Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaß der Einspruchsentscheidung gegen falschen Inhaltsadressaten

 

Leitsatz (NV)

1. Hat eine KG gegen den gegen sie ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid Einspruch eingelegt und richtet das FA die (abschlägige) Einspruchsentscheidung irrig gegen einen Teil der Gesellschafter statt gegen die KG selbst, so ist die Einspruchsentscheidung rechtswidrig und deshalb aufzuheben (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 174, 24, BStBl II 1994, 561).

2. Begehren die Gesellschafter in einem solchen Fall mit der Klage, nicht nur die Einspruchsentscheidung aufzuheben, sondern darüber hinaus auch den von der KG mit dem Einspruch angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid abzuändern, so muß das FG letzteren Klageantrag der Gesellschafter ohne Sachprüfung abweisen (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296).

 

Normenkette

AO 1977 §§ 366, 122 Abs. 1; FGO § 44 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind neben einer weiteren Person Gesellschafter der X-KG (KG). Der Kläger zu 1 ist Komplementär und der Kläger zu 2 ist Kommanditist der KG.

Mit dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid erhöhte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) den im ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid festgestellten Gewinn der KG für das Streitjahr 1989 um 8 050 DM und rechnete diesen Erhöhungsbetrag im Rahmen der Gewinnverteilung allein dem Kläger zu 2 zu.

Den gegen diesen Änderungsbescheid von der KG erhobenen Einspruch interpretierte das FA als solchen der Kläger zu 1 und 2 und richtete dementsprechend die Einspruchsentscheidung vom 10. März 1993 an diese. Mit ihr wurde der "Einspruch der Kläger" als unbegründet zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger zu 1 und 2, die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid 1989 dahingehend abzuändern, daß der Gewinn der KG und der Gewinnanteil des Klägers zu 2 um 8 050 DM niedriger festgestellt werden.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist zum Teil begründet. Im Ergebnis zutreffend hat das FG die Einspruchsentscheidung vom 10. März 1993 aufgehoben; insoweit bleibt die Vorentscheidung bestehen (§126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Soweit dagegen die Vorentscheidung darüber hinausgehend den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid abgeändert hat, ist sie aufzuheben und der auf diese Änderung gerichtete Klageantrag beider Kläger abzuweisen (§126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Einspruchsentscheidung vom 10. März 1993 aufgehoben. Zwar ist das FG irrig davon ausgegangen, daß eine Kassation der Einspruchsentscheidung deshalb geboten sei, weil der Antrag der Kläger auf Abänderung des durch die Einspruchsentscheidung bestätigten Gewinnfeststellungsbescheides begründet sei. Denn dieser Antrag auf Änderung des Gewinnfeststellungsbescheides kann -- wie im folgenden unter II. 2 dargelegt werden wird -- keinen Erfolg haben. Jedoch erweist sich die Aufhebung der Einspruchsentscheidung im Ergebnis deswegen als richtig, weil nach der insoweit eindeutigen Einspruchsschrift vom 11. September 1992 (ausschließlich) die KG und nicht (auch) die Kläger zu 1 und 2 den streitigen Gewinnfeststellungsbescheid mit dem Einspruch angefochten haben. Die fälschliche Interpretation des Einspruchs der KG durch das FA als solchen der Kläger zu 1 und 2 beruht offenbar vor allem auf der unrichtigen Annahme des FA, es liege ein Fall des §352 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) a.F. mit der Folge vor, daß die KG als solche nicht rechtsbehelfsbefugt sei. Indessen ist die KG, die gewerbliche Einkünfte erzielt, gemäß §352 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 a.F. eindeutig einspruchsbefugt gewesen.

Der Erlaß der Einspruchsentscheidung gegen die Kläger zu 1 und 2, welche gar keinen Einspruch eingelegt hatten, war daher rechtswidrig. Die Einspruchsentscheidung ist deshalb vom FG zu Recht auf den Antrag der Kläger hin aufgehoben worden (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 3. August 1993 VIII R 82/91, BFHE 174, 24, BStBl II 1994, 561; vom 7. September 1995 III R 111/89, BFH/NV 1996, 521, 522, linke Spalte oben, m.w.N.; vgl. ferner Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §44 Rdnr. 18).

2. Als unrichtig erweist sich hingegen die Vorentscheidung insoweit, als sie darüber hinaus auch dem Antrag der Kläger gefolgt ist, den streitigen Gewinnfeststellungsbescheid abzuändern.

a) Der darauf gerichtete Antrag des Klägers zu 1 ist unzulässig, weil dieser durch den gegen die KG erlassenen Gewinnfeststellungsbescheid gar nicht beschwert wurde und mithin auch nicht klagebefugt war. Ein Fall des §48 Abs. 1 Nr. 2 FGO a.F. schied aus, weil das FA den aus der Nichtanerkennung der streitigen Darlehenszinsen resultierenden Mehrgewinn im Rahmen der einheitlichen Feststellung ausschließlich dem Kläger zu 2 zugerechnet hat. Auch die Voraussetzungen des §48 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F. lagen in bezug auf den Kläger zu 1 augenscheinlich nicht vor.

b) Auch der auf Abänderung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides gerichtete Antrag des Klägers zu 2 hat keinen Erfolg. Zwar ist der Kläger zu 2 klagebefugt (§48 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Jedoch hat er entgegen der irrigen Deutung der Einspruchsschrift durch das FA keinen Einspruch eingelegt mit der Folge, daß der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid ihm gegenüber (formell) bestandskräftig wurde. Das FG hätte deshalb seinen auf Abänderung des Gewinnfeststellungsbescheides gerichteten Klageantrag ohne Sachprüfung abweisen müssen (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1984 VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296; BFH-Urteil vom 1. August 1989 IX R 17/86, BFH/NV 1990, 94).

3. Die Kostenentscheidung folgt -- soweit das FA unterlegen ist -- aus §135 Abs. 1 FGO und im übrigen aus §137 Satz 2 FGO.

Der erkennende Senat hält es für sachgerecht, dem FA die Kosten des gesamten Verfahrens auch insoweit aufzuerlegen, als es obsiegt hat. Das FA hat durch die unzutreffende Umdeutung des eindeutig (nur) von der KG erhobenen Einspruchs in einen solchen der Kläger zu 1 und 2 die entscheidende Ursache für den -- wie dargelegt -- erfolglosen Klageantrag auf Abänderung des Gewinnfeststellungsbescheides gesetzt. Diese Handhabung des FA ist auf eine fahrlässig rechtsirrige Interpretation des §352 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 a.F. zurückzuführen. Ein etwaiges Mitverschulden der Klägervertreter, das darin gesehen werden könnte, daß sie -- ebenso wie auch das FG -- den Fehler des FA nicht erkannt und sich deshalb nicht auf einen Antrag auf isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränkt haben, fällt demgegenüber nicht nennenswert ins Gewicht.

4. Nur informationshalber wird darauf hingewiesen, daß das FA nunmehr über den nach wie vor offenen Einspruch der KG wird entscheiden müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 55637

BFH/NV 1999, 145

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