Entscheidungsstichwort (Thema)

Zinsabschlag bei Wohnungsverwaltungsunternehmen trotz Mietpreisbindung

 

Leitsatz (NV)

Der Zinsabschlag gemäß § 43 Abs. 1 EStG ist auch bei einem Unternehmen vorzunehmen, das überwiegend öffentlich geförderte Wohnungen verwaltet, die der Mietpreisbindung unterliegen. Auch wenn bei einem solchen Unternehmen die Kapitalertragsteuer und die anrechenbare Körperschaft steuer auf Dauer höher wären als die gesamt festzusetzende Einkommensteuer (sog. Überzahler), beruht die Überzahlung nicht auf Grund der "Art seiner Geschäfte" im Sinne von § 44 a Abs. 5 EStG.

 

Normenkette

EStG § 43 Abs. 1, § 44a Abs. 5; KStG § 49 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist ein ehemals gemeinnütziges Unternehmen der Wohnungswirtschaft. Sie verwaltet einen umfangreichen Wohnungsbestand, der aus öffentlichen Mitteln gefördert ist und der deshalb den öffentlich- rechtlichen Mietpreisbindungen unterliegt. Darüber hinaus entfaltet sie in geringem Umfang eine Bauträgertätigkeit und vereinnahmt Kapitalerträge, jährlich von rund ... DM. In den Jahren 1990 bis 1993 erwirtschaftete sie negative zu versteuernde Einkommen von durchschnittlich etwa ... DM. Für das Jahr 1993 ergab sich danach ein Verlustvortrag von rund ... Mio. DM; für 1994 ergaben sich weitere voraussichtliche Verluste von rund ... Mio. DM, für 1995 von rund ... Mio. DM. Sowohl in 1993 als auch in 1994 hat die Klägerin Dividenden ausgeschüttet.

Für die jährlich von ihr vereinnahmten Kapitalerträge beantragte sie gemäß § 44 a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Freistellung vom Abzug der Kapitalertragsteuer. Der Antrag wurde vom Beklagten und Revisionskläger (dem Finanzamt -- FA --) abgelehnt.

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 237).

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 44 a Abs. 5 EStG.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

1. a) Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. V. m. § 44 a Abs. 5 EStG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist bei Kapitalerträgen i. S. des § 43 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 EStG der Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge Betriebseinnahmen des Gläubigers sind und die Kapitalertragsteuer und die anrechenbare Körperschaftsteuer bei ihm auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wären als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer. Auf dieses tatbestandliche Merkmal, daß die Zinsabschlagsteuer bei dem Gläubiger "auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher" wäre als die gesamte festzusetzende Körperschaftsteuer, kommt es im Streitfall an. Nach den Feststellungen des FG sind diese Merkmale nicht erfüllt.

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 44 a Abs. 5 EStG und nach der Gesetzeskonzeption soll nur bei solchen Gläubigern vom Zinsabschlag Abstand genommen werden, bei denen die Überbesteuerung auf der Geschäftsstruktur beruht (vgl. die Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache -- BTDrucks. -- 12/2501, S 20). Zu solchen Dauerüberzahlern gehören in erster Linie Lebensversicherungsunternehmen und Verwertungsgesellschaften i. S. des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes, die einerseits über große Wertpapierbestände verfügen, die andererseits aufgrund der Art ihrer Geschäfte aber ihre Kapitalerträge größtenteils an ihre Kunden weitergeben (BTDrucks., ebd.). Das Tatbestandsmerkmal "aufgrund der Art seiner Geschäfte" ist in Einklang hiermit also immer dann als erfüllt anzusehen, wenn die Überbesteuerungssituation der ausgeübten Geschäftstätigkeit wesens immanent ist, so daß ein wirtschaftlich besseres Ergebnis zwangsläufig nicht erzielt werden kann. Das Tatbestandsmerkmal "aufgrund der Art seiner Geschäfte" ist jedoch immer dann nicht erfüllt, wenn die Überzahlung auf der jeweiligen Marktsituation beruht (also beispielsweise auf Gewinnlosigkeit, auf Preisverfall, Konkurs, schlechter Marktlage) oder auf individuellen Gegebenheiten und wenn sich hieraus zeitweise keine Einkommen- oder Körperschaftsteuer ergeben sollte (Senatsurteile vom 20. Dezember 1995 I R 166/94, BFHE 179, 396, BStBl II 1996, 199; vom 20. Dezember 1995 I R 166/94, BStBl II 1996, 308, BFH/NV 1996, 665; vom 10. Juli 1996 I R 84/95, BFHE 181, 152, BStBl II 1997, 38).

b) So verhält es sich bei der Klägerin. Die "Art" der von ihr ausgeübten Geschäfte ist -- neben der Tätigkeit als Bauträgerin -- die Verwaltung von (eigenen) Wohnungen. Die Verfolgung dieses Unternehmensgegenstandes mag zwar über lange Perioden hinweg tendenziell und tatsächlich verlustbringend sein. Diese Situation kann sich -- wie auch im Streitfall -- dadurch verschärfen, daß der verwaltete Grundbesitz vornehmlich in öffentlich geförderten Wohnungen besteht, deren Vermietung der öffentlich- rechtlichen Mietpreisbindung unterliegt. Dem Eigentümer derartiger Wohnungen wird es über den Zeitraum der gesetzlich bestimmten Mietpreisbindung und auch darüber hinaus auf unabsehbare Zeit regelmäßig nicht möglich sein, kostendeckend zu wirtschaften, weil die Aufwendungen einschließlich der Abschreibungen die Einnahmen deutlich übersteigen. Darauf kann es für die Frage des Zinsabschlages jedoch nicht ankommen. Auch bei einem Unternehmen, dessen Unternehmensgegenstand -- wie bei der Klägerin -- die Verwaltung von Grundbesitz ist, liegen einer etwaigen längerfristigen Überbesteuerungssituation nicht die abstrakte "Art" der Geschäfte i. S. des § 44 a Abs. 5 EStG -- hier: das Verwalten von Wohnungen -- zugrunde, sondern individuelle unternehmerische Entscheidungen und Gegebenheiten. Es sind dies Art, Alter und Zusammensetzung des erforderlichen Wohnungsbestandes, der Umfang des gebotenen Renovierungsaufwandes, die gelegentliche Erzielung von Gewinnen aus der Veräußerung und Umschichtung von Wohnungen usw. sowie vor allem die grundsätzliche Entscheidung, überwiegend im öffentlich geförderten Wohnungsbau tätig sein zu wollen. Überdies ist die Klägerin -- wenn auch nach den Feststellungen des FG in derzeit nur geringem, im einzelnen allerdings nicht festgestelltem Umfang -- als Bauträgerin tätig. Die sich daraus ergebende Ertragslage des einen Unternehmensbereichs, der Wohnungsverwaltung, wird von der Ertragslage des anderen Unternehmensbereichs, der Bauträgertätigkeit, beeinflußt und umgekehrt. Daß die gegenwärtige Verlustsituation der Klägerin nicht auf der "Art" ihrer Geschäfte beruht, erschließt sich überdies daraus, daß sie anderenfalls über kurz oder lang in Vermögensverfall geraten würde. Sie ist deshalb gehalten, die notwendigen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen, um dies zu verhindern.

c) Im Gesetz kommt klar zum Ausdruck, daß die Regelung in § 44 a Abs. 5 EStG abschließend ist. Andere als die dort bestimmten Steuerpflichtigen sollen von der Freistellung des Zinsabschlags ausgeschlossen sein. Dies schließt es zugleich aus, den Regelungsbereich des § 44 a Abs. 5 EStG im Wege der Rechtsanalogie zu erweitern. Die dafür erforderliche Gesetzeslücke, die es durch die Analogie auszufüllen gälte, fehlt.

2. Die Vorinstanz hat ihrer Entscheidung eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt. Ihr Urteil war deshalb aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

Der Senat hält es für sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 121, § 90 a FG0).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422228

BFH/NV 1997, 747

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