Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer Steuererstattung bei Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges wegen Nichterfüllung der Vertragsbedingungen

 

Leitsatz (NV)

Die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges wegen Nichterfüllung der Vertragsbedingungen setzt voraus, daß ein gesetzliches oder vertraglich ausbedungenes Recht zur Rückgängigmachung des Grundstücksgeschäftes besteht, dieses als solches gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten ausgeübt und nicht erst durch den Aufhebungsvertrag geschaffen wird.

Einer Rückgängigmachung steht es nicht entgegen, wenn der Erwerbsvorgang im Einvernehmen aller Beteiligten durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird. In diesen Fällen muß jedoch das Rücktrittsrecht vor Abschluß der Vereinbarung unbestritten feststehen.

 

Normenkette

GrEStG Berlin § 28 Abs. 1 Nr. 2 (= GrEStG 1940 § 17 Abs. 1 Nr. 2; GrEStG 1983 § 16 Abs. 1 Nr. 2; FGO §§ 76, 94; ZPO §§ 160a, 163-165, 444

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 16. Dezember 1965 eine noch zu vermessende und abzutrennende Teilfläche eines in Berlin gelegenen Grundstücks. Durch notariellen Vertrag vom 6. Dezember 1966 vereinbarten die Vertragsbeteiligten eine Verringerung der zu übereignenden Teilfläche. Für diesen Grunderwerb setzte das beklagte Finanzamt (FA) durch vorläufigen Bescheid vom 14. August 1967 Grunderwerbsteuer fest.

Verkäuferin des Grundstücks war die Firma I-KG. Diese hatte das aus insgesamt vier Teilparzellen bestehende Gesamtgrundstück, aus dem die von der Klägerin erworbene Teilfläche abgetrennt werden sollte, von der X-AG ebenfalls am 16. Dezember 1965 erworben. Neben der Klägerin erwarben noch zwei weitere Gesellschaften von der I-KG Teilflächen. Eine Teilfläche behielt die I-KG.

Wirtschaftlicher Hintergrund der Veräußerungsgeschäfte war die Abdeckung von Verlusten, die sich bei der damals noch nicht mit der Klägerin identischen A-GmbH für das Jahr 1965 abzeichneten. Die A-GmbH war seinerzeit mehrheitlich am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Die A-GmbH war ferner als Mehrheitsgesellschafterin bzw. über eine stille Beteiligung mit den beiden anderen Gesellschaften, die Teilflächen von der I-KG erworben hatten, gesellschaftsrechtlich verbunden. Sie war zudem Mehrheitsgesellschafterin und einzige Komplementärin der I-KG. Alleingesellschafterin der A-GmbH war die X-AG, die ursprüngliche Eigentümerin des Gesamtgrundstücks. Diese hatte das Grundstück an die I-KG zum Buchwert verkauft, die es ihrerseits dann unter Aufdeckung der stillen Reserven in abzutrennende Teilflächen an die Klägerin sowie die beiden anderen Gesellschaften weiterveräußerte.

In dem notariellen Kaufvertrag vom 16. Dezember 1965 hat sich die Klägerin u. a. verpflichtet, die Verkäuferin von den Kosten freizustellen, die dieser im Zusammenhang mit der Ausgliederung des Grundstücksteils z. B. durch Auflagen etc. entstehen. Ferner waren sich die Vertragsparteien darüber einig, daß für die Einholung der für die Grundstücksteilung erforderlichen Genehmigungen eine angemessene Frist von nicht unter drei Jahren akzeptiert wird. Die Klägerin war ferner verpflichtet, alle zur Durchführung des Vertrages erforderlichen Grunddienstbarkeiten (Leitungsrechte, Wegerechte) eintragen zu lassen. Die Übergabe des Grundstücks fand am 31. Dezember 1965 statt.

Zu der beabsichtigten Abtrennung der verkauften Teilfläche und damit zur Übereignung derselben an die Klägerin kam es nicht. Zwar hat die I-KG, die zwischenzeitlich Eigentümerin des Gesamtareals geworden war, wegen der beabsichtigten Grundstücksteilung am 12. Dezember 1966 eine Voranfrage an das Bauaufsichtsamt gerichtet. Dieses stellte auch die Zustimmung zu der Grundstücksteilung mit Bescheid vom 8. Februar 1968 in Aussicht, obwohl die Teilung des Grundstücks in vielfacher Hinsicht gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen hätte. Diesbezüglich wurden zahlreiche Ausnahmen und Befreiungen in Aussicht gestellt, die ihrerseits jedoch davon abhängig gemacht wurden, daß seitens der I-KG insbesondere auch bauliche Veränderungen vorgenommen wurden. Eine Teilungsgenehmigung wurde aber nicht beantragt.

Schließlich kamen die I-KG sowie die drei Erwerberinnen, u. a. die Klägerin, zu der Auffassung, daß die Erfüllung der zahlreichen Bedingungen und Auflagen für die in dem erwähnten Vorbescheid in Aussicht gestellte Teilungsgenehmigung aus rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sei. Sie trafen daher am 24. November 1969 eine privatschriftliche Vereinbarung über die Aufhebung der abgeschlossenen Grundstückskaufverträge, in der die Vertragsbeteiligten übereinstimmend feststellten, daß die Vertragsbedingungen nicht erfüllt worden seien und wirtschaftlich eine Erfüllung nicht möglich und daher auch nicht zumutbar sei. Deshalb machten die Käuferinnen von ihren Rechten aus § 323, 325 oder 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Gebrauch. Die I-KG erklärte, sie habe dem Verlangen der Erwerberinnen keine begründeten Einwendungen entgegenzusetzen. Dementsprechend vereinbarte sie mit den Erwerberinnen die Rückabwicklung der Kaufverträge zum 31. Dezember 1969 in der Weise, daß der Besitz an den Grundstücken an die I-KG zurückgegeben und der Kaufpreis an die Käuferinnen zurückgezahlt bzw. verrechnet werden sollte. Weder eine Verzinsung der bereits in voller Höhe gezahlten Kaufentgelte noch die Zahlung einer Entschädigung für die Nutzung des Grundstücks durch die Klägerin wurden vereinbart. Der Klägerin sollten ferner die von ihr vorgenommenen Gebäudeabschreibungen verbleiben und der zurückzugewährende Kaufpreis um die Abschreibungen gekürzt werden.

Die Klägerin beantragte daraufhin am 10. Februar 1970 die Erstattung der Grunderwerbsteuer nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 des damals geltenden Grunderwerbsteuergesetzes Berlin (GrEStG Berlin). Dieser Antrag sowie der Einspruch blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat im ersten Rechtsgang die Einspruchsentscheidung nach § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgehoben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Das FA habe nicht geprüft, ob der Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages ein Recht zur Rückgängigmachung des Vertrages wegen Nichterfüllung der Vertragsbedingungen unbestritten zugestanden habe. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob im ersten Rechtsgang das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Er hielt die Vorschrift des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO für fehlerhaft angewendet, da das FG selbst im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach § 76 FGO die notwendigen Feststellungen zu treffen habe.

Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage ab. Der Erwerbsvorgang vom 16. Dezember 1965 sei nicht aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht worden. Der Klägerin hätten Ansprüche aus §§ 323, 325 oder 326 BGB vor dem 24. November 1969 nicht zugestanden. Die Teilung des Grundstücks sowie die Übereignung der Teilfläche an die Klägerin sei für die I-KG keine unmögliche Leistung gewesen. Davon sei es, das FG, schon in seinem Urteil im ersten Rechtsgang ausgegangen. Da der BFH diese Ausführungen nicht beanstandet habe, sei es hieran gebunden.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG, die Verfügung des FA und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, an die Klägerin X DM zu erstatten.

Sie rügt unzutreffende Anwendung und Auslegung des § 28 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG Berlin, der §§ 323, 325, 275 Abs. 2, 326 BGB, §§ 76, 96 FGO, §§ 155, 82 FGO i. V. m. § 444 der Zivilprozeßordnung (ZPO) sowie Verfahrensmängel, insbesondere einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, das Außerachtlassen entscheidungserheblicher Tatsachen und ungenügende Sachverhaltsaufklärung.

§ 28 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG Berlin sei fehlerhaft angewendet, weil entgegen der Auffassung des FG sich aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht ergebe, die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts müßten bereits vor Abschluß eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrages geschaffen worden sein. Denn die Klägerin habe nicht nur ein Recht zur Rückgängigmachung des Vertrages gehabt, sondern dieses auch entgegen der Auffassung des FG ausgeübt. Die Rechtsansprüche der Klägerin ergäben sich aus §§ 323, 325, 275 Abs. 2 BGB. Unmöglichkeit der Leistung (Eigentumsverschaffung) sei durch die vom Bauordnungsamt gestellten Bedingungen und Auflagen eingetreten, die die I-KG vor Probleme gestellt habe, die sie nicht habe lösen können, wenngleich deren Erfüllung objektiv möglich gewesen sei. Das FG sei bei seiner Entscheidung nicht an das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des BFH gebunden gewesen.

Selbst bei nicht bestehender Unmöglichkeit der Leistung habe der Klägerin ein Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag aus § 326 BGB zugestanden. Zu Unrecht nehme das FG an, es fehle an der erforderlichen Ablehnungsandrohung. Es habe auch einer Fristsetzung nicht bedurft, denn im Jahre 1969 habe eindeutig festgestanden, daß die I-KG den Vertrag auch während einer angemessenen Nachfrist nicht werde erfüllen können.

Zu Unrecht habe das FG auch einen Rechtsanspruch der Klägerin auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage verneint.

Schließlich habe das FG rechtsfehlerhaft die Nichtfeststellbarkeit von Tatsachen zu ihren Lasten behandelt.

Darüber hinaus leide das FG-Urteil an erheblichen Verfahrensmängeln.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zumindest im Ergebnis zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der gezahlten Grunderwerbsteuer nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG Berlin (= § 17 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940) verneint. Mit den geltend gemachten Verfahrensrügen kann die Klägerin nicht durchdringen.

1. Gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG Berlin wird die Steuer erstattet, wenn ein Erwerbsvorgang wegen Nichterfüllung der Vertragsbedingungen aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist. Der Erstattungsanspruch erfordert eine Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges, der einseitig und gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten erzwungen werden kann. Dabei wird vorausgesetzt, daß ein gesetzliches oder vertraglich ausbedungenes Recht zur Rückgängigmachung des Grundstücksgeschäftes besteht und als solches ausgeübt wird (vgl. Gutachten des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 15. Februar 1924 II D 3/24, RFHE 13, 180; Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 411; Begründung des GrEStG Berlin vom 18. Juli 1969, Drucksachen des Abgeordnetenhauses von Berlin, V. Wahlperiode Nr. 472, S. 26; BFH-Urteil vom 21. Dezember 1960 II 194/57 U, BFHE 72, 444, BStBl III 1961, 163).

Der entscheidende Unterschied zwischen den Nrn. 1 und 2 des Abs. 1 des § 28 GrEStG Berlin besteht darin, daß sich Nr. 1 auf die Fälle bezieht, in denen das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft aufgrund freien Entschlusses der Beteiligten oder aufgrund eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts aufgehoben wird, während Nr. 2 einen Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung derart verlangt, daß dieser einseitig und gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten durchsetzbar ist und die - jedenfalls für einen Vertragsbeteiligten unfreiwillige - Rückgängigmachung auf der Ausübung dieses Rechts beruht. Denn in den Fällen, in denen ein Erwerbsvorgang freiwillig rückgängig gemacht wird (ohne daß ein Rechtsanspruch besteht), hat es jeder Beteiligte in der Hand, ob er der Rechtsänderung zustimmen will oder nicht. Der Gesetzgeber hat in diesen Fällen eine zeitliche Begrenzung der Vergünstigung für angebracht gehalten, weil die Beteiligten die steuerrechtlichen Folgen ihres Entschlusses berücksichtigen können und nach Ablauf der Frist von zwei Jahren die Steuer in Kauf nehmen müssen, während bei der unfreiwilligen Rückgängigmachung alle am Geschäft Beteiligten dieses wirtschaftliche Ergebnis hinnehmen müssen und die Zeit, die bis zur Verwirklichung des Anspruchs vergeht, sehr verschieden sein kann (vgl. RStBl 1940, 411). Einer Rückgängigmachung aufgrund eines Rechtsanspruches steht es nicht entgegen, wenn der Erwerbsvorgang im Einvernehmen aller Beteiligten durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1969 II 41/65, BFHE 96, 76, 77, BStBl II 1969, 559). In diesen Fällen muß jedoch das Rücktrittsrecht vor Vertragsabschluß unbestritten feststehen (vgl. Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., 1985, § 16 Rdnr. 20).

Darüber hinaus bedarf es - wie auch bei Abs. 1 Nr. 1 - der tatsächlichen und vollständigen Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges. Dazu ist es erforderlich, daß die Vertragsbeteiligten sämtliche Wirkungen aus dem Kaufvertrag aufheben und sich so stellen, wie wenn der Erwerbsvorgang nicht zustande gekommen wäre, insbesondere, daß sie die etwa empfangenen Leistungen zurückgewähren.

Das FG hat zumindest im Ergebnis zutreffend dahin erkannt, daß der festgestellte Sachverhalt nicht ausreicht anzunehmen, der Klägerin habe vor dem einvernehmlichen Abschluß des Aufhebungsvertrages vom 24. November 1969 ein Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung des Grundstückskaufsvertrages vom 16. Dezember 1965 gegen die Verkäuferin zugestanden. Darüber hinaus fehlt es an einer vollständigen Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges.

a) Das FG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Rückabwicklung des Vertrages nach §§ 323 bzw. 325 BGB verneint. Denn es kann nach den Umständen nicht angenommen werden, die von der I-KG der Klägerin geschuldete Leistung, nämlich die Übereignung der veräußerten Teilfläche, sei unmöglich geworden.

Das FG hat zwar fehlerhaft angenommen, gemäß § 126 Abs. 5 FGO insoweit bei seiner Entscheidung an eine rechtliche Beurteilung des BFH gebunden zu sein. Denn das FG-Urteil im ersten Rechtsgang wurde durch das BFH-Urteil vom 9. November 1983 wegen eines Verfahrensfehlers, nämlich wegen fehlerhafter Rechtsanwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, aufgehoben; zur materiellen Rechtslage hat sich dieses Urteil nicht geäußert. Eine Bindung des FG konnte insoweit durch das BFH-Urteil nicht entstehen. Gleichwohl kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht davon gesprochen werden, das FG habe die Prüfung der Voraussetzungen der §§ 323, 325 BGB unterlassen. Vielmehr hat das FG zunächst unter Hinweis auf sein Urteil im ersten Rechtsgang die Frage der Unmöglichkeit der Leistung der I-KG verneint und erst hilfsweise, nämlich ,,außerdem", auf die Bindungswirkung nach § 126 Abs. 5 FGO verwiesen.

Das FG hat ohne Rechtsfehler die gesamten Umstände und Beweismittel des Streitfalles dahin gewürdigt, daß der I-KG die Übereignung der veräußerten Teilfläche jedenfalls nicht unmöglich war, wenn auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten. Von einer tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit geht auch das Exposé des Zeugen W vom 14. August 1970 nicht aus, auf das sich die Klägerin insoweit beruft. Es beschreibt lediglich die rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei der beabsichtigten Grundstücksteilung. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Klägerin, wie auch die beiden anderen erwerbenden Gesellschaften aufgrund der abgeschlossenen Kaufverträge verpflichtet waren, bei der Aufteilung der Grundstücke nicht nur finanziell mitzuwirken, sondern auch weitestgehende Beschränkungen (Grunddienstbarkeiten) zu dulden. Es ist unter diesen Umständen nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht durch Tatsachen belegt, daß unabhängig vom rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Aufwand die Grundstücksteilung nicht durchführbar war. Fälle wirtschaftlicher Unmöglichkeit bzw. Fälle übermäßiger Leistungserschwerung sind keine Fälle der Unmöglichkeit (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 20. Juni 1962 V ZR 219/60, BGHZ 37, 233, 240; vgl. auch Emmerich in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 2, § 275 Rdnr. 19, m. w. N.). Im übrigen ist durchaus zweifelhaft, ob für die I-KG als Veräußerin des Grundstücks eine wirtschaftliche Unmöglichkeit vorgelegen hat, weil gemäß § 10 des Kaufvertrages vom 16. Dezember 1965 die Käuferinnen verpflichtet waren, die Verkäuferin bezüglich der Kosten der Ausgliederung der Grundstücksteile freizustellen. Demnach trafen die finanziellen und damit die wirtschaftlichen Folgen der Grundstücksteilung sowie der dadurch eingetretenen Schwierigkeiten nicht in erster Linie die I-KG, sondern allenfalls die Erwerberinnen.

Der Vorwurf der Klägerin, das FG habe insoweit seine Sachaufklärungspflicht verletzt sowie gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, geht fehl. Denn abgesehen von der Behauptung der Klägerin, die Leistung der I-KG sei unmöglich geworden - was im übrigen eine rechtliche Würdigung darstellt -, hat die Klägerin keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen, daß die I-KG zur Leistung absolut außerstande war. Da sich auch aufgrund der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Erkenntnisse hierfür keine weiteren Anhaltspunkte ergaben, war das FG nicht gehalten, den Sachverhalt im Sinne der Kläger weiter aufzuklären.

b) Das FG hat ferner - im Ergebnis zutreffend - einen Anspruch der Klägerin gegen die I-KG auf Rückgängigmachung, insbesondere auf Rücktritt vom Kaufvertrage nach § 326 BGB verneint. Diese Vorschrift setzt Verzug der Schuldnerin, hier der I-KG, mit der ihr obliegenden Leistung, der Eigentumsverschaffung der Teilfläche, voraus. Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt aber - anders als das FG angenommen hat - nicht einmal den Schluß zu, daß sich die I-KG mit der ihr obliegenden Leistung im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages vom 24. November 1969 im Verzuge befunden hat. Gemäß § 284 Abs. 1 BGB kommt ein Schuldner nur dann in Verzug, wenn die Leistung fällig ist und der Gläubiger nach Fälligkeit den Schuldner gemahnt hat. Im Streitfall kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Leistung der I-KG am 24. November 1969 schon fällig war.

Nach dem notariellen Kaufvertrag vom 16. Dezember 1965 waren sich die Parteien darüber einig, ,,daß für die Erledigung der Genehmigung eine angemessene Frist von nicht unter drei Jahren . . . akzeptiert wird". Diese drei Jahre waren im Dezember 1968 abgelaufen. Der Formulierung ,,nicht unter drei Jahre" ist zu entnehmen, daß die I-KG für den Fall des Eintritts besonderer Schwierigkeiten auch eine angemessene weitere Zeit für die Erbringung ihrer Leistung in Anspruch nehmen können sollte. Aus der relativ langen Zeitspanne von ,,nicht unter drei Jahren" sowie der sehr allgemein gehaltenen Vertragsklausel hinsichtlich der Verpflichtung, die zur Durchführung des Vertrages notwendigen Dienstbarkeiten eintragen zu lassen, ergibt sich, daß die Vertragsbeteiligten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten, wenn auch nicht in dem später bekanntgewordenen Ausmaß, gerechnet hatten und eine längere Frist hinsichtlich der Durchführung des Vertrages hinzunehmen bereit waren. Eine Zeitbestimmung i. S. der §§ 284 Abs. 2, 271 Abs. 2 BGB kann jedenfalls in der Klausel ,,nicht unter drei Jahren" nicht gesehen werden.

Schließlich kann auch aus den Umständen nicht entnommen werden (vgl. § 271 Abs. 1 BGB), daß die Leistung der I-KG vor Ablauf des Jahres 1969 fällig geworden ist. Vielmehr waren die Erwerberinnen nach dem Kaufvertrag wegen der unvorhergesehenen Schwierigkeiten bei der Aufteilung des Grundstücks sowie ferner wegen des Umstandes, daß die Voranfrage vom Bauordnungsamt erst am 8. Februar 1968 beantwortet wurde, gehalten, der Verkäuferin eine angemessene Nachfrist für die Vertragserfüllung einzuräumen.

Daß auch die Vertragsbeteiligten davon ausgingen, der I-KG aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen und der besonderen Umstände über den im Vertrag genannten Drei-Jahres-Zeitraum hinaus eine angemessene weitere Leistungsfrist einzuräumen, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen W. vor dem FG, soweit dieser Zeuge bekundete, Anfang 1969 sei ihm gesagt worden, ,,daß jetzt jedenfalls bis zum Ablauf des Jahres 1969 die Angelegenheit erledigt sein müsse". Hinzu kommt, daß - wie sich aus der Aussage und aus dem Exposé des Zeugen W. vom 14. August 1970 ergibt - zwischen den einzelnen Erwerberinnen und der Verkäuferin hinsichtlich der Pflicht zur Tragung der Kosten der Grundstücksteilung Differenzen bestanden haben. Der Verkäuferin des Grundstücks war es im Hinblick auf § 10 des Kaufvertrages, wonach die Erwerberinnen ihr die Kosten der Grundstücksteilung zu erstatten hatten, gerade auch im Hinblick auf die Höhe der notwendig werdenden Kosten nicht zuzumuten, die Grundstücksteilung weiter voranzutreiben. Der I-KG stand insoweit zwar kein Zurückbehaltungsrecht i. S. von § 273 Ab. 1 BGB zu, weil ihre Erstattungsansprüche hinsichtlich der Teilungskosten, für die sie vorlagepflichtig war, noch nicht fällig waren. Die Diskussion um die Kostentragungspflicht hat aber die I-KG in ganz erheblicher Weise an der Durchführung der Grundstücksteilung gehindert. In dem Exposé des Zeugen W. heißt es insoweit: ,,Dies (gemeint: fehlende Bereitschaft der Käuferinnen, sich an diesen Kosten zu beteiligen) verhinderte . . ., die Auflagen der Baupolizei zu akzeptieren und die Teilung nunmehr in die Wege zu leiten." Angesichts dieser Umstände spricht alles dafür, daß die Klägerin zumindest nicht vor Ende des Jahres 1969 berechtigt war, die Leistung der I-KG aus dem Kaufvertrag vom 16. Dezember 1965 zu verlangen. Kann aber bereits die Fälligkeit der Leistung der I-KG vor Ablauf des Jahres 1969 nicht festgestellt werden, konnte die I-KG sich trotz der Mahnungen und Aufforderungen der Klägerin nicht im Verzug befinden.

Ein Verzug kann zwar auch nach ständiger Zivilrechtsprechung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unabhängig von der Fälligkeit der Leistung ohne Mahnung eintreten, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (vgl. Palandt / Heinrichs, BGB-Kommentar, 47. Aufl., 1988, § 284 Anm. 4 c, m. w. N.). Das FG hat eine solche ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der I-KG jedenfalls nicht vor Abschluß des Aufhebungsvertrages vom 24. November 1969 feststellen können. Der Hinweis der Klägerin, die Erfüllungsverweigerung der Verkäuferin ergebe sich aus der Urkunde vom 24. November 1969, ist rechtsunerheblich. Denn die Steuererstattungsvorschrift des § 28 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG Berlin setzt bei Rückgängigmachung eines Vertrages durch einen Aufhebungsvertrag voraus, daß das Recht, gegen den Willen des anderen Vertragsbeteiligten den Kaufvertrag rückgängig zu machen, bereits vor Abschluß des Kaufvertrages besteht und nicht erst durch den Aufhebungsvertrag geschaffen wird. Ohne Verzug der I-KG war die Klägerin nicht berechtigt, sich einseitig und gegen den Willen der I-KG von dem Grundstückskaufvertrag durch Rücktritt gemäß § 326 BGB loszusagen. Auf die Frage, ob und wann und mit welcher Fristsetzung die Klägerin die I-KG gemahnt hat, eine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat und vom Vertrage zurückgetreten ist, oder ob sie kein Interesse mehr an der Erfüllung des Vertrages infolge des Verzuges hatte, kommt es danach nicht mehr an. Alle diesbezüglichen Revisionsangriffe der Klägerin müssen deshalb erfolglos bleiben.

c) Auch ein Recht der Klägerin, unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vom Vertrage zurückzutreten, bestand nicht. Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit durch die Schwierigkeiten bei der Teilung des Grundstücks überhaupt eine wesentliche Änderung der ursprünglichen Vertragsgrundlage eingetreten ist. Immerhin haben die Vertragsbeteiligten, wie sich aus dem Kaufvertrag ergibt, mit nicht unerheblichen Komplikationen und Schwierigkeiten gerechnet. Hinsichtlich der zeitlichen Verzögerung bei der Erfüllung des Vertrages konnte zumindest im Laufe des Jahres 1969 die Geschäftsgrundlage für die Klägerin noch nicht entfallen sein. Denn nach der Vertragskonzeption konnte die Klägerin mit einer Erfüllung des Vertrages nicht vor Ablauf von drei Jahren, gegebenenfalls erst zu einem noch späteren Zeitpunkt rechnen. Auch bezüglich der möglicherweise von den Vertragsparteien nicht vorhergesehenen wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere der Kosten der Grundstücksteilung, war die Klägerin nicht berechtigt, sich vollständig von dem Kaufvertrag zu lösen; sie konnte allenfalls nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Vertragsanpassung verlangen. Denn die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage führt nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung der Vertragsverhältnisse; in aller Regel ist - aus Gründen der Vertragstreue und der Verkehrssicherheit - der Vertrag nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider Partner Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen (vgl. BGH-Urteil vom 31. Januar 1967 V ZR 125/65, BGHZ 47, 48, 51, 52, m. w. N.). Umstände, die es rechtfertigen würden, hier ausnahmsweise einen Anspruch der Klägerin auf Rücktritt vom Vertrage anzunehmen, sind nicht ersichtlich. Deshalb wäre allenfalls eine Anpassung des Vertrages hinsichtlich seiner finanziellen Grundlagen, gegebenenfalls auch eine Anpassung des Vertrages im Hinblick auf die bauordnungsrechtlichen Erfordernisse, durchsetzbar gewesen.

Das FG hat somit im Ergebnis zu Recht angenommen, daß aufgrund des festgestellten Sachverhalts der Erwerbsvorgang vom 16. Dezember 1965 nicht aufgrund eines Rechtsanspruches der Klägerin gegen den Willen der I-KG rückgängig gemacht worden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte das FG - auch im Hinblick auf die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer - nicht von einem für die Klägerin günstigeren Sachverhalt ausgehen. Eine Umkehr der Feststellungslast etwa unter entsprechender Anwendung des § 444 ZPO ist nicht zulässig. Denn im finanzgerichtlichen Verfahren sind die Regeln der ZPO gemäß § 155 FGO nur ,,sinngemäß" anzuwenden, wie die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Dabei ist entscheidend, daß die formalisierten Beweisregeln der ZPO die dem FG obliegende Pflicht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung beeinträchtigen könnten. Deshalb wurde die sinngemäße Anwendung der Vorschriften der §§ 415 bis 444 ZPO für die finanzgerichtliche Beweisaufnahme nicht erwähnt (vgl. § 82 FGO und BFH-Urteil vom 7. Mai 1969 I R 68/67, BFHE 95, 395, BStBl II 1969, 444).

d) Im übrigen ist ein Verstoß des FG gegen seine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts nach § 76 FGO nicht erkennbar. Vielmehr hat das FG alle sich aus den Umständen des Streitfalls als notwendig ergebenden und von der Klägerin benannten Beweismittel beigezogen und bei der Entscheidung berücksichtigt. Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe den Zeugen W. über einige entscheidungserhebliche Punkte nicht befragt, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie selbst oder ihre in der mündlichen Verhandlung anwesenden Prozeßbevollmächtigten Gelegenheit gehabt haben, insoweit das Beweisergebnis in ihrem Sinne noch zu verbessern, soweit sie dies für erforderlich hielten.

Der Senat ist an die tatsächlichen Feststellungen gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Da das FG ohne Rechtsverstoß einen für die Klägerin günstigeren Sachverhalt nicht hat feststellen können, mußte es auch in seiner Entscheidung darauf abstellen, daß die Klägerin der ihr obliegenden objektiven Beweislast (Feststellungslast) nicht genügt hat (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1980 II R 148/76, BFHE 130, 179, BStBl II 1980, 402). Denn im Steuerprozeß trägt jeder Beteiligte die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozeßbegehren keinen Erfolg haben kann, insbesondere für das Vorhandensein der tatsächlichen Voraussetzungen einer geltend gemachten Grunderwerbsteuerbefreiung oder eines Grunderwerbsteuererstattungsanspruchs (vgl. BFH-Beschluß vom 24. April 1985 II B 28/84, BFHE 143, 499, BStBl II 1985, 520).

e) Der Erwerbsvorgang vom 16. Dezember 1965 ist nicht seinem vollen Inhalt nach rückgängig gemacht worden. Denn der Aufhebungsvertrag vom 24. November 1969 zielte nicht darauf ab, sämtliche Wirkungen des Kaufvertrages zu beseitigen. Diese sollten vielmehr lediglich ex nunc zum 31. Dezember 1969 entfallen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß die Zahlung einer Entschädigung für die Nutzung des Grundstücks durch die Klägerin nicht vereinbart und eine Verzinsung des bereits gezahlten Kaufentgeltes ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Daß sich die Vertragsbeteiligten nicht so stellen wollten, wie wenn der Erwerbsvorgang nicht zustande gekommen wäre, zeigt ferner der Umstand, daß der Klägerin die von ihr während der Nutzung vorgenommenen Gebäudeabschreibungen verbleiben sollten. Eine Zurückführung des Rechtszustandes ex tunc, auf den Zeitpunkt vor Abschluß des Kaufvertrages haben die Beteiligten bewußt vermieden.

2. Schließlich leidet - entgegen der Auffassung der Klägerin - das finanzgerichtliche Verfahren auch nicht an einem ,,Mangel hinsichtlich der ordnungsgemäßen Protokollführung". Die Klägerin übersieht, daß die vorläufige Aufzeichnung des Protokolls nach § 160 a ZPO nicht das eigentliche Protokoll über die mündliche Verhandlung und die Beweisaufnahme gemäß §§ 159 f. ZPO darstellt, sondern nur eine Aufzeichnungshilfe ist. Beweiskraft hat nur das vom Vorsitzenden und von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unterzeichnete Protokoll (§ 94 FGO, §§ 163 bis 165 ZPO). Daß dieses Protokoll unrichtig sei, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415811

BFH/NV 1989, 728

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