fachlichen Informationskurs. Die Kläger seien abgesehen von zwei Nachmittagen, deren privates Besichtigungsprogramm als unschädliche Unterbrechung des Arbeitsprogramms gewertet werden müsse, an allen Wochentagen ihres Amerikaaufenthalts durch fachliche Veranstaltungen voll in Anspruch genommen gewesen. Ganztägige Kurse in Instituten und Kliniken modernster Gestaltung, die Vermittlung von neuesten Anschauungsmaterialien, die Vorführung von Operationsfilmen, die Anwesenheit bei Augenoperationen nach neu entwickelten Methoden, die neuesten Arten der Hornhautkonservierung, die Gegenüberstellung mit Patienten, die Besichtigung optischer Betriebe und der Besuch sonstiger fachlicher Veranstaltungen hätten den Steuerpflichtigen Informationen für ihre Praxis geliefert, die sie auf andere Weise, insbesondere in Deutschland, nicht hätten erlangen können. Insoweit sei die vorliegende Reise nicht mit den Reisen, Kongressen und Tagungen zu vergleichen, die einen festen Ort als Veranstaltungsort hätten, die kein ähnlich gestrafftes Programm aufwiesen und die demnach wesentlich günstigere Bedingungen für einen gleichzeitigen Erholungsurlaub mit sich brächten. Der Umfang und die Eigenart der Praxis der Steuerpflichtigen ließen ihr Vorbringen glaubhaft erscheinen, daß sie auch subjektiv die Reise in erster Linie deshalb unternommen hätten, um die dabei gewonnenen Erkenntnisse in ihrer großen Praxis zu verwerten. Von besonderer Bedeutung sei, daß die Steuerpflichtigen den Aufbau einer eigenen Sehschule geplant hätten, die nunmehr fertiggestellt sei, und daß sie dafür durch Besichtigung entsprechender Einrichtungen Anregungen gesucht hätten. Den Klägern obliege außerdem, wie sie unwidersprochen vorgetragen hätten, die Bewachung und Betreuung aller auf einer Erprobungsstelle mit Laser-Strahlen arbeitenden Bediensteten. Das Informationsprogramm ihrer Reise sei dazu bestimmt und geeignet gewesen, ihnen gerade auch für diese Tätigkeit wertvolle Erfahrungen zu vermitteln. Schließlich rechtfertige auch der Umfang der Praxis der Steuerpflichtigen die bereits aufgewandten Kosten. Bei der Würdigung der Intensität der Teilnahme dürfe zugunsten des Ehemannes nicht unerwähnt bleiben, daß er vor der USA-Reise eigens für zwei Wochen privat in England gewesen sei, um dort u. a. durch den Besuch einer Schule seine englischen Sprachkenntnisse für den USA-Aufenthalt aufzubessern. Das Gericht sei überzeugt, daß private Gründe für die Reise allenfalls nur eine ganz untergeordnete Bedeutung gehabt hätten. Die Flüge und Fahrten hätten in erster Linie unmittelbar der Verwirklichung des Fachprogramms gedient, seien also ausschließlich beruflich bedingt gewesen. Soweit die Steuerpflichtigen an zwei Sonnabenden, einem Sonntag und zwei weiteren Abenden private Besichtigungen unternommen hätten, lägen keine selbständig bewertungsfähigen Kosten der persönlichen Lebensführung vor. Diese Unterbrechungen seien dadurch bedingt gewesen, daß an den Wochenenden ein Fachprogramm nicht möglich gewesen sei. Sie hätten im übrigen der notwendigen Entspannung im Rahmen des sicherlich sehr anstrengenden Gesamtprogramms gedient. Die steuerpflichtige Ehefrau habe außer dieser Studienreise noch einen vierwöchigen Erholungsaufenthalt verbracht, während der steuerpflichtige Ehemann sich sechs Wochen in einem Sanatorium aufgehalten habe. Auch dieser Umstand bestärke die Überzeugung des Senats, daß die Reise nicht als eine übliche Erholungs- und Bildungsreise unternommen worden sei.

Gegen dieses Urteil legte das FA Revision ein. Es ist auch weiterhin der Ansicht, es habe eine der üblichen Bildungsreisen vorgelegen. Ferner rügt es, das FG habe sich in Widerspruch zu dem Inhalt der Akten gesetzt; es habe den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt; es habe sich bei seiner Beweiswürdigung des Verstoßes gegen Denkgesetze schuldig gemacht und es habe ihm, dem FA, das rechtliche Gehör verweigert.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage der Steuerpflichtigen.

Die Entscheidung des FG, das von der rechtlich nicht zu beanstandenden Ansicht ausgeht, die Reisekosten könnten nur dann als Betriebsausgaben abgesetzt werden, wenn die Reise ausschließlich oder weitaus überwiegend aus beruflichen Erwägungen unternommen worden sei, und für die Beantwortung dieser Frage seien alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen, enthält ausschließlich die Würdigung dieser Einzelumstände. Die getroffenen Feststellungen sind deshalb grundsätzlich für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), es sei denn, daß dem FG bei der Feststellung des Sachverhalts Verfahrensfehler oder bei der Würdigung der Tatsachen Denkfehler oder Verstöße gegen Grundsätze der Lebenserfahrung unterlaufen sind.

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich das FG teilweise in Widerspruch zu dem Akteninhalt gesetzt hat, ob ihm Denkfehler unterlaufen sind, ob es dem FA nicht das rechtliche Gehör gewährt hat oder ob es nicht alle erheblichen Umstände aufgeklärt hat. Denn auch bei Zugrundelegung des von ihm festgestellten Sachverhalts verstößt der von ihm daraus gezogene Schluß, die Reise sei ganz überwiegend aus beruflichen Erwägungen unternommen worden, sowohl gegen die vom BFH in ständiger Rechtsprechung (vgl. hierzu die Nachweise in dem Urteil des Senats IV R 207/66 vom 12. Januar 1967, BFH 88, 45, BStBl III 1967, 286) herausgestellte Beweisregel, daß bei Reisen der vorliegenden Art strenge Anforderungen an den vom Steuerpflichtigen zu führenden Nachweis der Betriebsbedingtheit der Aufwendungen gestellt werden müssen, als auch gegen die Lebenserfahrung.

Die Reise nahm 17 1/2 Tage in Anspruch. Davon waren nur sechs Tage, nämlich der 17., 18., 22., 28. und 30. September voll, der 21. und 23. September nur zur Hälfte Tätigkeiten gewidmet, die vielleicht der beruflichen Fortbildung dienen konnten. Die Besichtigung optischer Werke, die übrigens nahe den Niagara-Fällen gelegen waren, konnten den Steuerpflichtigen angesichts des hohen Standes der deutschen optischen Industrie kaum neue Erkenntnisse bringen, der darauf verwendete Tag kann also nicht als Tag ernstlicher Fortbildung anerkannt werden. Der hohe Verlust an nutzbaren Tagen entstand nicht nur dadurch, daß vier Tage auf die Wochenenden entfielen, sondern auch durch die langen Reisen. Diese wiederum dienten dazu, Orte (New York, Philadelphia, Washington, Boston, Chikago, Niagara-Fälle) zu erreichen, die beliebte Ziele des Tourismus sind. Wenn sich die Steuerpflichtigen von der Reise schon eine berufliche Fortbildung erhofften, die sie nur in den USA finden zu können glaubten, so ist nicht einzusehen, weshalb sie sich diese Erfahrungen nicht an einem oder zwei leichter zu erreichenden Orten der USA verschafften. Der dauernde Wechsel machte, wie das FA mit Recht geltend macht, stets neue Begrüßungen und Einführungen erforderlich, so daß auch an den für fachliche Veranstaltungen zur Verfügung stehenden Tagen die eigentliche Arbeitszeit nur knapp sein konnte. Allein für die nur der Besichtigung optischer Fabriken und der Niagara-Fälle dienende Reise von Washington über Rochester zu den Niagara-Fällen und die Rückfahrt nach Boston wurden vier Tage (einschließlich eines Wochenendes) benötigt, für die anschließende Fahrt nach Chicago mit Besichtigung der Stadt, die von Rochester wesentlich günstiger zu erreichen gewesen wäre, ein weiterer Tag.

Schon dieses Ausmaß der Reisen mit den durch sie gebotenen Möglichkeiten der Erweiterung des persönlichen Erlebnisschatzes läßt es wegen der nicht übermäßigen beruflichen Ausbeute von höchstens insgesamt sechs Tagen unmöglich erscheinen, den an strenge Anforderungen gebundenen Beweis zu führen, daß die 17 1/2 Tage währende Reise zweier berufstätiger Personen auch dann unternommen worden wäre, wenn nicht das sonst Gebotene einen nicht unwesentlichen Anreiz dazu gegeben hätte.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Selbst bei der Unterstellung des vom FG festgestellten Sachverhalts ist der Nachweis, daß die Reise ganz überwiegend beruflich bedingt war, nicht geführt und nicht zu führen. Der Senat vermag in diesem Sinne selbst abschließend zu entscheiden. Bei der engen Verbindung des privaten und des möglicherweise beruflichen Teils der Reise ist eine Abtrennung eindeutiger, durch berufliche Erwägungen veranlaßter Mehrkosten der Reise nicht möglich (vgl. BFH-Urteil IV 36/64 U). Die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68136

BStBl II 1968, 680

BFHE 1968, 88

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